Aufsichtsräte: Kontrolleure mit Superkräften?
Aufsichtsräte müssen wahre Superhelden sein. Sie sind hoch qualifizierte Vertreter der Aktionäre und je nach Gesellschaft auch der Arbeitnehmer. Sie überwachen die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft. Sie prüfen unter anderem die Bücher und Verträge der Gesellschaft, die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren. Der Aufsichtsrat kann bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung erfolgen dürfen. Der Vorstand muss dem Aufsichtsrat über die Geschäftspolitik berichten, die wirtschaftliche Situation und über wichtige Geschäfte informieren. Dafür hat der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft mindestens drei, maximal 21 Mitglieder. So steht es zumindest im Aktiengesetz §§ 95 – 116. Um diesen Aufgaben gewachsen zu sein, bedarf es viel Erfahrung, Bildung, Wissen, aber auch Zeit und Engagement.
Aufsichtsräte tragen eine hohe Verantwortung
Die Aufgaben eines Aufsichtsrats sind also gleichzeitig wichtig und komplex. Die Verantwortung dabei ist hoch. Schließlich geht es um nichts Geringeres als das wirtschaftliche Wohl und Fortbestehen einer Aktiengesellschaft. Die Aufsichtsräte stehen dafür, dass in einer Gesellschaft alles mit rechten Dingen zugeht, korrekt gewirtschaftet und vernünftige Geschäftsentscheidungen getroffen werden. Das Tagesgeschäft führt freilich der Vorstand. Der Aufsichtsrat kontrolliert diesen für die Eigentümer, also die Aktionäre, sowie die Arbeitnehmer.
Dafür erhalten Aufsichtsräte gutes Geld
Für diese verantwortungsvolle Aufgabe erhalten Aufsichtsratsmitglieder eine Vergütung. Schließlich haben sie eine hohe Verantwortung und, so mag man zumindest annehmen, viel Arbeit. Alleine das Überwachen der Finanzen und wichtiger Verträgen erfordert bei großen Unternehmen bestimmt viel Zeit und auch Wissen. In bestimmten Branchen fordert das Aktiengesetz sogar eine Fachkenntnis. Entsprechend fällt denn auch häufig die Vergütung aus. Sechsstellige Beträge plus diverser Zulagen und sogar Bonuszahlungen sind bei börsennotierten Gesellschaften keine Seltenheit. Laut einer Studie von Willis Tower Watson verdiente ein Aufsichtsratsvorsitzender eines DAX Unternehmens im Jahr 2016 im Schnitt 372.100 Euro. Pro Mandat, wohlgemerkt! „Einfache“ Aufsichtsräte erhalten deutlich weniger, sind aber in der Regel immer noch sechsstellig unterwegs.
Viele, viele Aufsichtsratsmandate gleichzeitig?
Das Aktiengesetz beschränkt die Anzahl der Aufsichtsratsmandate, die jemand übernehmen darf, auf maximal zehn. Fünf zusätzliche Mandate darf man in zum selben Konzern gehörenden Unternehmen übernehmen. Ein Aufsichtsratsvorsitz hingegen zählt doppelt und vermindert die Höchstzahl entsprechend. Das ein oder andere Mandat hin oder her, als Aktionär stellt man sich natürlich die Frage, wie jemand überhaupt mehrere Gesellschaften ausreichend beaufsichtigen kann. Wie schaffen es Aufsichtsräte, gleich in vielen Unternehmen den Überblick über Finanzen, Geschäfte und die wirtschaftliche Lage zu behalten? Sie müssen Superkräfte besitzen!
Aufsichtsrat im Nebenjob
Denn es kommt hinzu, dass Aufsichtsräte selten hauptberuflich Aufsichtsrat sind. Viele von ihnen sind in ihrem Hauptberuf Vorstand in einem anderen Unternehmen, Rechtsanwalt, Unternehmensberater, in sonstigen leitenden Positionen tätig oder im Ruhestand mit allen damit verbundenen Tätigkeiten und Verpflichtungen (Golfturniere, Weltumseglung, karitatives Engagement und Vorstand in diversen Vereinen). Allein der Hauptberuf, in dem Aufsichtsräte häufig tätig sind, dürfte in vielen Fällen einer 60-Stunden-Plus Tätigkeit entsprechen. Wie also können ganz nebenbei noch die Pflichten eines Aufsichtsrats erfüllt werden? Ganz zu schweigen bei mehreren Mandaten?
Aufsichtsratssitzungen nur zweimal im Jahr?
Zugegeben, der Aufsichtsrat trifft sich nicht täglich. Laut Gesetz muss der Aufsichtsrat nur mindestens zweimal jährlich tagen. In großen Aktiengesellschaften trifft sich der Aufsichtsrat meist deutlich öfter und hat zudem mehrere, spezialisierte Ausschüsse, die sich mit unterschiedlichen Spezialthemen befassen. Doch die Arbeit findet nicht nur während der Treffen statt, sondern laufend.
Wie ist das zu schaffen?
Für normale Menschen ist es kaum nachvollziehbar, wie jemand bis zu zehn Aufsichtsratsmandate neben einer hoch verantwortlichen Vollzeittätigkeit und meist noch diversen sozialen Engagements bewerkstelligt. Allein zeitlich scheint dies eine unglaubliche Leistung. Hinzu kommen die Reisen zu Aufsichtsratstreffen, die Überprüfung von Unterlagen und Finanzen, die Kontrolle der gesamten Geschäftsführung einer Gesellschaft und die Kommunikation der Aufsichtsratsmitglieder untereinander. Wahrlich, so könnte man meinen, nur etwas für Superhelden. Dabei weiß jeder, der sich in seiner ohnedies meist knapp bemessenen Freizeit „bloß“ in einem Sport- oder Förderverein engagiert, wie viel Aufwand und Zeit allein damit verbunden sind.
Superhelden gibt es nur im Kino
Möglicherweise bedarf es eines Umdenkens. Denn Aufsichtsräte bekleiden keineswegs nur Pro-Forma-Ämter, die lästigerweise im Gesetz so vorgeschrieben sind. Sie tragen Verantwortung und haben, wenn sie ihre Tätigkeit ernst nehmen, eine zeitintensive und wichtige Aufgabe übernommen. Dafür sollen gut qualifizierte, gewissenhafte und fleißige Aufsichtsräte auch gerne gut bezahlt werden. Dass das nicht als fünfter Zusatzposten zum Vollzeitjob in leitender Verantwortung machbar ist, versteht sich von selbst. Denn Superhelden gibt es nur im Kino. Aufsichtsräte sind Menschen. Und diese stoßen irgendwann an Kapazitätsgrenzen.