Strukturierte Anleihe gefällig?

Wie wäre es heute mal mit einem Euribor-Floater mit Cap bei 20%? Oder doch lieber die Anleihe mit 1,5% fix plus einem Bonuskupon von 0,01%, falls der CMS10 minus CMS2 auf 10% geht? Sie sagen das macht keinen Sinn? Vielleicht doch!

Strukturierte Anleihen sind plötzlich ein wenig sicherer

Seit Anfang des Jahres ist in Deutschland eine veränderte Abwicklungskaskade (auch Bail-In-Kaskade) in Kraft. Sie wird herangezogen, wenn eine Bank in Schieflage gerät und von der Bafin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) abgewickelt werden muss. In der Abwicklunskaskade ist geregelt, in welcher Reihenfolge Wertpapiere und Vermögen zur Abwicklung herangezogen werden. Wir hatten bereits darüber berichtet.

Die Abwicklungskaskade neu: Strukturen ganz hinten

Seit Januar 2017 werden strukturierte Anleihen erst sehr weit hinten in der Abwicklungskaskade geführt. Erst, wenn die „Plain Vanilla“ Papiere verwertet wurden, folgen Strukturen. Darunter versteht das Abwicklungsmechanismusgesetz alle Papiere mit derivativer Komponente. Das sind Kündigungsrechte, Zinsobergrenzen, Zinsuntergrenzen, diverse Optionen und Quanto-Komponenten. Das bedeutet für den Investor: Die Bonität strukturierter Anleihen und Schuldscheindarlehen ist plötzlich besser als jene von Plain Vanillas, also nicht strukturierten Schuldverschreibungen und Schuldtiteln. Das ist ein Kuriosum.

Zertifikate enthalten so gut wie immer Derivate

Zunächst einmal dürfte diese neue Regelung alle Käufer und auch Emittenten des klassischen Zertifikatemarktes freuen. Sie hatten in letzter Zeit bereits einige Rückschläge einstecken müssen, unter anderem mit strengen Auflagen für Bonitätsanleihen (die neuerdings nicht mehr so heißen dürfen). Da Zertifikate in der Regel immer Derivate enthalten, dürfen sich die Investoren hier standardmäßig freuen. Denn auch wenn der Emittent in Schieflage geraten und abgewickelt werden sollte, stehen die Chancen nun etwas besser, dass das Kapital nicht komplett weg ist.

Zuletzt gab es immer weniger Zinsstrukturen

Bei Zinsstrukturen sah die Welt in den vergangenen Jahren hingegen eher langweilig aus. In den letzten Jahren wurden wieder hauptsächlich „Plain Vanillas“ nachgefragt. Das sind schlichte fix oder variabel verzinste Anleihen und Schuldscheindarlehen.

Vor der Finanzmarktkrise war das noch ganz anders. Damals befanden sich sowohl private als auch institutionelle Investoren in einem regelrechten (Schnee)sturm der sogenannten Snowball Bonds, Leveraged CMS Spreads, mehrfach kündbaren Anleihen, Constant Maturity Bonds, Capped and Floored Floatern, Callable Step-Up Bonds, Reverse Floater, Quanto Strukturen, und sowieso war alles mindestens einmal kündbar.

Sehen wir bald unechte Strukturen?

Durch die veränderte Abwicklungskaskade könnte sich das Geschäft mit Strukturen wieder beleben. Neben „echten“ Strukturen, deren Kündigungsrechte, Caps, Floors und Swaptions tatsächlich werthaltige Optionen und damit derivative Risiken beinhalten, könnten wir bald auch „unechte“ Strukturen erleben. Das wären solche, die zwar Derivate beinhalten, die allerdings so weit aus dem Geld liegen, dass es bereits absurd anmuten mag. Beispiele wären extrem hohe Zinsobergrenzen oder Knock-in Optionen, deren Strikes irrwitzig weit aus dem Geld liegen. Die Optionen wären damit im Grunde nichts oder minimal viel Wert. Eine Prämienzahlung dürfte nur in minimaler Höhe fließen, und auch nur deshalb, weil Strukturen anders verbucht und Derivate gesondert bewertet werden müssen. Absichern würden sich die Emittenten wohl kaum, denn das Risiko ist quasi nicht vorhanden.

Es geht alleinig um die Verbesserung der Bonität

Denn im Unterschied zu tatsächlichen Strukturen, in denen der Investor bewusst ein derivatives Risiko eingeht, um die Rendite zu erhöhen, ist das Ziel der „unechten“ Strukturen alleinig die Verbesserung der Bonität gegenüber nicht-strukturierten Anleihen und Schuldscheindarlehen.

Findige Arrangeure von Anleihen und Schuldscheindarlehen sowie geschäftsfreudige Emittenten werden nicht lange auf sich warten lassen und diese neue Bonitätsverbesserung, welche die Bafin dem deutschen Anleihen- und Schuldscheinmarkt geschenkt hat, ausnutzen. Emittenten können sich so einige Basispunkte im Funding sparen. Für Investoren bedeuten die unechten Strukturen mehr Sicherheit.

Wie wird die Bafin reagieren?

Noch ist die Regelung im Abwicklungsgesetz neu und unechte Strukturen sind noch nicht im Mainstream angekommen. Sollte die Methode allerdings System bekommen, wird eine Antwort der Bafin wohl nicht auf sich warten lassen. Dennoch wird sich die Aufsichtsbehörde schwer tun, echte von unechten Strukturen zu unterscheiden. Denn wo soll die Grenze gezogen werden? Wie viel Risiko muss eine „echte“ Struktur haben? Wie viel Anteil an der Bewertung sollen die Derivate haben? Wie werden die Veränderungen gemessen, und durch wen wird die Bewertung vorgenommen? Spannende Fragen, denen sich die deutsche Gesetzgebung stellen muss, falls der Markt für Strukturen wieder Fahrt aufnehmen sollte.