In der Welt der Finanzderivate ist die Put-Call-Parität so etwas wie ein Naturgesetz. Wie das Gebot der Schwerkraft, oder der allgemeinen Überzeugung, dass ein Ganzes aus 100% besteht. Die Put-Call-Parität für europäische Optionen stellt Kauf- und Verkaufsoptionen mit identen Eigenschaften in ein festes Verhältnis zueinander, und so kann man aus dem Wert der einen Option stets den Wert der anderen ableiten. Eine Abweichung bedeutet ein Marktungleichgewicht und damit eine Möglichkeit für Arbitrage. Doch was, wenn genau dieses feste Verhältnis plötzlich nicht mehr zutrifft?

Put-Call-Parität: Nicht für alle Swaptions

In EUR und GBP werden Swaptions, die am Ausübungstag im Geld sind, standardmäßig per barausgleich gesettelt. Bis End November 2018 erfolgte das nach einem vereinfachten Berechnungsprinzip, dem sogenannten „Cash Par-Yield“ Settlement. Dabei wird – wir hatten darüber bereits mehrfach geschrieben – der Wert des Swaps für den Barausgleich anhand einer linearen Kurve berechnet. Dazu wird am Ausübungstag das Swapfixing der zugrundeliegenden Swaplaufzeit der Option herangezogen. Die positive Differenz zwischen dem Strike der Option und dem Swapfixing wird dann mit der sogenannten Cash-Annuity multipliziert. Diese wiederum ist nichts anderes als der Barwert eines Basispunktes, bei dem das festgestellte Swapfixing der einzige, interne Zinssatz für die Abzinsung ist. Das entspricht allerdings nicht dem, was mathematisch korrekt wäre, sondern ist nur eine annähernde Bewertung. Tatsächlich ist die Methode so ungenau, dass die Put-Call-Parität nicht mehr hält und die Werte gerade für lange Optionslaufzeiten gravierend auseinander laufen können!

Die neue Methode gilt nicht für Legacy Trade

Seit dem 26.11.2018 gibt es in den ISDA Definitionen für Zinsoptionen einen neuen Marktstandard für den Barausgleich. Die Barwertberechnung des Swaps wird nach der neuen Methode (der „Collateralized Cash Price Methode“) nunmehr mit Eonia Discounting berechnet. Diese Methode ist deutlich besser als die alte Variante. Trotzdem gibt es noch immer Marktteilnehmer, die nach der alten Methode handeln, weil sie die neue Version noch nicht abbilden können. Zudem laufen alle alten Geschäfte (die sogenannten „Legacy Trades“) noch nach der alten Berechnungsmethode weiter. Und da Swaptions mit Optionslaufzeiten von häufig zehn Jahren, in manchen Fällen sogar bis 50 Jahren, abgeschlossen werden, wird uns das alte Par-Yield System noch einige Zeit begleiten.

Je länger die Laufzeit und je mehr im Geld, desto größer der Unterschied

Swaptions, die nach der alten cash gesettelten Methode berechnet werden, sind nicht arbitragefrei. Je länger die Laufzeiten der Optionen und je weiter die Strikes im Geld liegen, desto größer wird die Abweichung zur Put-Call-Parität. Bei den oft sehr großen Nominalbeträgen, auf die sich Swaptions beziehen, kann die Fehlbewertung durchaus ein kleines Vermögen ausmachen. Schließlich werden cash-settled Swaptions häufig als Makro-Trade zur Absicherung von Volatiltiätsrisiken eingesetzt, und jeder Basispunkt, den der berechnete Wert der Option daneben liegt, ist viel wert. Hinzu kommt, dass durch falsche Optionspreise auch die impliziten Volatilitäten falsch sind. Und diese wiederum dienen als Grundlage für eine Fülle weiterer Zinsprodukte mit Vola-Komponente, die dadurch ihrerseits falsch bewertet werden.

Straddles haben nicht die richtige Aussagekraft

Ein Problem dabei ist die Art, wie Swaptions im Brokermarkt quotiert werden. Häufig kann man nur Werte für Straddles über diverse Broker-Schirme bekommen. Da allerdings die Put-Call-Parität nicht gilt für diese falsch berechneten Swaptions, sind auch die Straddles nicht besonders aussagekräftig. Auch das schafft Herausforderungen für die Bewertung von Swaptions und die Pflege von Volatilitätsdaten.

Langwierige Umstellung der Vola-Daten und Quotes

Durch die Umstellung auf die neue Berechnung des Barausgleichs seit November 2018 ist der Markt einen großen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Für Geschäfte, die vor diesem Stichtag abgeschlossen wurden, muss allerdings noch nach der alten Methode berechnet werden. Die Marktteilnehmer sind deshalb dazu übergegangen, für beide Methoden Swaption- und Volatiltiätsquotes zu veröffentlichen. Noch sind nicht alle Broker und Banken in der Lage, die beiden Preise nebeneinander korrekt abzubilden, und es herrscht Unsicherheit bezüglich der Datenlage und Qualität der veröffentlichten Quotes. Die Umstellung ist komplexer als sie auf den ersten Blick scheint. Der Markt wird deshalb wohl noch einige Zeit benötigen, bis wieder eine ausreichende Datenmenge und Datenqualität verfügbar ist. Was das in der Übergangszeit für die Bewertung von Vola-Trades bedeutet muss sich zeigen.