Buffet & Co predigen noch immer das langfristige Investment

Noch immer gibt es einige Investoren, die langfristige Investments in Aktien predigen. Einmal kaufen, Jahrzehnte nicht beachten, sich vor allem nicht von Wertschwankungen nervös machen lassen, und irgendwann nach langer, langer Zeit wieder verkaufen. Wenn überhaupt. Die Namen derer, die solche Strategien predigen, sind bekannt. Warren Buffet ist einer von ihnen. Der bereits verstorbene, ungarische-stämmige Investmentguru André Kostolany ein weiterer. Gemeinsam haben sie, dass sie aus einer Zeit stammen, in der Aktien tatsächlich noch ziemlich lange gehalten wurden. Genauer gesagt in den 1980er Jahren.

Im Schnitt werden Aktien 0,6 Jahre gehalten

Seither hat sich die Welt der Aktieninvestments dramatisch verändert. Im Jahr 1980 betrug die durchschnittliche Haltedauer von Aktien weltweit tatsächlich noch sage und schreibe 9,7 Jahre. Das geht aus einer Statistik der World Federation of Exchanges hervor. Doch bereits 1990 betrug die Haltedauer im Schnitt nur noch 1,6 Jahre. Im Jahr 2003 sank sie dann auf ihren bislang niedrigsten Wert von nur noch 0,3 Jahren. Im Jahr 2014, dem letzten Jahr, für das diese Statistik aktuell vorliegt, betrug die Haltedauer 0,6 Jahre. Das ist im Übrigen der mittlerweile langjährige Durchschnitt der letzten 15 Jahre. Das heißt also, dass Aktien im Schnitt gerade mal etwas länger als ein halbes Jahr gehalten werden, oder um genauer zu sein, für 220 Tage. Nicht gerade das langfristige Investment über die vielen Jahrzehnte, die noch immer in allzu vielen Büchern und Foren gepredigt werden.

Von der Unternehmensbeteiligung zur Trading Position

Als Aktionär ist man Anteilseigner eines Unternehmens. Die langfristige Wertsteigerung des Unternehmens, die erfolgreiche Geschichte einer Expansion und regelmäßige Dividendenzahlungen und Ausschüttungen sind das Kerninteresse eines jeden Aktionärs. Möchte man zumindest meinen. Wie kann es also sein, dass „der Aktionär“ seinem Unternehmen im Schnitt nicht mal ein Jahr lang die Treue hält? Wieso sind Aktien zu Trading Positionen verkommen, anstatt eine Unternehmensbeteiligung zu sein? Die Gründe dafür sind mannigfach.

Handeln ist einfacher und kostengünstiger geworden!

Ein Hauptgrund der hohen Umschlaghäufigkeit von Aktien dürfte ein, dass es schlicht und einfach möglich geworden ist, die Wertpapiere schnell und kostengünstig und kaufen und zu verkaufen. Wahrscheinlich hätten Investoren im Jahr 1980 ihre Aktien auch gerne mal eben verkauft. Damals war das aber mit viel Aufwand und enormen Kosten verbunden. Man musste zur Bank oder zum Broker gehen. Dort mussten diverse Formulare noch per Hand ausgefüllt werden. Diese wurden dann ebenfalls händisch oder per Fax weitergereicht, bis sie endlich den physischen Börsenhändler auf dem Parkett erreichten. Dieser füllte danach ebenfalls wieder Unmengen an Papier aus, und im Extremfall wurden Papiere sogar noch physisch von einem Depot in ein anderes gebracht. Ein enormer Aufwand! Und nicht nur das, sondern auch sehr zeitintensiv. In der Zwischenzeit konnte sich der Preis verändern, Liquidität war auch nicht immer da, und die Margen und Gebühren waren unglaublich hoch. Schließlich herrschte ein gewisses Monopol der Börsenmakler vor, von mangelnder Aufsicht und Transparenz mal ganz zu schweigen.

Viel sagt darüber die altbekannte Geschichte vom Frankfurter Börsenparkett über den Makler, der einmal gefragt wurde, was er denn täte, wenn er im Jahr 100.000 DM verdienen würde. Er soll darauf geantwortet haben: „Dann würde ich meiner Frau sagen, dass sie sich ab jetzt einschränken muss!“

Dagegen leben wir heute geradezu in einem Schlaraffenland. Elektronischer Handel vom Smartphone immer und überall, weltweiter Zugriff auf Börsen, Handeln rund um die Uhr, zu geringen und transparenten Gebühren, einer selbstverständlichen Giro Sammelverwahrung und vollautomatischem, elektronischem Clearing. Dividenden werden direkt auf unser Depot gebucht, und niemand muss mehr mit Kuponschnipseln zu irgendwelchen Bankfilialen oder Auszahlungsstellen reisen.

Mangelnde Mitbestimmungsmöglichkeiten für Aktionäre

Die Struktur von Aktiengesellschaften ist heute so, dass Aktionäre kaum ein Mitbestimmungsrecht haben. Sie dürfen zwar auf der Hauptversammlung über vom Management vorgeschlagene Tagesordnungspunkte abstimmen, aber mal ehrlich, wie viel Einfluss hat hier der normale Anteilseigner? Selbst für die ganz großen Aktionäre, die sich als Activist Investors einen Namen gemacht haben, ist es schwer, sich gegen das Management durchzusetzen. Da kann man es jemandem mit einem sehr kleinen Aktienpaket nicht verübeln, wenn er sich nicht als mitbestimmenden und wichtig genommenen Miteigentümer sieht, sondern als reinen Finanzinvestor mit kurzfristigen Gewinnzielen. Denn die Teilnahme an einer Hauptversammlung mag zwar einen gewissen Unterhaltungswert besitzen, sowie einen Tag lang für das leibliche Wohl der Aktionäre sorgen, aber richtig motivierend ist sie selten. Langjährige Treue erwirbt sich ein Unternehmen damit in der Regel nicht.

High Frequency Trading, Day-Trader und Hedge Funds

Durch den elektronischen Handel und die damit gesunkenen Kosten hat sich eine neue Form der Anlage entwickelt. Das sogenannte High Frequency Trading (auch: Hochfrequenzhandel) setzt darauf, in Nanosekunden Preisungleichgewichte auszunutzen, auf veränderte Marktlagen oder Nachrichten zu reagieren oder großen Orders zuvor zu kommen. Sie handeln ihre Positionen in kurzen Zeitspannen und behalten Aktien in der Regel nicht über Nacht. Dagegen wirken Day-Trader und kurzfristig orientierte Hedge Funds schon beinahe als Langfristinvestoren. Tatsächlich verfälschen diese neuen Gruppen an Händlern die Statisiken ein wenig.

ETFs und Fonds als Turnover Treiber

Doch nicht nur Hochfrequenzhändler und kurzfristige Hedge Funds tragen zur höheren Umschlaghäufigkeit bei. Auch ETFs und Fonds passen ihre Bestände laufend an. Sie haben Abflüsse und Zuflüsse, müssen veränderte Indexgewichtungen berücksichtigen und ihre Strategien anpassen. Der ein oder andere Fonds mag sich zudem durch übermäßiges Handeln ein kleines Zubrot an Kick-Backs verdienen („Churning“).

Fazit: Kurze Halteperioden sind die Wirklichkeit

Die Gründe mögen vielfältig sein. Tatsache ist, dass sich die kurzen Halteperioden bereits seit vielen Jahren unverändert halten. In Krisenzeiten sinkt die Haltedauer etwas, und in manchen Jahren wird sie einige Tage länger. Als ausgesprochenes Langfristinvestment werden Aktien schon länger nicht mehr gesehen. Dass das auch Auswirkungen auf das Verhalten von Unternehmen hat, die häufig genug ebenfalls nur noch kurzfristig agieren, ist zu beobachten. Die Meinungen, ob das nun gut oder schlecht für die Gesellschaft, die Entwicklung der Märkte und die finanzielle Zukunft der Menschen ist, gehen auseinander. Die Predigten von Buffet & Co scheinen heute jedenfalls ziemlich zahnlos. Denn das Rad dreht sich heute durchgehend schnell.