Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat blicken wir auf die Märkte und versuchen, den vielen Ereignissen, Kursbewegungen und Nachrichten einen Sinn zu geben und sie in die eine oder andere Richtung einzuordnen. Wo sind die Inflationszahlen, was machen die Ölfutures, wie steht es um verschiedene Rohstoffmärkte, wie bewegen sich Aktien und Bonds, Gold und Währungen, was geschieht auf der politischen Ebene, dazu die Kryptowährungen, Aussagen verschiedener „Influencer“, diverse andere Ereignisse überall auf der Welt, und immer die Frage, wie sich all diese verschiedenen Dinge aufeinander auswirken, das kurzfristige, mittelfristige und langfristige Wachstum und Gleichgewicht beeinflussen, die Wechselkurse und Assetbewegungen lenken, und wie wir uns risikotechnisch positionieren und schützen können.
Vieles ist nicht wie es scheint
Dass Vieles nicht ist, wie es auf den ersten Blick scheint, trifft auf viele Bereiche des Lebens zu, ganz besonders aber wohl auf die Internationalen Finanzmärkte. Was steckt wirklich hinter veröffentlichten Zahlen, hinter extremen Kursbewegungen oder aktuellen Nachrichten? Welche Informationen sind von einflussreichen Akteuren gelenkt, wohinter verbergen sich technische Faktoren und wo sind einfach nur Angebot und Nachfrage im Spiel? Manches wird erst längere Zeit später klar, andere Kursbewegungen und Entscheidungen bleiben auf Dauer unklar. All das hilft nicht gerade, den Markt solide zu analysieren und die Entwicklung vorherzusagen. Sehr gut zu sehen ist das am volkswirtschaftlichen Research der großen, globalen Investmentbanken, gleichgültig welcher. Die Prognosen der besten Volkswirte treffen selten ein, gleichwohl die sicherlich allesamt gut ausgebildeten und gut informierten Damen und Herren immer einleuchtende Erklärungen dafür liefern, warum ihre Vorhersagen dann doch nicht eintreffen konnten. Sicherlich, manchmal ist auch ein Glückstreffer dabei und die Prognose stimmt. Treu dem Sprichwort: Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.
Veraltete und falsche Theorien
Den Volkswirten selbst mache einen großen Vorwurf: Sie erklären uns Geschehnisse anhand von Theorien und Zusammenhängen, die ihnen während ihres Studiums beigebracht wurden. Das Gesetz des einheitlichen Preises, effiziente Märkte, Kaufkraftparität, Fisher Effekt, verschiedene Paritätsgesetze und vieles mehr. Die meisten dieser Theorien gründen auf Annahmen wie effiziente Märkte, die Abwesenheit von Transaktionskosten und Handelsbarrieren, perfekter Information für alle Marktteilnehmer in Echtzeit, unbegrenzt verfügbares Kapital für jeden zum risikolosen Zinssatz, rationale Investoren, ein faires und transparentes System und so weiter und so fort. Die Realität, das erkennt selbst jemand, der in seinem Leben noch kein Volkswirtschaftslehrbuch in der Hand hatte, sieht freilich anders aus. All diese Theorien klingen wunderbar einleuchtend und logisch, so lange sie in einem schönen Buch niedergeschrieben sind. Was sie außer Acht lassen ist die Natur der physischen Akteure, die alles andere als fair, gerecht, effizient und rational miteinander umgehen. Die Theorien, die vielen Prognosen zugrunde liegen, sind veraltet oder schlicht falsch, denn von geschlossenen Märkten, Effizienz, gerechtem Markt- und Kapitalzugang und perfekter Information kann wahrlich nicht ausgegangen werden.
Informations- und Machtungleichgewichte
Informationsungleichgewichte sind mit ein Kernelement, warum die Märkte für den nicht Eingeweihten so chaotisch erscheinen. Finanzmarktinformationen fließen heute in einer unglaublichen Fülle über die Bildschirme, zu viel, um von einem Menschen verarbeitet zu werden. Das meiste davon ist dabei völlig irrelevant und verwirrt uns nur. Die wirklich wichtigen Informationen hingegen gehen nicht an Nachrichtenagenturen. Sie bleiben im Kreis der wirklich Mächtigen und Einflussreichen, zumindest so lange, bis diese sich positionieren konnten. Andere Dinge geraten nie an die Öffentlichkeit. Was hinter den Kulissen vor sich geht, ist ein wenig wie im Theater. Das Publikum sieht nur den kleinen Ausschnitt auf der Bühne, wo gut inszeniert einige wenige Tänzer oder Schauspieler ein Stück aufführen, das jemand anders für sie geschrieben hat und das sie mit einem Regisseur einstudiert haben und dessen Handlung mehr Raum für Interpretation als klaren Sinn enthält. Das Theater selbst aber ist viel größer, die Räume hinter der Bühne sind weitläufig, und die Akteure sind zahlreich, die an den Fäden ziehen und miteinander und gegeneinander intrigieren, ohne dass sie jemals auf der Bühne in Erscheinung treten. Für den ganz normalen Finanzinvestor ist es unmöglich, die wahren Vorgänge hinter verschiedenen Kursbewegungen und Zusammenhängen zu erkennen. Die volkswirtschaftlichen Theorien, die uns in verschiedensten Kommentaren als Erklärung aufgetischt werden, klingen dabei zwar wissenschaftlich und klug, sind im Grunde aber häufig völlig nutzlos. Der normale Investor, der nicht zum engen Kreis derjenigen gehört, die wirklich wissen, was passiert, ist auf seine eigenen Mutmaßungen und Erklärungsversuche angewiesen.
Im Chaos die Ordnung erkennen
Das Geschehen an den Finanzmärkten wirkt zu jedem Zeitpunkt chaotisch und uneinheitlich. Für eine korrekte Erklärung und Interpretation fehlen schlicht Transparenz und Information. Die wahren Zusammenhänge bleiben häufig im Dunkeln. Steigen Märkte über längere Zeit, wird vor Blasen gewarnt, und fallen sie, geht die Stimmung schnell in Panik über. Als normaler Investor fehlt zudem der Zugang zu den wirklich kritischen Informationen dazu, wer verschiedene Märkte aus welchen Gründen bewegt. Selten sind die Dinge, wie sie auf den ersten Blick scheinen. So bleibt uns nur übrig, das Geschehen aus einer höheren Perspektive zu betrachten, unsere eigenen Gedanken und Erwägungen anzustrengen, und daraus abzuleiten, in welche Richtung sich Wirtschaft, Politik und Finanzmärkte tatsächlich bewegen könnten. Unsicherheiten bleiben, die Zukunft kann damit nicht vorher gesagt werden, doch in das übliche Chaos kommt etwas mehr Ruhe und eine gewisse Ordnung.