Volkswirtschaftslehre und Markttheorien bauen vielfach auf der Grundlage auf, dass die verfügbaren Ressourcen knapp sind und es so durch Angebot und Nachfrage zu einer Preisfindung kommt. Doch wie knapp sind Ressourcen wirklich? Und wie gut können volkswirtschaftliche Theorien aus den 1970er Jahren die heutige, wirtschaftliche Situation erklären?

Der Wert des Geldes

Das Verständnis, dass aus Angebot und Nachfrage Preise und Marktgleichgewichte entstehen, liegt auch den Theorien und Mechanismen zugrunde, die wir etwa für Währungs- und Inflationsprognosen nutzen. Inflation entsteht entweder, weil die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen größer ist als das Angebot, also in Folge von Wirtschaftswachstum und dadurch steigenden Preisen. Oder sie entsteht, weil die Geldmenge steigt, die Menge an angebotenen Waren und Dienstleistungen aber gleich bleibt und nicht in gleicher Geschwindigkeit steigt, und so schlicht mehr Währungseinheiten pro Wirtschaftsgut zur Verfügung stehen. Klingt sehr einfach und einleuchtend. Im Zentrum steht auch hier die Knappheit bestimmter Wirtschaftsgüter. Doch stimmt das alles so?

Geld kann grenzenlos erzeugt werden

Lassen Sie uns mit der Knappheit des Geldes beginnen. Knapp kann nur etwas sein, das begrenzt verfügbar ist. An Land ist Luft nicht knapp, und für jemanden, der gerade im Ozean schwimmt, ist auch Wasser nicht knapp. Geld erhält – so die Theorie – seinen Wert, weil begrenzt davon verfügbar ist, und es zudem für die meisten Menschen mit Arbeit und Mühe verbunden ist, dieses Geld im Tausch gegen Arbeit oder Waren zu erhalten. Für Staaten und Zentralbanken scheint Geld hingegen keine Knappheit zu kennen. Sie erzeugen es einfach selbst. Dazu benötigen sie nicht einmal mehr Gold, Silber oder Papier, nein, es reichen fiktive Buchungen in ihren eigenen Systemen dafür aus. Geld kann durch jene an der Macht in beliebiger Menge erzeugt werden. Knappheit sieht anders aus. Wieso aber kommt es zu keiner Geldentwertung im großen Stil?

Andere scheinbar knappe Güter

Energie, so wird uns gesagt, ist knapp. Deshalb kostet es auch so viel, wenn man mit dem Auto zum Tanken fährt, die Stromrechnung bezahlt und die Heizkostenabrechnung bekommt. Gleichzeitig erhält man heute für neu installierte Photovoltaikanlagen kaum noch Geld für eingespeisten Strom, mit der Begründung, es gäbe bereits zu viel Angebot. Erdöl ist angeblich knapp, und das schon seit fünfzig Jahren, aber dann doch nicht, denn es wird von immer neuen Lagerstellen berichtet, bei denen es sich aber nicht lohnt, sie zu erschließen, denn es sei noch genug „billiges“ Öl vorhanden. Ab und an stolpert man dann über Berichte zu Brennstoffzellen und Teslaspulen, nur um zu hören, deren Weiterentwicklung lohne nicht, weil genug andere Energie verfügbar sei. Warum, wenn es keine Knappheit gibt, kostet Energie dann so viel? Auch hier stimmen Preis und Knappheit nicht überein.

Ein weiterer Widerspruch: Die Kurse von Anleihen

Staatsanleihen sind teuer wie nie. Der Bundfuture handelt über 170,die Renditen für deutsche Bundesanleihen sind tief negativ, und auch die Renditen anderer Staaten bester Bonität liegen weit unter den dortigen Inflationsraten. Liegt es an einer Verknappung des Angebots? Die Staatsverschuldung ist weltweit in den vergangenen zehn Jahren rasant nach oben geschnellt. Laut Daten der OECD lagen 2020 Japan und Griechenland an der Spitze mit 234% und 236% Staatsverschuldung im Vergleich zum BIP. Gleich an dritter Stelle stehen die USA mit 161%. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich beziffert die Höhe aller ausstehenden Staatsanleihen weltweit auf umgerechnet 27,8 Billionen US-Dollar per Ende 2020. Scheinbar herrscht auch hier keine Knappheit. Oder vielleicht doch?

Das Marktequilibrium

Die Volkswirtschaftslehre und Markttheorie, auf die viele Ökonomen und Analysten ihre Prognosen stützen und die herangezogen werden, um Marktbewegungen zu erklären, haben übrigens noch eine weitere, zentrale Theorie, auf der alles weitere aufbaut. Die gängige Meinung in der Ökonomie ist, dass durch Marktungleichgewichte, entstanden aus Knappheit oder Überfluss, Angebot und Nachfrage, sich über die Funktion freier Märkte und rational handelnder Wirtschaftsteilnehmer nach und nach wieder ein Gleichgewicht findet. So gleichen sich langfristig über das Instrument des Preises Angebot und Nachfrage aus, und es bildet sich das langfristige Marktequilibrium. So viel zur Theorie. In der Praxis sieht das hingegen so gut wie immer anders aus. Sie möchten wissen warum? Der Schlüssel dazu, warum volkswirtschaftliche Theorien schlicht nicht funktionieren liegt im Macht- und Informationsungleichgewicht. Den freien Markt mit seinen rational handelnden Teilnehmern, die gemeinsam „den Markt“ schaffen, gibt es schlicht nicht.

Das Macht- und Informationsungleichgewicht

Währungen, Anleihenkurse, Aktienmärkte, Energiepreise, die Kosten für Lebensmittel und Produktionsgüter, Inflation, Arbeitslosigkeit, Lohnniveau, Handelsbeziehungen, Marktanteile, globale Logistikketten und vieles, vieles mehr sind kein zufälliges Ergebnis aus Angebot, Nachfrage, Preis und Knappheit. Sie sind politisch bestimmt. Nehmen wir die Kurse für Anleihen, die trotz riesigem Angebot an neuen Staatsanleihen im Keller sind. Staatsanleihen dienen als Collateral, wobei ständig mehr und mehr an Verbindlichkeiten, Finanzprodukten und Transaktionen mit hochwertigen Sicherheiten unterlegt werden müssen. Das ist politisch so gewollt und von oben durch Gesetze und Regulierungen vorgegeben. Wie praktisch, dass sich auf diese Weise ein schier unersättlicher Markt für neue Staatsschuldtitel aufgetan hat, in dem tatsächlich seit Jahren Knappheit herrscht und das Angebot die Nachfrage nicht bedienen kann. Oder das Thema Energie. Die Entscheidung für fossile Brennstoffe war politisch motiviert, ebenfalls heute die Vorgabe, sich auf Windräder und Photovoltaikanlagen zu stürzen und Autos mit bestimmten Batterien zu bauen, obwohl es davor durchaus andere Energiequellen gab. Lebensmittelpreise sind politisch gesteuert, ebenfalls die Art der Landwirtschaft und der Fleischproduktion. Wir leben in einer Welt, in der die Zusammenhänge nicht von natürlichen Faktoren gesteuert werden, sondern ihre Entwicklung von jenen, die an der Macht sitzen, vorgegeben werden. Das beginnt im Kleinen und geht bis ins ganz Große. Das Macht- und Informationsungleichgewicht, in dem sich das Wirtschafts- und Finanzleben befinden, sind gigantisch. Verabschieden Sie sich deshalb von der Illusion der natürlichen Knappheit der Ressourcen und dem langfristigen Marktequilibrium. Blicken Sie für Ihre Prognosen lieber nach Brüssel und Washington und lesen Sie statt ihres VWL-Lehrbuchs lieber die Entwürfe für neue Regulierungsvorhaben, ein zugegeben nicht gerade verlockender Gedanke, aber durchaus aufschlussreich und lohnenswert.