Sie zählen zu einer der neuen Errungenschaften der hochgelobten FinTech Szene. Robo Advisors, oder automatisierte und computergesteuerte Anlageberatung. Sie sollen meist Kleinanlegern eine Alternative bieten zur herkömmlichen Beratung durch einen Anlageberater aus Fleisch und Blut. Dazu, so loben die Befürworter der Robo Advisors, treffen sie den Nerv der Zeit. Denn kein 25-jähriger betritt heutzutage noch eine Bankfiliale. Das ist uncool, absolut nicht mehr zeitgemäß und ohnedies spielt sich alles virtuell ab. Internetbanking ist zur Normalität geworden. Wieso soll nicht auch die Anlageberatung in die virtuelle Welt abwandern können?
Die Gegner der Robo Advisors verweisen auf die individuellen Bedürfnisse, die analysiert werden müssen, auf die Gefahren, die sich hinter automatisierten Computeralgorithmen verbergen können, und eben darauf, dass der Mensch in der Anlageberatung einfach nicht ersetzbar ist. Die Computermodelle der aktuell auf dem Markt befindlichen Robo Advisors ersetzen tatsächlich rein rechtlich meist keine klassische Anlageberatung. Dafür sind die Fragen, die der potenzielle Anleger beantworten muss, bevor ihm eine Investition vorgeschlagen wird, noch nicht individuell genug. Aber was nicht ist, kann noch werden.
Aber werden Anleger durch einen Berater aus Fleisch und Blut wirklich so viel besser beraten? Schließlich geht es den Beratern in unserem aktuellen System hauptsächlich um Provisionen. Unabhängige Honorarberater sind bei uns noch in der ganz klaren Minderheit. Der Robo Advisor berät im Zweifelsfall also womöglich nicht schlechter als der provisionsabhängige Berater, sondern im Gegenteil unparteiisch und unvoreingenommen. Hinzu kommt, dass die meisten Angebote für Robo Beratung eine sehr transparente Kostenstruktur aufweisen. Das liegt im krassen Unterschied zu unseren herkömmlichen, provisionsabhängigen Beratern. Deren Motivation und Provision sind nicht annähernd transparent.
Zugegeben, die „Beratung“ durch Robo Berater ist anonym und ziemlich unpersönlich, dazu nicht sehr individuell. Doch das Kostenargument haben sie auf ihrer Seite. Im Schnitt verlangen die meisten Anbieter zwischen 0,60% – 0,95% p.a. an Vergütung, ohne zusätzliche Gebühren oder versteckte Kosten. Das liegt um Welten unter den Provisionen, die eine Bank alleine für einen einfachen Bausparvertrag kassiert, geschweige denn als Vertriebs- und Bestandsprovision für einen Investmentfondsanteil, den jemand in der Filiale kauft. Versicherungsvertreter kassieren für ihre Vermittlungsleistungen ebenfalls deutlich mehr als die Robo Advisors. Das Kostenargument haben die neuen Roboter-Berater also schon mal um Welten gewonnen.
Der nächste Vorteil liegt vor allem für die junge Generation der Anleger in der Natur aller computerbasierten Entwicklungen. Der Robo Berater ist immer und überall erreichbar, zu jeder Tages- und Nachtzeit, unkompliziert, schnell, einfach, vor allem völlig unverbindlich und dabei transparent und dynamisch. Welcher junge, erwerbstätige Mensch hat schon Zeit, während der Öffnungszeiten einer klassischen Filiale einen Beratungstermin wahrzunehmen? Dann ist da noch die Sache mit der Unverbindlichkeit, die jüngere Generationen schätzen. Da passen aufdringliche Anlageberater einfach nicht ins Bild.
Die Produktpalette? Hier haben klassische Anlageberater und Robo Advisors völlig unterschiedliche Konzepte. Haben die Berater bei klassischen Banken, Sparkassen, Versicherungen oder Finanzberatern meist eine begrenzte aber trotzdem vielfältige Produktauswahl, bieten die digitalen Angebote von Unternehmen wie quirion, Easyfolio, Vaamo oder Cashboard häufig nur die Möglichkeit von verschiedenen vorgegebenen Musterportfolien, die man entfernt mit Fund of Funds vergleichen könnte. Damit setzen die meisten Robo Advisors vor allem auf passive Produkte wie ETFs und defensive Strategien. Diese sind günstiger und einfacher umzusetzen, dabei risikoärmer und konservativer.
Die unterschiedliche Produktpalette liegt auch am unterschiedlichen Ansatz, wie für die Beratung bezahlt wird. Die klassischen Filialen und Anlageberater verdienen heutzutage an Produktprovisionen. Dafür braucht es Vertriebs- und Provisionsvereinbarungen, und die Produktpalette enthält häufiger jene Fonds, Zertifikate oder Versicherungen, die tendenziell hohe Verkaufsprovisionen vergüten. Der Fonds mit seinen 5% Ausgabeaufschlag, den der Berater für die Vermittlung erhält, ist nunmal attraktiver als ein ETF ohne Ausgabeaufschlag. Die Robo Advisor Anbieter arbeiten hingegen mit einer transparenten, laufenden Gebühr, die noch dazu überraschend niedrig liegt. Klar, die Kosten sind auch entsprechend geringer. Es müssen keine teuren Filialsysteme erhalten werden, sondern nur noch einige Programmierer und Administratoren an zentraler Stelle.
Dann ist da noch die Sache mit der Mindestanlage. Für das klassische Anlageberatungsgeschäft in der Filiale oder per persönlichem Besuch zu Hause rechnet sich die Sache erst ab einem gewissen Mindestanlagebetrag. Für Robo Advisors ist das unterschiedlich. Hier können Investoren teilweise bereits mit geringeren Geldbeträgen die Leistung in Anspruch nehmen. Allerdings auch nicht überall. Bei vielen der Anbieter gibt es eine Mindestveranlagung von 10.000 Euro.
Noch stehen viele Robo Advisors am Anfang. Es gibt wie in allen neuen Systemen durchaus noch Mängel und viel Potenzial zur Verbesserung. Doch die Modelle der Anbieter entwickeln sich laufend weiter, und sie lernen vor allem von Märkten wie Großbritannien, in denen Robo Advisors bereits von sehr vielen Kleinanlegern aktiv genutzt werden. Der Grund dafür ist übrigens das britische Verbot der provisionsabhängigen Beratung von Kleinanlegern, wodurch die persönliche Beratung durch viele Banken zurückgefahren wurde. Den Banken war das nicht provisionsabhängige Geschäft nicht lukrativ genug.
Ob jemand sein Geld nun besser von automatisierten Algorithmen oder provisionsgetriebenen, menschlichen Beratern verwalten lässt? Das muss am Ende jeder Anleger für sich selbst entscheiden. Das Wachstum der Robo Advisors spricht allerdings dafür, dass es für diese Art der Anlage durchaus einen Markt und Nachfrage gibt. Wer auf hohe Qualität, individuelle und vor allem ehrliche Beratung, eine vielseitige und umfassende Produktpalette und eine laufende Evaluierung der eigenen Finanzen durch einen Experten Wert legt, gibt schon heute Geld für unabhängige Honorarberatung aus. Für alle anderen mögen Robo Advisors durchaus nicht die schlechteste Lösung sein.