Unternehmen benötigen Kapital um zu wachsen. Reicht der eigene Cashflow nicht aus, müssen andere Geldquellen erschlossen werden. Im Bereich von Fremdkapital nutzen Unternehmen deshalb klassischerweise Bankkredite, und manchmal auch Unternehmensanleihen. Doch es gibt noch etwas dazwischen, und diese Finanzierungsalternative wird in der Unternehmensfinanzierung immer populärer: Das Schuldscheindarlehen. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 173 Corporate Schuldschein-Deals öffentlich, mit einem Gesamtvolumen von 25,3 Milliarden Euro. Seit Jahren wächst der Markt, und immer mehr Unternehmen aus dem In- und Ausland versorgen sich über den deutschen Schuldscheinmarkt mit frischem Fremdkapital.

Schuldscheindarlehen: Kein Wertpapier, sondern ein Darlehen

Rein rechtlich handelt es sich beim Schuldscheindarlehen um kein Wertpapier, sondern ein Darlehen nach §§ 488 ff. BGB. Es ist an keine bestimmte Form gebunden und in der Ausgestaltung und Handhabung deshalb ausgesprochen schlank und flexibel. Da es sich um kein Wertpapier handelt, benötigt man auch keinen Wertpapieremissionsprospekt, muss keinerlei Publizitätsanforderungen erfüllen, braucht kein Rating und kann die Dokumentation formfrei gestalten. Das ist nicht nur für das Unternehmen attraktiv, das Geld benötigt, sondern auch für Investoren, die keine lange Dokumentation prüfen müssen. Ein Nachteil ist dadurch allerdings die Handelbarkeit. Da es sich um ein Darlehen handelt, kann es nur im Rahmen einer Zession an einen anderen Investor abgetreten werden.

Meist nur Finanzierungen bis zu 10 Jahren

Da es sich allerdings um ein Darlehen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch handelt, greifen die Kündigungsmöglichkeiten nach §489 BGB. Schuldscheindarlehen mit fixer Verzinsung können nach 10 Jahren von der Darlehensnehmerin – also dem Unternehmen – gekündigt werden, und variabel verzinste Darlehen sogar jederzeit mit drei Monaten Vorankündigung. Das Kündigungsrecht kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Die einzige Ausnahme bilden öffentliche Emittenten wie etwa der Bund, Länder und Gemeinden. Diese Kündigungsmöglichkeit aber beschränkt die praktische Laufzeit, die gewählt wird, in der Regel auf bis zu 10 Jahre.

Unternehmen können ihre Geldgeber stärker streuen

In einer Umfrage aus dem Jahr 2017 durch die Europäische Kommission gaben Unternehmen an, dass ihnen beim Schuldscheindarlehen vor allem die breitere Streuung der Geldgeber gefällt. Sich unabhängiger machen von einzelnen Banken, auch andere Arten von Geldgebern mit aufzunehmen, wie Versicherungen, Fonds und Versorgungswerke, senkt das Refinanzierungsrisiko. Zudem haben Unternehmen über den Schuldscheinmarkt häufig erstmals Zugang zu Investoren, die sonst nur am Kapitalmarkt aktiv sind. Doch eine Anleihe zu begeben, das ist häufig zu teuer und zu umständlich, und handelbare Kapitalmarktprodukte im Markt zu haben, bringt zusätzlich eine Reihe von Auflagen wie internationale Bilanzierungsregeln und Publizitätspflichten.

Zu beachten ist allerdings, dass es sich beim Schuldscheindarlehen um einen rein institutionellen Markt handelt. An Privatanleger werden die Darlehen nicht verkauft!

Meist Blanko ohne Sicherheiten

Bei Krediten werden nicht selten Sicherheiten verlangt. Gebäude, Grundstücke, Maschinen oder Patente müssen als Pfand hinterlegt werden. Die meisten Schuldscheindarlehen hingegen werden blanko, also ohne Sicherheiten, begeben. Immer wieder finden sich zwar Auflagen in Darlehensverträgen (sogenannte „Covenants“), doch selbst diese sind seltener geworden. Bei Covenants vereinbaren Darlehensnehmer und Darlehensgeber bestimmte Bedingungen, die eingehalten werden müssen. Andernfalls darf das Darlehen fällig gestellt werden oder müssen höhere Zinsen bezahlt werden. Beispiele für Convenants sind zum Beispiel Kontrollwechselklauseln, Gleichrangigkeitsklauseln oder auch Finanzkennzahlen, die stimmen müssen.

Ob zusätzliche Vertragsklauseln bei Schuldscheindarlehen vereinbart werden hängt davon ab, wie stark die Nachfrage von Investoren ist. Im Jahr 2018 und auch in den ersten Monaten 2019 gab es deutlich mehr Interesse von Investoren an neuen Emissionen als Angebote. Entsprechend waren Unternehmen wenig genötigt, Vertragsklauseln mit in ihr Angebot aufzunehmen. Investoren kaufen aktuell auch komplett blanko.

Attraktiv niedrige Zinsen locken Unternehmen in den Markt

Für Unternehmen sind es die nach wie vor dramatisch niedrigen Zinsen, die auf Fremdkapital bezahlt werden müssen. Da die Nachfrage nach Schuldscheindarlehen von Investoren ungebremst stark ist, sind auch die Zinssätze entsprechend gering. Je nach Qualität des Unternehmens, seiner Bonität also und seiner Wachstumsaussichten, können 5-jährige Schuldscheindarlehen schon für unter 1% Fixzins aufgenommen werden, wie unlängst erst die österreichische Borealis zeigte. Doch selbst verhältnismäßig schwache Unternehmen zahlen selten mehr als 3% p.a. auf 5-jährige Laufzeiten. Das ist extrem günstig, und meist niedriger als ein vergleichbarer Bankkredit. Eigenkapital als Alternative ist bei diesen Zinsen ohnedies nicht attraktiv.

Emissionen über elektronische Plattformen: Der (Preis)kampf hat begonnen

Die Kosten bei sämtlichen Geld- und Kapitalmarktgeschäften sind ein leidiges Thema bei Unternehmen. Bankgebühren, Spesen, Emissionskosten, Arranger Fees, Anwälte, Berater, und viele, viele mehr, das kann sich je nach Art der Geldaufnahme auf schwindelerregende Summen addieren. Bei Corporate Bond Emissionen oder gar IPOs können bis zu 20% an Kosten anfallen. Das ist häufig schlicht viel zu teuer. Schuldscheindarlehen zu begeben ist hier aufgrund der schlanken Prozesse und der minimalen Dokumentation schon immer eine günstigere Alternative. Doch nun wird es nochmals günstiger für Unternehmen. Denn seit etwa einem Jahr schießen elektronische Plattformen, über die Schuldscheindarlehen emittiert werden können, wie Pilze aus dem Boden. VC Trade, Debtvision, Synd-X, FinPair, die Erste Bank Blockchain und die ganz neue Yellowe der RBI sind nur einige Beispiele, mit denen arrangierende Banken um die Gunst von Unternehmen konkurrieren. Mit einher geht ein Preiskampf, und vor allem große, bekannte Unternehmen profitieren aktuell von wahren Kampfpreisen.

Beliebt bei Investoren: Die Bewertung zu Anschaffungskosten

Einmal gekauft, bleibt ein Schuldscheindarlehen in der Regel bis zum Ende der Laufzeit beim selben Investor. Denn ein Sekundärmarkt ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Es gibt zwar spezialisierte Banken und Broker, die als Vermittler für Schuldscheindarlehen agieren, die jemand verkaufen möchte, aber ein liquider Zweitmarkt ist nicht vorhanden. Rein rechtlich ist eine Abtretung per Zession möglich. Einen neuen Investor zu finden erfordert meist aber Zeit, und die Preise sind alles andere als transparent. Warum Investoren trotzdem heiß sind auf Schuldscheindarlehen? Aufgrund ihrer bilanziellen Behandlung. Als Darlehen dürfen sie über die gesamte Laufzeit hinweg mit ihren Anschaffungskosten bewertet werden. Anleger ersparen sich dadurch komplizierte Mark-to-Market Bewertungen und das Auf und Ab durch Marktschwankungen. Davon ausgenommen sind selbstverständlich wie bei allen Forderungen dauerhafte Wertminderungen.

Individuell, flexibel, schnell und schlank

Schuldscheindarlehen werden immer bekannter und beliebter, sowohl unter Investoren, aber auch bei Unternehmen aller Größe. Denn als Fremdkapitalinstrument ist das Schuldscheindarlehen ausgesprochen flexibel, dabei sehr individuell, kann schnell begeben werden und die Dokumentation ist schlank, einfach und verständlich. Von der Planung bis zum Eintreffen des Geldes dauert es meist nur wenige Wochen, und das bei geringen Kosten und vergleichsweise wenig Aufwand. Die Nachfrage ist hoch, der Markt wächst, und auch immer mehr Emittenten, Banken und Investoren aus dem nicht deutschsprachigen Raum treten neu in Erscheinung. Mittlerweile ist der Anteil ausländischer Emittenten bereits auf über 40% gestiegen. Das Schuldscheindarlehen als Finanzierungsinstrument gibt es zwar schon viele Jahrzehnte, es wurde aber offensichtlich in den vergangenen Jahren neu für den Bereich der Unternehmensfinanzierung entdeckt und erfreut sich großer Beliebtheit. Durch seine ganz individuellen Vorteil wird es wohl auch weiterhin einen wichtigen Baustein für die Fremdkapitalfinanzierung von Unternehmen bilden, sowohl von ganz großen Unternehmen, als auch von kleineren Firmen.

Wenn Sie mehr Informationen, Beratung oder eine Schulung zum Thema Schuldscheindarlehen für Ihr Unternehmen benötigen, können Sie uns gerne kontaktieren.