Geht das überhaupt? Passt das zusammen? Die relativ neue Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie tritt für ein nachhaltiges, faires und rücksichtsvolles Wirtschaftsleben ein. Die Finanzwelt hingegen ist dafür bekannt, genau dort zu investieren und ihre Produkte anzubieten, wo der größtmögliche Gewinn wartet. Ökologie, die Schonung von Ressourcen, das Wohl der anderen, das steht bei Investmentbanken, Versicherungen, Hedge Funds, Venture Capital Unternehmen und den anderen großen Playern am Kapitalmarkt derzeit mit Sicherheit nicht im Fokus. Viel eher sind der eigene Profit, das Managements des eigenen Risikos und der Blick auf den eigenen nächsten Bonus im Vordergrund. Die Finanzwelt von gestern und heute lebt den kapitalistischen Darwinismus in Reinform. Die Starken und Rücksichtslosen überleben, die Schwachen gehen unter. In den eigenen Reihen wird genau so aussortiert wie bei den Kunden und Geschäftspartnern. Rücksicht oder gar Nachsicht kennen die Banker und Finanzler nicht. Wer im Versicherungsdokument das Kleingedruckte nicht gelesen hat, im Wertpapierprospekt die Risikohinweise nicht achtet oder einfach nicht auf die hohen Kosten und Provisionen schaut, der ist selbst schuld an seinem Verlust.
Doch nach und nach passiert in einigen Bereichen der Finanzwelt trotzdem ein langsames Umdenken. Die Kunden sind unzufrieden mit dem Status Quo, und selbst die Mitarbeiter der großen Finanzdienstleister beginnen, über Alternativen und die Ethik ihrer Arbeit nachzudenken. Nachhaltige Portfolien werden plötzlich angeboten, und mit Schlagwörtern wie „Socially Responsible Investments“ und „Impact Investing“ um sich geworfen. Sogar die finanziell positiven Auswirkungen von glücklichen Mitarbeitern werden untersucht und hervorgehoben. So gut wie jede Bank und Versicherung beteuert auf ihrer Internetseite heute, wie sehr ihr ethisch korrektes Handeln wichtig ist.
In den meisten Fällen sind das im Moment noch bloße Lippenbekenntnisse. Die Unternehmenskultur im Finanzmarkt lässt sich nicht von heute auf morgen umstellen. Das ganze System der verkaufs- und vertriebsbasierten Bezahlung, des permanenten Konkurrenzdenkens und dem ewig Wettlauf um das lukrativste Geschäft mit den höchsten Margen bietet wenig Platz für ehrliche Ethik, wirkliche Nachhaltigkeit und schon gar nicht für ökologische Grundsätze wie Schutz von Mensch und Umwelt. Der Waffenproduzent erhält bessere Kredit- und Versicherungskonditionen als der Biolandwirt oder das Umweltprojekt. Der ausbeuterische Diktator wird als Investor hoffiert, der kleine Anleger hingegen mit überteuerten Produkten ausgebeutet.
Aber es gibt auch Bewegungen, die dem entgegen treten. Immer mehr kleine Banken spezialisieren sich auf tatsächlich nachhaltige Finanzgeschäfte. Sie nennen sich Ethikbanken, soziale Banken, Kirchenbanken, Umweltbanken und neuerdings auch Gemeinwohlbanken. Die Nachfrage ist vorhanden. Beispiel sind etwa die GLS Bank für Leihen und Schenken, die Bank für Sozialwirtschaft, die Umweltbank oder die Ethikbank, die bereits seit mehreren Jahren in Deutschland etabliert sind. Derzeit wird in Österreich gerade die Gemeinwohlbank gegründet. Auch im klassischen Anlagebereich sieht man kleine Veränderungen. Investoren verlangen mehr und mehr von ihren Versorgungs- und Rentenkassen, dass diese nachhaltig und umweltfreundlich investieren.
Ob sich dieses Umdenken, das hauptsächlich auf Druck der Bankkunden geschieht, auch durchsetzt, wird sich zeigen. Der Wunsch vieler Menschen für mehr Nachhaltigkeit ist vorhanden, das steht außer Zweifel. Ob sich dieser auch alltagstauglich in der Finanzwelt umsetzen lässt wird die große Frage der nächsten Jahrzehnte sein.