Einen Kredit für das Eigenheim von einem Versicherungsunternehmen, dazu ein wenig Erspartes in einen Geldmarktfonds eines Vermögensverwalters investiert, einige Euros über eine Peer-to-Peer Lending Plattform verliehen, das Sofa direkt über die Kaufhauskette finanziert und die Verkaufserlöse aus den letzten EBay und Amazon Verkäufen direkt dort als Guthaben gespeichert: So könnten beispielsweise die Transaktionen einer Privatperson mit Instituten des sogenannten Nicht-Banken oder Schattenbankensektors aussehen. Versicherungen, Fonds und sogar die öffentliche Hand legen ihre überschüssige Liquidität nicht etwa bei der Hausbank an, sondern immer häufiger bei Geldmarktfonds. Zusätzlich verleihen sie zu günstigen Konditionen bei Banken geliehenes Geld an andere Unternehmen, Investoren und sogar Privatpersonen. Immobilienentwickler finanzieren ihre Projekte mit Krediten von Versicherungen und Private Equity Fonds, entweder direkt oder über Schuldscheindarlehen. Repos mit Brokern und Versicherungen dienen dem kurzfristigen Liquiditätsmanagement von Unternehmen, alles ohne die Beteiligung eines regulierten Bankinstituts. Willkommen in der Welt der Schattenbanken!
50% der weltweiten Finanzanlagen außerhalb von Banken
Aktuelle Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und des Financial Stability Board gehen davon aus, dass weltweit bereits knapp 50% aller Finanzanlagen von Nicht-Banken verwaltet werden, Tendenz steigend.
Als sogenannte Schattenbanken oder Nicht-Bank-Finanzintermediäre zählen dabei Versicherungsunternehmen, Rentenfonds sowie sonstige Finanzinstitutionen, die entweder direkt oder indirekt Kredite und Finanzierungen vergeben und/oder Einlagen entgegennehmen. In die letzte Kategorie fallen zunehmend auch Teile großer Technologieunternehmen wie Amazon, Alphabet, Apple, Alibaba, Tencent oder Baidu, die ihr Geschäftsmodell mehr und mehr in Richtung Finanzmarkt ausdehnen. Das kann klassisch über Kredite und Einlagen geschehen, aber auch über Kapitalmarktinstrumente wie Repos, Reverse Repos, Schuldscheindarlehen und Wertpapiere. Schattenbanken arbeiten übrigens nicht nur in Konkurrenz zu Banken, sondern durchaus auch als deren Geschäftspartner, und selbst Banken finanzieren sich zu einem guten Teil über den Nicht-Banken-Sektor.
Das Volumen allein in Europa war nach Angabe der ESRB per Ende 2017 auf 42,3 Billionen Euro gewachsen. Weltweit wurden nach Schätzungen des Financial Stability Board (FSB) im Jahr 2016 mindestens 160 Billionen US-Dollar Gegenwert durch Nicht-Bank-Finanzintermediäre umgeschlagen. Das entsprach 2016 immerhin 48% der weltweiten Finanzanlagen. Das Nicht-Banken-Segment erfreut sich satter Wachstumszahlen. Entsprechend dürfte das Volumen bis heute weiter gestiegen sein.
Ein wichtiger Baustein im globalen Finanzmarkt
Der Schattenbankensektor erfüllt eine wichtige Funktion in der Finanzierung des Wirtschaftslebens und übernimmt nicht selten Bereiche und Geschäfte, die von regulierten Banken nicht abgedeckt werden. All das im Übrigen völlig legal. Sie erweitern und bereichern die Möglichkeiten der Geldaufnahme und der Geldanlage und schaffen durch ihre Konkurrenz auch auf der Gebührenseite eine gewisse Effizienz. Durch neue Technologien und Anlageformen wie etwa Robo Adviser, Exchange Traded Funds, Private Equity Fonds und Bezahl-Apps hat sich zudem die Anzahl und Vielfalt der beteiligten Unternehmen aus dem Nicht-Banken-Segment deutlich erhöht. Letzteres dürfte auch die starken Wachstumszahlen mit erklären, die wir im Schattenbankenbereich sehen.
Außerhalb der Bankenaufsicht
Die beinahe Kernschmelze im globalen Bankensegment hat nach 2008 eine Vielzahl an neuen Vorschriften und Gesetzen zur Regulierung des Bankwesens bewirkt. Die Baseler Akkorde wurden weitreichend und tiefgehend reformiert und erweitert, es wurden Risikovorschriften verfasst und neue Aufsichtsbehörden mit völlig neuen und umfangreichen Kompetenzen geschaffen. Nicht-Banken, die bankähnliche Geschäfte betreiben, sind darunter allerdings nicht reguliert und werden entsprechend auch nicht wie Banken beaufsichtigt. Für sie gelten weder die neuen, strengen Eigenkapitalvorschriften noch die Vorgaben für das Management der Risiken. Dabei sind viele Risiken, denen Schattenbanken ausgesetzt sind, zumindest im Bereich des Einlagen- und Kreditgeschäfts denen der Banken sehr ähnlich.
Fristentransformation birgt Risiken
Eines der größten Risiken, das Nicht-Banken bei bankähnlichen Geschäften eingehen, liegt im Managen der Fristentransformation. Darunter versteht man die Entgegennahme von kurzfristig gebundenen (Spar)einlagen, die gleichzeitig in Form langfristiger Kreditzusagen, Verbriefungen, Schuldscheindarlehen, etc. weiterverliehen oder investiert werden, oder umgekehrt, wenn kurzfristig Kapital über den Geldmarkt etwa in Form von Commercial Papers aufgenommen wird, und dieses Geld dann in langfristige Projekte investiert wird, zum Beispiel in Immobilienentwicklung. Dieses Spiel aus kurz mach lang geht Hand in Hand mit gleich mehreren Risiken. Zum einen können sich die Zinsen am kurzen Ende negativ entwickeln und das Geschäft unrentabel machen, also das Zinsrisiko. Meist spielt auch noch das Kreditrisiko mit, denn nicht alle Schuldner sind von gleich guter Bonität. Das Refinanzierungsrisiko ist permanent vertreten, und zudem noch ein erhebliches Liquiditätsrisiko, denn gerade die langfristigen Kredite und Projekte sind selten liquide. Was geschieht, wenn plötzlich ein großer Anleger sein Geld aus dem Fonds abziehen will?
Zins- und Kreditrisiken etwa lassen sich durch Derivate absichern, doch nicht alle Organisationen, die mit Fristentransformation spielen, haben ein adequates Risikomanagement und Controlling. Dabei ist die Sache keinesfalls trivial. Nicht umsonst beschäftigen Banken riesige Abteilungen, nur, um die Risiken, die sich aus der Fristentransformation ergeben, im Griff zu behalten. Richtig angewandt hingegen liegt in der Fristentransformation der Grundstein des finanziellen Erfolges des Bankgewerbes. Daran wollen auch Nicht-Banken teilhaben.
Leverage ist nicht selten
Gerade im Fondssegment findet man häufig ein beachtliches Maß an Leverage. Mit geliehenem Geld werden Investitionen getätigt, und durch die Finanzierung wird der Ertrag auf das eingesetzte Eigenkapital um ein Vielfaches erhöht. Das kann direkt oder über Derivate geschehen, und je höher der Hebel, desto höher verständlicherweise das Risiko. Banken ist seit Basel III und der europäischen Umsetzung in Form von CRD IV eine Grenze für die maximale Höhe des Leverage vorgeschrieben. Schattenbanken hingegen unterliegen keiner solchen Grenze. Doch gerade ein hoher Hebel kann – wie bereits Lehman gezeigt hat – sehr leicht zu einem Liquiditätsengpass durch plötzliche Margin- und Collateralleistungen aufgrund von unerwarteten Marktschwankungen und damit Insolvenz führen.
Systemrisiko ist vorhanden
Die Insolvenz eines Private Equity Funds oder eines Geldmarktfonds erscheint auf den ersten Blick nicht dramatisch. Doch das Nicht-Banken Segment arbeitet nicht isoliert. Die Verknüpfungen und geschäftlichen Verflechtungen mit Banken sind ausgesprochen groß und vielfältig. Banken leihen sich von Versicherungen Geld, sie verleihen es wiederum weiter an Fonds, sie handeln im Derivatemarkt miteinander, schließen laufend Repos ab und kaufen und verkaufen gegenseitig Commercial Papers, Anleihen, Schuldscheindarlehen und Verbriefungen. Gerät das Nicht-Banken oder Schattenbankensegment in eine Krise, ist das Ansteckungsrisiko der Banken groß. Entsprechend argwöhnisch beobachten Aufsichtsbehörden und Risikomanager bei Banken die Aktivitäten von Nicht-Banken. Denn eine gute Datenlage und eine gute Übersicht über die Vorgänge und erste Probleme kann, wie sich gezeigt hat, den großen Unterschied zwischen dramatischer Krise oder leichter Verschiebung bedeuten. Ob Schattenbankenaktvitäten mittel- oder langfristig ebenfalls reguliert werden, ist seit vielen Jahren immer wieder Teil der Diskussion. Eine kurzfristige Einigung ähnlich zu Basel III zeichnet sich derzeit allerdings nicht ab.
Sollten Sie Unterstützung für die Verbesserung Ihres Risikomanagements benötigen, sprechen Sie uns gerne an!