ESG steht für „Environmental, Social and Governance“ und kann übersetzt werden mit grün, sozial sowie guter Unternehmensführung. Wohin man blickt sehen wir vor allem das grüne Element mit Themen wie CO2, Klimaschutz, Umweltschutz, gefolgt manchmal noch von sozialen Themen wie Stakeholder Wertschätzung, Gender Gerechtigkeit, Anti-Diskriminierung und Minderheitenschutz. Doch wie steht es um das „G“ in ESG? Wie wichtig und zentral ist eine gute Unternehmensführung?

Das „G“ ist nicht sofort greifbar

Vielleicht liegt die Vernachlässigung der Corporate Governance bei den ESG Themen auch daran, dass dieses Themenfeld im Vergleich zu den beiden anderen schlicht zu schwammig ist. Beim Wort Klimaschutz sieht man Bilder von mit Plastik vermüllten Stränden oder rauchende Schornsteine vor sich, und bei sozialen Themen denkt man an Frauen oder Menschen mit anderer Hautfarbe. Doch bei guter Unternehmensführung? Was also beinhaltet „G“, worum geht es überhaupt?

Worum geht es beim Thema „Governance“ überhaupt?

Unter guter Unternehmensführung im Sinne des ESG versteht man ein unternehmensinternes Regelwerk inklusive der eigenen Unternehmenskultur. Dieses interne Regelwerk kann entweder bewusst schriftlich verfasst und für alle veröffentlicht sein, oder auch als gelebter Teil der Kultur eines Unternehmens existieren. Es regelt die internen Abläufe, die Organisation und den Aufbau, und sorgt dafür, dass die Rechte, Rollen und Verantwortlichkeiten eines jedem im Unternehmen geregelt sind und es ausreichend interne und externe Kontrolle gibt, damit die Interessenkonflikte zwischen „Insidern“ und externen Stakeholdern – hier sind vor allem die Eigentümer, also die Aktionäre, gemeint – ausgeglichen werden. Durch eine solide und ehrliche „good Governance“ sollen die Interessen des Unternehmens und die Interessen anderer Stakeholder auf faire und gerechte Weise ausgeglichen werden.

Eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen

Wenig hilfreich ist es allerdings, dass es beim Begriff Corporate Governance eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen gibt. Von der einfachsten Sicht, dass es hier ausschließlich um die Art und Weise geht, wie Unternehmen geführt und kontrolliert werden, bis hin zur vollumfassenden Rundumsicht, inklusive der moralischen Verpflichtung zum Steuern zahlen. Die Diskussionen darüber, was unter gute Unternehmensführung fällt, dauert bereits seit über 30 Jahren an. Doch obwohl das Thema Corporate Governance seit vielen Jahrzehnten präsent ist, haben viele Manager und Investoren Probleme damit, gute Unternehmensführung entweder generell oder für ihr eigenes Unternehmen zu definieren. Da erscheint es einfacher, sich zunächst den Themen Umweltschutz und Soziales zuzuwenden, die leichter zu fassen und auch besser zu verkaufen sind.

Haben wir eine verdrehte Reihenfolge?

Unternehmen, die sich ernsthaft und ehrlich mit dem Thema guter Governance auseinander gesetzt haben, sind vor allem in Krisenzeiten deutlich stabiler. Aus ihrem Bemühen und der Schaffung interner Strukturen, die Interessenkonflikte entweder von vorne herein vermeiden oder ausgeglichen, werden automatisch Anreize und eine Mentalität geschaffen, die Fragen wie soziale Gerechtigkeit, Steueroptimierung, Gendergerechtigkeit, Umweltschutz, faire Löhne und Gehälter, Stakeholder Wertschätzung, nachhaltige Beziehungen zu Aktionären, Arbeitnehmern, Geldgebern, Zulieferern, Kunden und Gesellschaft regeln. Die gute Unternehmensführung mit ihren klaren, zielgerichteten Strukturen und transparenten Aufgaben- und Kontrollverteilungen stellt die Grundlage dar für alle weiteren ESG Aspekte.

Das „G“ gehört an erste Stelle

Eine gute Unternehmensführung ist das Fundament auf das der Rest der ESG Komponenten gebaut werden kann. Fehlt das „G“, ist es kein Wunder, dass die Umsetzung der ersten EU Taxonomieverordnung, die sich ausschließlich mit Umwelt- und Klimaschutz beschäftigt, schwer fällt. Es ist auch nicht verwunderlich, dass wir viel zu oft Greenwashing bei Anlageprodukten sehen und Investoren wie Unternehmen sich verloren fühlen in einer für sie ausgesprochen verwirrenden Welt aus grün und sozial, wo meist nicht das enthalten ist, was auf der Verpackung versprochen wird. Es wird Zeit, das „G“ an erste Stelle zu setzen, und der Rest wird folgen.