BahlConsult GmbH: Ihre Experten für die Bewertung und Analyse von Swaps, Derivaten und strukturieten FinanzproduktenDie Welt dreht sich bekanntlich immer schneller. Schneller, besser, höher lautet das Motto vieler Unternehmen. Auch unsere Daten laufen immer schneller durch die Datenleitungen. Dem einfachen Benutzer fällt das nicht auf. Aber für Unternehmen im Finanzbereich, besonders für professionelle Trader, Hedge Fonds und internationale Banken ist die Geschwindigkeit, mit der ihre Daten durch die Welt der Glasfaserkabel laufen, sogar ein existentielles Thema. Hier geht es um Nanosekunden. Wer den einen Sekundenbruchteil vor den anderen am Ziel ist, für den kann das einen enormen Gewinn bedeuten. Derjenige, der Informationen auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu spät an seine Systeme weitergibt oder die Daten zu langsam verarbeitet, verliert.

Für diesen Vorteil um Sekundenbruchteile geben Finanzunternehmen häufig viel Geld aus. Das wissen auch die Anbieter von Glasfaserkabeln und Serverfarmen. Die Miete eines Hochleistungsservers hängt unter anderem davon ab, wo in der der Serverfarm das gute Ding steht. Je näher an der Ausgangsleitung, desto teurer. Nicht wenige Unternehmen lassen sich sogar einen direkten Glasfaserzugang ins Gebäude legen. Dafür werden Straßen aufgegraben und private Leitungen verlegt, um die ersten paar Meter der Datenverbindung Vorsprung zu haben. Die Miete dieser Privatleitungen ins Internet kostet natürlich. Auch den bevorzugten Datentransport lassen sich die Anbieter gut bezahlen.

Gerade bei hoch liquiden Aktien, Währungen oder Zinsfutures ist die Schnelligkeit, mit der Daten und Informationen in Form von Kauf- und Verkaufsaufträgen in elektronische Handelssysteme laufen, von hoher Bedeutung. Das Ausnutzen von Informationsvorsprüngen im Nanosekundenbereich wird als Latency Arbitrage bezeichnet. Latency, oder Latenz / Wartezeit  ist hier der Sekundenbruchteil, den ein Konkurrent oder ein elektronisches Handelssystem langsamer ist als ein anderer Profitrader. Hier kommen enorm leistungsstarke Computeralgorithmen und spezielle Datenleitungen zum Einsatz. Der Schnellste gewinnt.

Besonders anfällig für Latency Arbitrage sind elektronische Handelsplattformen von Market Makern. Um Verlusten durch Latency Arbitrage zu entgehen, haben sich die verschiedenen Institute unterschiedliche Strategien einfallen lassen. In den Medien bekannt wurde beispielsweise das System von Barclays auf deren elektronischer Devisen Plattform, welches die Bank als „Last Look“ bezeichnete. Hier wurde von Seite der Bank eine Zeitverzögerung in die Beantwortung von Quotes eingebaut. Entwickelte sich der Kurs in den nächsten Sekundenbruchteilen zugunsten der Bank, wurde die Order ausgeführt. War die Kursentwicklung gegen die Bank, wurde die Anfrage abgelehnt. Die Bank gewinnt dabei immer. Diese systematische Zeitverzögerung mit den vorprogrammierten Konsequenzen für die Order wurden den Kunden allerdings verschwiegen. Deshalb muss Barclays nun auch eine Vergleichszahlung von 150 Mio USD an die Aufsichtsbehörde in den USA zahlen.

Aber auch andere Anbieter und Banken versuchen sich vor Latency Arbitrage zu schützen. Einerseits spielen natürlich die bereits erwähnten, ultraschnellen Datenverbindungen eine zentrale Rolle. Mit eigenen Datenleitungen aus Glasfaserkabeln werden die Datenzentren miteinander verbunden und so Daten um das kleine Fünkchen an Zeit schneller ans Ziel gebracht als über herkömmliche Leitungen. Die Kosten dafür sind hoch, doch am Ende dürfte sich die eine Millisekunde Vorsprung finanziell doch lohnen. Zum anderen spielen neue, schnellere Algorithmen eine zunehmend wichtige Rolle. Die großen Finanzinstitute experimentieren mit verschiedenen Möglichkeiten, unter anderem auch mit dem Einsatz der Ethereum und der Block Chain Technologien, die beide erstmals bei Bitcoin eingesetzt wurden und gleichzeitig schnell und sicher sein sollen.

Für den „normalen“ Trader, Asset Manager oder sonstige Marktteilnehmer, die ihre Handelsaufträge noch durch Menschen eingeben (lassen), sind diese Millisekunden nicht relevant. Sie verfolgen in der Regel auch andere Ziele, wie fundamentale und langfristige Veranlagung, bei der es auf den einen, kleinen Kurstick nach links oder rechts weniger ankommt. Für High Frequency Trader, auch HFT genannt, kann der eine, kleine Tick allerdings schon den Tagesumsatz bestimmen. Für Market Maker ist Latency Arbitrage deshalb seit langem ein Ärgernis. Und so geht das Wettrennen um die allerschnellste aller Datenverbindungen und Datenverarbeitungen wohl weiter.