Die scheinbar kostenlose Anlageberatung. Der Trend, dass ETFs keine Managementgebühren mehr verlangen. Charles Schwab, eine der größten Broker Firmen in den USA, hat erst kürzlich die Handelsgebühren für Aktien und ETFs auf Null gesetzt. Die Hälfte aller Girokonten ist in der Kontoführung kostenlos. Das klingt sehr nett und kundenfreundlich. Gibt es also doch etwas umsonst in der Finanzwelt?

Wenn es um Geld geht…

Investmentbanken, Broker und selbst die Bankfiliale nebenan arbeiten gewinnorientiert. Die Einnahmen bewegen sich bei den großen Investmentbanken jedes Jahr im Milliardenbereich. Goldman Sachs verbuchte 2017 Nettoeinnahmen in Höhe von 32 Milliarden US-Dollar, JP Morgan Chase sogar sagenhafte 99 Milliarden USD, Morgan Stanley 38 Milliarden, und sogar die Deutsche Bank hatte im für sie schlecht gelaufenen Jahr 2017 noch 26 Milliarden an Nettoeinnahmen. Charles Schwab übrigens, der Broker, der gerade die Handelsgebühren für seine Kunden abgeschafft hat, verzeichnete 2017 einen Nettogewinn von 2,354 Milliarden USD. Offensichtlich keine Wohltäter, die etwas zu verschenken hätten. Mit etwas verdienen diese Banken und Broker offensichtlich Geld. Viel Geld. Womit aber?

Wo Größe zählt

In der Finanzwelt ist Größe häufig von Vorteil. Positive Skaleneffekte beim Handel mit Aktien, Anleihen, Derivaten und Fonds sind dafür verantwortlich, dass manche Banken und Broker ihre Gebühren relativ problemlos sehr niedrig halten können, und kleinere Anbieter eben nicht. Computer- und Serverkapazitäten sind heute ausgesprochen günstig, und je größer die Anzahl der abgewickelten Geschäfte, desto mehr lohnt sich die Sache selbst bei niedrigsten Gebühren. Die niedrigen Gebühren locken dabei noch mehr Kunden zu diesem Anbieter, der seine Systeme dadurch noch weiter hebeln kann. Diejenigen Anbieter, die ihre Kostenbasis niedrig halten können, in dem sie allgemeine „Massenware“ anbieten, anstatt teure Maßschneiderei mit aufzunehmen, gewinnen dabei schnell Marktanteile. Investoren sind heute sehr kostenbewusst. Die Konkurrenz beim Handel mit Aktien, ETFs und Fonds ist groß, Angebote lassen sich über das Internet leicht vergleichen, und so zieht Masse weitere Masse an.

Quersubventionierung von Gebühren

Skaleneffekte sind selbstverständlich nicht alles. Kosten fallen selbst in sehr optimierten Bereichen an. Wie in jeder anderen Branche werden die Preise von Produkten, die Kunden sehr kostenbewusst betrachten, durch andere, weniger transparente oder preissensitive Geschäftsbereiche quersubventioniert. Im Supermarkt kennt das System jeder von den Bananen, deren Preis traditionell ungewöhnlich günstig gehalten wird, denn die Banane dient vielen Kunden als Benchmark für das allgemeine Preisniveau eines Supermarktes. Bei Brokern und Banken sind es Kontogebühren und Transaktionskosten für den Handel mit Aktien oder ETFs sowie Beratungskosten. Das Ziel ist, den Kunden durch die kostenlosen Angebote anzulocken und an sich zu binden, damit er oder sie dann auch jene Services in Anspruch nimmt und die Produkte kauft, deren Gewinnmarge entsprechend höher ist. Aus dem Supermarkt kommt man in der Regel schließlich auch nicht nur mit Bananen nach Hause. Bei Banken und Brokern sind es häufig provisionsträchtige Versicherungen, eigene Fonds, Kredite, strukturierte Finanzprodukte sowie Spezialberatung, die satte Gewinne abwerfen.

Fristentransformation als Gewinnquelle

Banken verdienen traditionell Geld mit der Fristentransformation. Sie nehmen dabei Sichteinlagen entgegen und vergeben diese als langlaufende Kredite weiter. Auf das jederzeit abrufbare Sparguthaben der Anleger zahlt die Bank keine oder geringe Zinsen. Die Kreditzinsen hingegen sind deutlich höher. Den Unterschiedsbetrag verbucht die Bank als Gewinn. Das funktioniert auch bei Brokern gut. Schließlich haben die meisten Investoren nicht nur Wertpapiere, Fonds und Derivate auf dem Brokerkonto liegen, sondern in der Regel auch ein sattes Geldguthaben. Meist zahlen die Broker auf das Guthaben etwas höhere Zinsen als die Hausbank des Kunden. In den USA geht dieses Geschäftsmodell dank seit geraumer Zeit wieder deutlich positiver Zinsen auch wieder gut auf. Legt die Bank oder der Broker die Sichteinlage für 6 Monate im Interbankenmarkt zum 6-Monats-USD-Libor an, so erhält sie aktuell 1,94275% p.a. an Zinsen.

Leihgebühren und Repos

Große Fonds zählen mit zu den wichtigsten Anbietern auf dem Markt für Wertpapierleihe. Schließlich sind Fonds klassische Buy and Hold Investoren, die ihre Positionen über lange Zeit halten. Möchte nun jemand ein Wertpapier leer verkaufen, kann er oder sie diese Aktie oder Anleihe bei jemandem leihen, der sie aktuell besitzt. Während der Ausleihe bezahlt der Shortverkäufer dem Verleiher eine Leihgebühr. Je nach Aktie oder Anleihe kann diese Gebühr auch relativ hoch sein. Das Geschäft der Leihe lohnt sich ab einer gewissen Größe und Professionalität, was wieder auf die positiven Skaleneffekte zurückzuführen ist.

Market Making als Gewinnquelle

Market Maker erfüllen eine ausgesprochen wichtige Funktion an der Börse. Sie sorgen für eine laufende Liquidität und stabile Preise. Ein Market Maker kann dabei durch den Spread zwischen Bid und Offer verdienen. Zusätzlich wird der Market Maker entweder durch das Unternehmen entlohnt, dessen Papiere er betreut, oder wie an vielen amerikanischen Börsen üblich durch eine Beteiligung an den Börsengebühren der anderen Marktteilnehmer. Für große Marktteilnehmer, die ohnedies viel Umsatz in den Papieren von Kundenseite sehen, lohnt es durchaus, als Market Maker aktiv zu sein. So werden die eigenen Handelsgebühren niedrig gehalten und gegenüber den eigenen Kunden können besonders niedrige Provisionen angeboten werden. Das wiederum zieht weiteres Volumen an.

Big Data als Wert

Wer seine Kunden und seine Zielgruppe kennt, hat mehr Erfolg beim Verkauf seiner Produkte. Der Kunde, das ist heute nicht mehr bloß eine allgemeine Zielgruppe wie Manager, Mittelschicht, Fabriksarbeiter, Beamte, sondern der Kunde ist heute die einzelne, individuelle Person. Spezialisierte Datensammler sind damit beschäftigt, für jeden von uns ein ganz eigenes Profil anzulegen. Welche Produkte haben wir in der Vergangenheit gekauft? Wie leben wir, was verdienen wir, was geben wir aus, mit wem leben wir, wen kennen wir, zu welchen Uhrzeiten sind wir online, wo halten wir uns auf, wann sind wir wo mit wem, welche Hobbys haben wir, welche Art von Nachrichten lesen wir, auf welchen Internetseiten surfen wir und wofür interessieren wir uns, wenn wir etwas im Internet suchen? Unsere Finanzdaten sind dabei zentrale Datenpunkte. Schließlich wollen uns Unternehmen etwas verkaufen. Und das versuchen auch die großen Broker. Sie betreiben Algorithmen, die vorhersagen sollen, welche Produkte uns interessieren, was wir noch benötigen, was uns fehlt. Zusätzlich lassen sich aus der Fülle an Daten bestimmte Trends ablesen, die im harten Konkurrenzkampf zwischen den großen Anbietern den kleinen, feinen Unterschied machen können bei der Entwicklung neuer Angebote und Produkte.

Nichts ist wirklich kostenlos

Nichts ist kostenlos, zumindest nicht im Finanzmarkt. Ob durch Cross Selling, den Wert unserer Daten, die Nutzung unseres Vermögens für Fristentransformation, Wertpapierleihe oder Einsparungen über Internalisierung, am Ende muss sich die Kundenbeziehung auch finanziell lohnen. Bei Banken, Brokern, Anlagevermittlern und Finanzberatern muss am Ende des Tages Geld übrig bleiben, und häufig viel Geld. Die Transparenz über Gebühren und Provisionen hat sich zum Glück für den Privatkunden Dank Mifid II deutlich verbessert. Institutionelle Investoren haben diese Transparenz leider nicht bekommen. Jeder Investor ist angehalten, mit offenen Augen alle Geschäftsbeziehungen nüchtern zu durchleuchten. Es ist nur logisch, dass die angebotenen Dienstleistungen im Finanzmarkt nicht kostenlos sein können oder sollen. Die Dimensionen sollten allerdings stimmen und das Modell offen gelegt werden. Beratung ist häufig umsonst, aber niemals kostenlos, ebenso wenig wie der Handel mit Wertpapieren, Fonds und Derivaten. Wer sich dessen Bewusst ist, kann für sich und sein Portfolio auch bessere Entscheidungen treffen.