Im September hatten aktive Exchange Traded Funds (ETFs) zum ersten Mal mehr Assets under Management als aktiv gemanagte Investmentfonds. Laut einer Statistik von Morningstar wurde von Investoren ein Äquivalent von 4,271 Billionen US-Dollar in passiven ETFs gehalten, verglichen mit 4,246 Billionen US-Dollar in klassischen Fonds, bei denen noch Menschen die Anlageentscheidungen treffen. Ersetzen Maschinen bei Investment Entscheidungen bald den Menschen?

Mensch gegen Maschine?

Nun, im Grunde ist die Frage natürlich nicht richtig. Auch hinter jedem Algorithmus steckt schließlich ein Mensch, der die Strategie entwickelt und den Code dafür programmiert hat. Es geht also – zumindest bisher – noch nicht um die existentielle Frage, ob Menschen bei Investitionsentscheidungen nun mehr und mehr durch Maschinen ersetzt werden. Was aber zutrifft ist die Tatsache, dass wir immer weniger darauf vertrauen, dass einzelne Fondsmanager „den Markt“ durch ihr überlegenes Wissen und Können und ihre einzigartige Einsicht bezwingen können. In gewisser Weise geht es tatsächlich um Vertrauen. Oder eben den Verlust von Vertrauen. Ist das gerechtfertigt, oder irren wir Investoren?

Waren Fondsmanager früher besser?

Die Zeit, in der Fondsmanager hoch angesehene und gefeierte Berühmtheiten waren, ist großteils vorbei. In den 1970er, 1980er und 1990er Jahren gab es sie noch, die Stars auf der weltweiten und regionalen Bühne der Investmentfonds. Jim Rogers, George Soros, Steven Cohen oder Bill Miller, sie alle konnten lange Zeit den Markt besiegen. Es waren komplett andere Zeiten. Es gab noch kein Internet. Der Handel war langsam und lokal. Die technologische Revolution, die uns den elektronischen Börsenhandel, Co-Location, High Frequency Trading, Algorithmen und Ad-Hoc Publizität für Jedermann brachten, war damals noch nicht gekommen. Informationen flossen langsam wenn überhaupt, Insider Handel und Front Running waren gewissermaßen Kavaliersdelikte, und auch die Aufsicht und Regulierung war nicht dort, wo wir sie heute sehen. Es waren andere Zeiten, in denen es sehr wohl überaus wertvoll und zentral war, wen ein Fondsmanager kannte, welche Informationen er vor anderen erfahren hatte und welche sonstigen Einblicke er oder sie als Insider mit Kontakten hatte. Es war eine Zeit, in der Information noch von Mensch zu Mensch weitergegeben wurde. Aktives Management war damals tatsächlich eine Kunst und eine Fertigkeit, und diejenigen, die es darin zu Berühmtheit brachten, waren in den damals notwendigen Eigenschaften wohl wirklich besser. Stock-Picking war noch möglich, Arbitrage ebenso. Aktives Management hatte eine wichtige Daseinsberechtigung.

Die Rahmenbedingungen haben sich verändert

Heute ist die Welt eine komplett andere. Es liegt nicht daran, dass wir als Investoren fauler geworden wären, oder Fondsmanager plötzlich dümmer. Die Rahmenbedingungen haben sich schlicht verändert. Es gibt das Internet und damit immer mehr Transparenz, Echtzeitdaten und Informationen, die absolut jedem Menschen auf der Welt mit Internetanschluss und den jeweiligen Sprachkenntnissen zugänglich sind. Das Ausnützen von Insiderinformationen, um damit an der Börse Geld zu verdienen, ist zum schweren Verbrechen geworden. Die Rechenleistung von Computern hat sich vervielfacht und die Programmiersprachen sind effizienter geworden. Im Bruchteil von Sekunden können wir selbst mit recht einfachen Kenntnissen die Preise an verschiedenen Handelsplätzen vergleichen. Arbitrage wie wir sie noch in den 1990ern kannten ist heute unvorstellbar. Da ist es nur verständlich, wenn es den meisten Fonds, die aktiv gemanagt werden, heute schwer fällt, Renditen zu erwirtschaften, die deutlich über dem Marktdurchschnitt liegen. Was selbstverständlich auch an den Kosten liegt, denn viele rein passive ETFs sind heute spottbillig bis zu Managementgebühren von 0%.

Wo es Licht gibt, gibt es Schatten

Passive ETFs haben unter heutigen Rahmenbedingungen eine ganz deutliche Existenzberechtigung. Doch wie immer, wenn zu viel Gewicht auf eine Seite wandert anstatt gleichmäßig verteilt zu sein, kann das Boot in Schieflage geraten. Es gibt Risiken, die der aktuelle Trend mit sich bringt. Gäbe es nur noch passive Index Investoren, so läge die Marktmacht, worin und wie viel investiert wird, sehr stark bei den jeweiligen Börsen und Indexanbietern. Einmal im Index, spielen fundamentale Daten des jeweiligen Unternehmens kaum noch eine Rolle. Verstärkt wird dieses nicht gerade wünschenswerte Phänomen seit Jahren durch die Geldschwemme der Zentralbanken, die uns unter anderem eine wahllose Assetbubble an den Aktienmärkten beschert hat. Schließlich muss das viele Geld irgendwo hin. Was hinzu kommt ist die fehlende, aktive Anteilnahme und Verantwortung passiver Investoren als Miteigentümer oder Gläubiger von Unternehmen. Ob sich die Erfolge von passiven ETFs deshalb auch in Zukunft gleich weiter erzielen lassen, ist alles andere als gewiss. Es gibt schließlich nicht nur Vorteile.

Der Trend geht weiter

Auch wenn es kritische Stimmen und Warnungen vor dem Lauf der Lemminge in rein passive ETFs gibt, der Trend setzt sich fort. Monat für Monat gewinnen passive Fonds das Vertrauen von Investoren und entsprechend auch deren Gelder. Zudem ist das Argument, dass alle Investoren nunmehr in ein und die selben Assets mit exakt den gleichen Kriterien investieren, nicht richtig. Es gibt jede Menge Hedgefonds, die ihre eigenen Algorithmen schreiben und verwenden, und es gibt immer mehr Spezial-ETFs, die ebenfalls andere Strategien haben, als die reinen „passive long“ Funds. Passives Investieren bedeutet schließlich nicht, ausschließlich auf eine Strategie zu setzen. Passiv ist heute vielmehr automatisiert, auf Basis eines transparenten und bekannten Algorithmus, nachvollziehbar und ohne Bauchgefühl und Soft Skills, sondern auf Basis einer bekannten Strategie, die vom Investor jederzeit geändert werden kann. Long, Short, Delta 1 oder gehebelt, selbst passiv ist viel möglich. Doch wir sind lange nicht am Ende der Revolution, sondern wir befinden uns gerade mitten drinnen. Künstliche Intelligenz, Big Data, Quantum Computing, Strahlen statt Glasfaser, Blockchain und damit eine Revolution der Abwicklung: Das Ende ist noch nicht in Sicht, und bis wir so weit sind, wird sich der Trend von Passiv fortsetzen.