In aller Munde

Die Medien sind voll von Meldungen über gestiegene Preise für Lebensmittel, für deutlich höhere Energiepreise und auch an der Tankstelle sehen wir täglich, dass Preise für Verbraucher höher sind als noch vor einem Jahr. Wer eine neue Wohnung sucht, sei es zur Miete oder als Eigentum, hat wahrscheinlich ähnliche Erfahrungen gemacht, und sogar Reisen und allgemeine Konsumgüter wie Kleidung und Schuhe sind häufig teurer geworden. Das Thema Inflation ist selbst in ganz gewöhnlichen Smalltalk Gesprächen zwischen normalen Menschen angekommen. Jeder scheint Angst zu haben, dass die Preise steigen und das Geld auf dem Konto bald nicht mehr viel kaufen kann.

Wen betrifft Inflation

Da stellt sich direkt die Frage, wen Inflation wirklich trifft. Inflation, das ist der Verlust von Kaufkraft durch höhere Preise. Die Produzenten und Händler, die Preise erhöhen, trifft Inflation nicht. Je nach Grund der Preiserhöhung geben sie höhere Produktions- und Einkaufspreise einfach an ihre Kunden weiter, oder sie erhöhen die Preise schlicht aus dem Grund weil sie es können. Einmal ehrlich, wären Sie Produzent einer Ware, für die es eine rege Nachfrage gibt, entweder weil Ihr Produkt beliebt ist oder weil die Menschen es zum Leben brauchen, würden Sie nicht den höchst möglichen Preis verlangen, damit Sie den höchst möglichen Gewinn erzielen und gut leben können? Sie werden den Preis erhöhen, solange Ihre Kunden es akzeptieren. Manche Preiserhöhung können Sie in kleineren Packungsgrößen und qualitativ schlechteren Zutaten verstecken, oder Sie erhöhen die Preise nur langsam. Ihr Ziel als Produzent oder Händler bleibt dennoch stets die Gewinnmaximierung. Inflation ist in diesem Fall also nichts, das Produzenten schadet, sondern in vielen Fällen ganz im Gegenteil. Höhere Preise treffen Endverbraucher. Der Ökonom wird nun einwenden, dass der Endverbraucher gleichzeitig Arbeitnehmer beim Produzenten ist und bei höheren Preisen auch höhere Löhne verlangen wird. Das stimmt, doch meist steigen die Löhne weniger stark als die Preise, und das zudem mit einer zeitlichen Verzögerung. Im Vorteil ist wieder der Produzent und nicht der Konsument.

Die Rolle des Staates

Selten betrachtet und noch öfter vergessen wird die Rolle des Staates beim Thema Inflation. In der idealen Welt hätte der Staat, also die Gemeinschaft der Bürger eines Landes, vertreten durch vom Volk gewählte Vertreter in Form von Politikern und von diesen eingesetzten Beamten, allein das Wohl der Menschen des Landes zum Ziel. Und da die Mehrheit der Menschen zur Gruppe der Konsumenten und Arbeitnehmer zählt, wohingegen die Gruppe der Produzenten und Händler eine Minderheit darstellt, müsste der Staat zum Wohle der Mehrheit agieren und Inflation in Form höherer Preise zumindest nicht unbedingt wollen oder sogar etwas dagegen unternehmen. Nun leben wir bekanntermaßen nicht in einer idealen Welt. Die Agenten des Staates, also seine Beamten und Politker, werden von vielen Seiten beeinflusst, und den größten Einfluss haben jene mit den tiefsten Taschen. In unserer Gesellschaft steht Geld häufig an erster Stelle. Entsprechend hat auch der Staat ein Eigenleben entwickelt, in dem es um die eigene Maximierung von Geld und Vermögen geht. Wenn das Eigeninteresse des Staates möglichst hohe Einnahmen sind, liegt es nahe, dass der Staat nichts gegen höhere Steuereinnahmen hat. Da wäre etwa die Umsatzsteuer, die sich als Prozentsatz auf den Preis der an Konsumenten verkauften Produkte berechnet. Höhere Preise bedeuten höhere Einnahmen für den Staat. Werden mit etwas Verzögerung die Löhne erhöht, so darf sich der Staat über höhere Einnahmen aus der Lohnsteuer freuen, die – noch erfreulicher für den Staat – progressiv gestaffelt ist, und deren Staffelung nur sehr selten angepasst wird. Sie sehen worauf die Sache hinausläuft? Der Staat hat nichts gegen höhere Preise. Er hat einen klassischen Interessenkonflikt. Wobei in unsere Betrachtung noch gar nicht auf die positiven Effekte der Entschuldung durch Inflation eingegangen wurde, von der ein Staat als großer Schuldner direkt profitiert. Preise gering zu halten durch Preiskontrolle ist entsprechend nicht im Eigeninteresse eines Staates.

Ein klein bisschen Inflation macht doch nichts

In klassischen Volkswirtschaftsbüchern wird uns erzählt, dass eine geringe Inflation ein Zeichen für eine sich gut entwickelnde, gesund wachsende Wirtschaft sei. Doch stimmt das? Inflation bedeutet höhere Preise. Für Konsumenten sind höhere Preise nie positiv. Sie müssen mehr für die Güter und Dienstleistungen ihres täglichen Bedarfs bezahlen. Manchmal schaffen sie es, diese höheren Preise in Form höherer Löhne oder Sozialleistungen ausgeglichen zu bekommen, manchmal auch nicht, und wenn überhaupt dann zeitversetzt. Höhere Preise bedeuten im ersten Schritt, dass Konsumenten für die Finanzierung ihres Lebens entsprechend mehr Arbeitsleistung und Zeit geben müssen. Produzenten und der Staat hingegen profitieren unmittelbar und direkt von höheren Preisen. Das klassische Beispiel ist Erdöl. Könnte es also sein, dass eine geringe Inflation deshalb als positiv verkauft wird, weil es die Menschen nicht merken und deshalb denken, die Lage sei nicht so schlimm? Ein wenig so wie der Frosch im Kochtopf, in dem das Wasser nur langsam erwärmt wird? Denn wäre die Inflation, also die Preiserhöhung, zu abrupt, würden Konsumenten entweder weniger oder gar nichts mehr vom entsprechenden Produkt kaufen, oder sie würden gegen die zu starken Preiserhöhungen auf die Straße gehen und Unruhen könnten ausbrechen. Dort, wo Inflation von Außen importiert wird (in der Regel durch Fremdwährungsdarlehen und Staatsanleihen in Fremdwährungen), ist das eine durchaus übliche Reaktion. Doch weder Produzenten noch der Staat haben Interesse an unzufriedenen Bürgern oder gar Unruhen, denn das schadet ihren Einnahmen und damit ihren Interessen.

Inflation und die Umverteilung

Noch bevor Marx, Engels & Co den Kommunismus eingeleitet oder auch die Grünparteien und Sozialisten in anderen Staatsformen die Ungleichverteilung von Vermögen anprangerten, war die Frage, warum Reiche stets reicher und Arme ärmer werden, die Schere zwischen Arm und Reich groß ist, in der Gesellschaft ein Dauerthema. Viele Thesen und Theorien wurden über die Jahrhunderte darüber aufgestellt. Was aber, wenn der Grund viel banaler ist, als viele denken? Was, wenn der Grund schlicht die Inflation ist, die Konsumenten ärmer macht und Produzenten und den Staat reicher? Inflation wiederum ist, wie wir wissen, stets ein rein monetäres Phänomen. Sie ist Teil des herrschenden Geld- und Wertesystems. Dass die Lösung nicht im Kommunismus, auch nicht im Kapitalismus, nicht im Sozialismus oder einer anderen politischen Form liegt, ergbit sich aus den bereits aufgezeigten Interessenkonflikten, die in allen Staatsorganisationen vorhanden sind. Geld abzuschaffen ist ebenfalls nicht die Lösung. Schließlich ist Geld nur ein Medium, das drei Eigenschaften erfüllt. Es erlaubt uns zu tauschen, zu sparen und Werte zu messen. Die Grund für das fehlerhafte oder gar kaputte System, mit dem wir leben, und die wahre Lösung gehen viel tiefer in unsere Wertegemeinschaft. Unser Geldsystem, das Finanzsystem, das Wirtschaftsleben und sogar unsere Gesellschaftsformen sind schließlich nur das Ergebnis unseres Handelns und unserer gemeinsamen Werte. Es geht darum, was uns allen wichtig ist. Ist es wertvoller und wichtiger, das eigene Wohl, die eigene Geldvermehrung, die eigenen Interessen vor die aller anderen zu stellen, egal um welchen Preis, oder geht es uns um das Wohl aller, unser eigenes Wohl gleichauf mit dem der anderen, um das Wohl aller Lebewesen, der Erde, der Natur, um das Gemeinsame oder alleine um das Ich?