Gender Lens Investing ist auf dem Weg zu einem neuen Investment Trend. Immer mehr Asset Manager und Investoren werden auf diesen interessanten Ansatz aufmerksam. Asset Manager und Fonds-Anbieter, die mit klassischen Ideen nicht mehr punkten können und immer mehr Geschäft an passive ETFs verlieren, greifen Gender Lens Investing als eines der neuen Themen auf, die viele Investoren emotionalisieren und dadurch bewegen, ihr Kapital entsprechend zu investieren. Ist Gender Lens Investing also nur ein Marketing-Tool, eine vorübergehende Modeerscheinung im Zuge des Impact Investing Hypes, oder steckt doch mehr dahinter? Kann es der Gender Lens Investing Ansatz schaffen, nachhaltig Mehrwert zu generieren, der sowohl im Ideellen als auch im Materiellen liegt? Am Ende ist es die Rendite, die stimmen muss, sagen Kritiker, und für alles andere gibt es die Caritas.
Worum geht es bei Gender Lens Investing?
Es geht darum, bessere Investment Entscheidungen zu treffen. Erreicht wird das, indem sämtliche Prozesse, die am Anlageprozess beteiligt sind, so ausgerichtet werden, dass ein Gleichgewicht aus männlicher und weiblicher Sicht in alle Entscheidungsprozesse mit einfließt. Gleichzeitig geht es darum, bei geplanten Investitionen zu analysieren, welchen Einfluss sie auf das Leben von Frauen und Mädchen haben, mit dem Ziel, ein gleichmäßigeres Macht- und Chancenverhältnis zu schaffen.
Sollen nun Männer durch Frauen ersetzt werden?
Ganz und gar nicht! Beim Gender Lens Investing geht es nicht darum, Männer durch Frauen zu ersetzen. Ganz im Gegenteil! Männer sind wichtig! Es geht vielmehr darum, eine möglichst große Vielfalt an Ideen und Sichtweisen in den Investmentprozess einzubeziehen. Dazu gehört ein Gleichgewicht aus Männern und Frauen, und auch unter ihnen idealerweise eine Vielfalt an Hintergründen und Facetten. Schließlich geht es um Menschen, und nicht um Roboter Typ A (= Mann) und Roboter Typ B (=Frau). Menschen sind verschieden. Ein Reichtum an Erfahrungen und Hintergründen schafft bessere Teams, und es ist schon lange nachgewiesen, dass diversere Gruppen bessere und informiertere Entscheidungen treffen. Und noch ein Bonus oben drauf: Teams, in denen Männer und Frauen Seite an Seite arbeiten, sind glücklicher!
Geht es um Prozentsätze und Quoten?
Gender Lens Investing ist viel komplexer als Quoten und die Anzahl von Frauen im Vorstand und Aufsichtsrat. Es geht um mehr als eine reine Datenanalyse möglicher Investmentziele. Es geht auch nicht darum, ausschließlich in Projekte und Unternehmen zu investieren, die das Leben von Frauen und Mädchen direkt verbessern wollen, auch wenn dies zunächst ein wichtiger Teil der Idee ist. Gender Lens Investing blickt viel weiter und der Ansatz ist viel umfassender. Frauen und Gender Fluids werden hier nicht als Problem gesehen, das gelöst werden muss, sondern als wichtige und wertvolle Teilhaber von Wirtschaft und Gesellschaft. Im großen Ganzen des Gender Lens Gedankens wird jedem Menschen zugetraut, zum gemeinsamen Erfolg beizutragen. Unternehmen und Projekte, die diese Philosophie in ihrer Unternehmenskultur tragen, werden, so der Gedanke, langfristig besser und erfolgreicher entscheiden und agieren. Das gilt für den Asset Manager, der in seinem Investment Gremium Entscheidungen trifft, ebenso, wie für das Investitionsziel.
Ein ganzheitlicher Ansatz
Gender Lens Investing ist kein simpler Algorithmus, der auf ein bestimmtes Portfolio angewendet werden kann. Gender Lens Investing betrifft nicht nur das Herz und das Hirn des Unternehmens, sondern die gesamte DNA. Gender Lens bedeutet, die ganze Unternehmenskultur und -struktur darauf auszurichten, Strukturen, Entscheidungen und Gremien so zu gestalten, dass stets männliche und weibliche Aspekte erfasst sind. Ein Gleichgewicht von Macht – bewusst und unbewusst – und Akzeptanz, Verständnis und Konsensfindung in allen Bereichen, und das Hinterfragen aller Strukturen nach versteckten Voreingenommenheiten steht dabei am Anfang. Ein Prozess, der alles andere als einfach und sicherlich nicht von heute auf morgen umzusetzen ist. Gender Lens Investing erfordert Mut und Engagement. Veränderung ist selten einfach, und festgefahrene Machtstrukturen aufzubrechen ist besonders schwer.
Warum soll Gender Lens höhere Renditen schaffen?
Investitionen werden in der Regel mit dem Ziel getätigt, Rendite zu erzielen. Der Gedanke der risikoadjustierten Rendite ist dabei oft der Kern jedes Investment Vorschlags. Die höchste mögliche Rendite für das eingegangene Risiko, oder das geringst mögliche Risiko für die gewünschte Rendite. Rendite und Risiko stehen einander entgegen. Der Gedanke beim Gender Lens Investing ist dabei gleich mehrfach gewinnbringend, muss aber aufgeteilt werden in die Seite des Investors und jene der Zielgesellschaft, in die investiert wird.
Auf Seite des Asset Managers oder Anlegers profitiert der Entscheidungsprozess von der Vielfalt. Erstens treffen ausgeglichene Teams konstruktivere und bessere Entscheidungen. Zweitens sehen sie die Potenziale der gesamten Zielgruppe, also weder nur die der männlichen Kunden und Investoren oder nur der weiblichen Zielgruppe, sondern des gesamten Spektrums. Drittens schaffen unterschiedliche Sichtweisen auf Risiko, Investitionen und Entscheidungen rundere und nachhaltigere Ziele. Produkte, Prozesse, Kommunikation und Kundenbeziehungen können dadurch von Anfang an erfolgreicher gestaltet werden. Gleichgewicht bedeutet schließlich Stabilität, und Stabilität führt zu höheren und langfristigeren Gewinnen. Es geht dabei nicht um Mann gegen Frau. Es soll auch nicht impliziert werden, dass Frauen bessere Entscheidungen treffen als Männer. Der Gedanke ist, dass beide erst gemeinsam ihr volles Potenzial erreichen und sich gewinnbringend in ihren Ideen, Sichtweisen, Talenten und Einstellungen ergänzen.
Bei dem Projekt oder Unternehmen, in das investiert wird, geht es ebenfalls darum, durch ein ausgeglichenes Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern Mehrwert zu schaffen. Geschäftsmodelle, die direkt auf das gesellschaftliche System wirken, indem Frauen inkludiert und nicht ausgeschlossen, abgewertet oder ausgebeutet werden, werden auch ökonomisch nachhaltigere Werte schaffen. Gender Lens Investoren suchen nach Unternehmen, die ehrlich und nachhaltig Chancengleichheit und gemeinsame Entscheidungsprozesse leben. Wenn der Unternehmenszweck dann auch noch direkt das Leben von Frauen verbessert, sei es durch geeignete Investmentprodukte, bestimmte Versicherungen, medizinische Angebote, Zugang zu Kapital, Bildungsangebote oder Informationen, dann umso besser.
Gender Lens für gesellschaftlichen Mehrwert
Beim Gender Lens Investing geht es deshalb nicht ausschließlich um die Rendite. Es geht auch darum, eine bessere Welt zu schaffen. Es ist Unsinn, die Finanzwelt vom restlichen, menschlichen Leben mit einem klaren Strich zu trennen. Gesellschaftliche Tendenzen, Strukturen und Probleme wirken sich auf den Finanzmarkt aus, und umgekehrt. Unsere moderne Gesellschaft hat vielerorts ein tiefgreifendes Problem in der Machtbeziehung zwischen Mann und Frau. Häusliche Gewalt ist ein Thema, das vor unserer Haustür passiert, und nicht in einem fremden Land. Jede Woche werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz Frauen in ihrem eigenen Zuhause von ihrem eigenen Partner getötet, und jeden Tag werden vor allem Frauen und Kinder Opfer von häuslicher Gewalt. Das hat nicht nur traumatische, persönliche Auswirkungen auf jede und jeden Betroffenen, sondern auch monetäre Konsequenzen in Form von geringerer Wirtschaftsleistung und Produktivität. Auch Männer und Minderheiten zählen zu den Opfern, das Thema betrifft deshalb nicht nur Frauen. Weitere Missstände, die in unserer Gesellschaft zu Tage treten, sind Ausbeutung und Unterdrückung einzelner Gruppen. Eine menschenwürdige Gesellschaft, in der Menschen miteinander respektvoll umgehen, ist für das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft und damit für jeden Einzelnen wichtig. Die Rendite daraus ist tatsächlich nicht nur monetär, sondern auch emotional. Der Gedanke des Gender Lens Investing zielt darauf ab, beides einzufangen.