Das Ende der Libor Sätze ist beschlossene Sache. An ihre Stelle werden – geht es nach den Aufsichtsbehörden – risikolose Overnight-Sätze wie SOFR, SONIA, SARON, TONA und €STR treten. Den Euribor wird es zumindest mittelfristig noch weiter geben, doch auch hier rät die Aufsicht, auf den €STR umzusteigen. Die Diskussion ist absolut nicht neu. Der US-Markt als weltweit wichtigster Markt für Zinsderivate scheint das Ende der Libor-Sätze in 2021 trotzdem großteils zu ignorieren. Die Zahlen der gerade erschienen Statistik der ISDA „Interest Rate Benchmarks Review First Half of 2020“ sprechen Bände. Wo wird das hinführen?
USD Libor mit großem Abstand voran
Zinsderivate werden nach wie vor mit Vorliebe gegen einen der Libor-Sätze sowie den Euribor abgeschlossen. Den USD-Libor hatten laut den gemeldeten Daten an die US-amerikanische DTCC insgesamt 393.941 Geschäfte als Grundlage, mit einem Nominalbetrag von 63 Billionen USD. Den gar nicht mehr so neuen SOFR hingegen referenzieren gerade einmal 2.274 Geschäfte mit einem Nominal von 488,9 Milliarden USD. Das sind zwar mehr als doppelt so viele Geschäfte als noch im ersten Halbjahr 2019, aber doppelt von sehr wenig ist immer noch nicht viel. Der USD-Libor ist nach wie vor DER Referenzzins, der für Zinsderivate gewählt wird.
Im Sterling schlägt sich der SONIA etwas besser
Die britischen Aufsichtsbehörden rühren die Werbetrommel für ihren neuen SONIA, der den GBP Libor ersetzen soll, seit Jahren besonders laut und eindringlich. Entsprechend besser ist die Entwicklung dort. Trotzdem verwenden im ersten Halbjahr 2020 immer noch 65.501 Geschäfte den GBP Libor, und nur 13.587 Geschäfte referenzieren auf den SONIA. Beim Nominal liegt der SONIA zwar mit 10 Billionen vor dem GBP Libor, der es auf 7,9 Billionen bringt, aber dass Nominalbeträge bei Zinsderivaten wenig aussagen, dürfte mittlerweile hoffentlich jedem bekannt sein. Warum in so vielen Statistiken trotzdem noch immer von gehandelten Nominalen die Rede ist statt von Risikokennzahlen, veranlasst uns nur immer wieder zu ratlosem Kopfschütteln. Beim SONIA dürfte es schlicht daran liegen, dass die meisten Geschäfte hier sehr kurze Laufzeiten haben.
CHF Libor, JPY Libor und Euribor ebenfalls beliebter als die OIS
Die Daten der ISDA Statistik beziehen sich nur auf die dem US-Register der DTCC („Depository Trust Clearing Corporation“), dem SDR („swap data repository“), gemeldeten Geschäfte. Der Trend ist aber auch in Franken, Yen und Euro sehr deutlich. Libor und Euribor sind die Referenzzinsen der ersten Wahl. Bei Zinsderivaten auf Schweizer Franken beziehen sich 6.040 Geschäfte auf den CHF Libor und nur 43 auf den SARON. Im Yen sind es 19.710 Geschäfte auf den JPY Libor und nur 31 auf den TIBOR und 413 auf den TONA. Bei den Euro-Geschäften finden sich 110.380 Geschäfte auf den Euribor und lächerliche 70 auf den €STR.
Die Overnight Sätze eher für Kurzläufer
Was noch auffällt ist die Tatsache, dass die meisten der Trades, für die einer der neuen Overnight Sätze wie SOFR, SONIA, SARON, TONA oder €STR verwendet wurde, Laufzeiten von unter einem Jahr haben. Für Trades am ganz kurzen Ende der Zinskurve wurden aber auch schon in der Vergangenheit gerne die Vorläufer dieser Sätze genommen. EONIA und Co waren schon vor Jahrzehnten beliebte Zinssätze, wenn es um die großvolumige Absicherung kurzfristiger Zinsrisiken auf Bankbüchern ging. Interessant ist allerdings, dass tatsächlich auch Derivate auf SOFR im Laufzeitband ein bis fünf Jahre gehandelt werden. Es scheint sich also langsam eine gewisse Term Structure zu bilden. Doch für alles über fünf Jahre wird LIBOR verwendet.
Der Markt sträubt sich
Die Anzahl der Trades auf die neuen, von den Aufsichtsbehörden bevorzugten Overnight Rates ist gestiegen. Von einem kritischen Wert oder gar einem Übergang des Marktes auf die neuen Referenzzinsen kann noch immer keine Rede sein. Eine ganze Reihe von Marktteilnehmern ist schlicht nicht vom Nutzen der neuen Sätze überzeugt. Einen gewissen weiteren Anteil an der scheinbaren Gleichgültigkeit der Marktteilnehmer bei Neuabschlüssen mag die mittlerweile weit voran geschrittene Dokumentation zum Übergang von Altgeschäften auf die neuen Referenzzinssätze haben. Sollten Libor & Co. tatsächlich eines nahen Tages plötzlich aufhören, berechnet und veröffentlicht zu werden, so finden sich heute in beinahe allen Swapdokumentationen und Geschäftsbestätigungen sogenannte Fallback Klauseln. Wahrscheinlich aber haben jene unter den Aufsichtsbehörden, die sich die neuen risikolosen Zinssätze ausgedacht haben, schlicht unterschätzt, wie schwierig es sein würde, einen derart gigantischen Markt, der eine so unfassbar riesige Menge an Geschäften und Verknüpfungen vor sich her schiebt, zu bewegen. Um die Richtung einer in Bewegung befindlichen, großen Masse zu verändern bedarf es einer großen Kraft. Ob die Kraft von britischer FCA und amerikanischer FED ausreichen wird?