Der 1. September 2020 steht vor der Tür und sollte eigentlich große Änderungen vor allem für kleinere Finanzinstitute und große Unternehmen bringen. Denn sollte es nach den ursprünglichen Plänen von Basel III gehen, hätte sich die Grenze der ausstehenden Nominalbeträge, die zu Initial und Variation Margin verpflichten, von 0,75 Billionen Euro auf 8 Milliarden Euro verringert, und hätte damit sehr viele Adressen zum Margining verpflichtet. Doch dann kam Corona, und der Zeitplan wurde verschoben. Das Basler Komitee hat deshalb im April beschlossen, dass die bisherige Grenze von 0,75 Billionen Euro bis Ende August 2021 weiter gelten soll. Zusätzlich wurde eine kleine Zwischenetappe eingeführt. Zwischen 1. September 2021 und 31. August 2022 beträgt die Grenze 50 Milliarden Euro, und erst ab dem 1. September 2022 gelten die geplanten acht Milliarden Euro. Die Europäische Kommission zog im Mai 2020 nach und veröffentlichte einen entsprechenden Technischen Regulierungsstandard, der diese Zeitplanänderung übernimmt.

Marginpflicht für alle

Die Sache ist absolut nicht neu. Bereits 2011 haben die G20 eine Marginpflicht für ALLE Derivate gefordert, nicht nur für solche, die zentral gecleared werden. Es wurde argumentiert, dass niemand belohnt werden soll, weil er nicht zentral clearingfähige OTC-Derivate handelt. Schließlich bedeutet das verpflichtende, zentrale Clearing für jene, die sich diesem unterwerfen, sowohl Kosten als auch Liquiditätsnachteile. Es sollte keine Wettbewerbsverzerrungen geben. Wahrscheinlich wollten die G20 auch einen besseren Überblick über das, was sich im OTC Markt tatsächlich tut. Im Jahr 2013 wurde der Wunsch der G20 dann in den Basler Verträgen festgezurrt, mit einer schrittweisen Einführung. Die EU ist der Umsetzung 2016 nachgekommen, mit der Verordnung (EU) 2016/2251 vom 4. Oktober 2016.

Zeitplan schon einmal verschoben

Der Zeitplan wurde dann allerdings mehrfach verschoben. Beginnen sollte gemäß Basel III alles am 1. Dezember 2015, wurde dann aber kurzfristig auf den 1. September 2016 verschoben. Als Messlatte dient übrigens wie so oft die nicht besonders aussagekräftige Summe der Nominalbeträge an Derivaten, die nicht zentral gecleared werden. Zunächst betraf es jene, die 3 Billionen Euro oder mehr hatten, senkte sich 2017 auf 2,25 Billionen Euro, in 2018 auf 1,5 Billionen Euro, 2019 dann auf 0,75 Billionen Euro und sollte eigentlich ab 1. September 2020 für alle gelten, die 8 Milliarden oder mehr an Derivaten ausstehen haben. Aber dann kam Corona, und der Zeitplan wurde wieder geändert. Jetzt gelten die 0,75 Billionen Euro bis 31. August 2021 weiter. Ab dem 1. September 2021 bis 31. August 2022 sind es dann 50 Milliarden, und erst ab dem 1. September 2022 dann endlich die 8 Milliarden.

Betroffen sind Finanzinstitute und wichtige Unternehmen

Von der Marginpflicht für nicht zentral geclearte OTC-Derivate sind alle Finanzinstitute ausnahmslos betroffen, sobald sie die jeweilige Schwelle an Nominalbeträgen überschreiten. Bei den Nicht-Banken sind nur „systemrelevante“ Unternehmen betroffen. Nicht betroffen sind ferner Staaten, Zentralbanken, Multilaterale Entwicklungsbanken sowie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Ein Geschäft fällt dann bei beiden Parteien nicht unter eine Margin-Pflicht, wenn eine Partei von der Margin-Pflicht entbunden ist. Wer zu den systemrelevanten Unternehmen gehört legen die jeweiligen Aufsichtsbehörden eines Landes fest. In der EU ist das in EMIR Artikel 10 geregelt, in den technischen Regulierungsstandards festgeschrieben, immer wieder angepasst und auf der Internetseite der ESMA veröffentlicht.

Initial und Variation Margin

Es müssen zwei verschiedene Margins hinterlegt werden. Bei Abschluss des Geschäfts wird zunächst die Initial Margin (Ersteinschuss) fällig, die eine Sicherheit für die mögliche, zukünftige Risiken ist. Während der Laufzeit der Position ist dann jeweils von dem Geschäftspartner, der Barwertmäßig hinten liegt, die Variation Margin (Nachschusszahlung) zu posten. Die Variation Margin ist die Sicherheitsleistung für die aktuelle Exposure. Wie generell üblich bei Collaterals müssen die Sicherheiten entweder bei einem Dritten/Verwahrer als Sondervermögen hinterlegt werden oder von den Gegenparteien selbst als Sondervermögen geführt werden, das durch spezielle Verträge rechtsverbindlich geschützt ist.

Für die Variation Margin ist ein Threshold nicht erlaubt, wohl aber für die Initial Margin von maximal 50 Millionen Euro. Die Geschäftspartner dürfen zudem eine Minimum Transfer Amount von maximal 500.000 Euro vereinbaren.

Mindestens tägliche Bewertungen

Die Positionen müssen mindestens einmal täglich bewertet werden, um ebenfalls mindestens täglich die Nachschusszahlungen festzusetzen. Für die Initial Margin wird die Berechnung spätestens am Folgetag entweder des Abschlusses eines Neugeschäfts, bei einer Änderung des Geschäfts oder bei Wegfall eines bestehenden Trades durchgeführt. Unabhängig davon, ob Geschäfte neu gemacht, geändert oder weggefallen sind, muss die Initial Margin regelmäßig alle 10 Tage berechnet werden.

Netting ja und nein

Die Ersteinschusszahlungen der Geschäftspartner dürfen nicht gegeneinander genettet werden! Was sehr wohl genettet werden darf sind, wenn eine Nettingvereinbarung zwischen den Geschäftspartnern vorliegt, die Geschäftspositionen. Hedges und Risikominderungsmethoden wie Diversifzierung werden übrigens nur innerhalb ein und derselben Assetklasse anerkannt. Die Assetklassen sind:

  • Zinsderivate, Währungsderivate und Inflationsderivate
  • Aktienderivate
  • Kreditderivate
  • Rohstoffderivate und Gold
  • Alle anderen Derivate

Initial Margin: Standardansatz oder Modell

Verwendet werden dürfen neben dem Standardansatz auch Modelle, um die Höhe der Initial Margin zu berechnen. Dabei kann es sich um eine Eigenentwicklung handeln, es sind aber auch Modellentwicklungen von Dritten zulässig. Wird ein Modell verwendet, muss dieses Sensitivitäten für alle vorkommenden Währungen enthalten, mit einer modernen Zinsstrukturkurve arbeiten, und insgesamt sämtliche Risikofaktoren für alle im Portfolio befindlichen Assets berücksichtigen. Außerdem müssen Modelle verschiedene Szenarien berücksichtigen können, um Liquiditätskrisen abzubilden, sowie Methoden, die fehlende oder mangelhafte Marktpreise ergänzen können. Nicht lineare Korrelationen und Volatilitäten müssen berücksichtigt werden, und das Modell muss ein Backtesting zulassen wie auch statistische Tests des Modells selbst. Die Anforderungen sind entsprechend hoch. Zudem muss das Modell von qualifizierten Personen, die nicht an der Entwicklung beteiligt waren, validiert und regelmäßig überprüft werden. Sollten Sie Bedarf an einem solchen Modell haben, sprechen Sie uns an.

Ausnahmen für FX Geschäfte

Eine Ausnahme von der Magin-Pflicht besteht für FX Forwards und FX Swaps mit physischem Settlement. Eine weitere Ausnahme gibt es für Cross-Currency-Swaps, bei denen ein physisch ausgetauschtes initial und final Exchange nicht in die Margins einbezogen werden muss.

Nur Assets höchster Qualität

Um als Margin-Sicherheit zu gelten, müssen die hinterlegten Assets sowohl von höchster Bonität als auch Liquidität sein. Die Baseler Verträge verlangen sogar, dass die hinterlegten Werte selbst in Zeiten von Marktturbulenzen ihren Wert behalten. In der EU gelten deshalb nur Bargeld, Gold, Staatsanleihen, Schuldverschreibungen öffentlicher Emittenten aus den Mitgliedsstaaten und Anleihen von multilateralen Entwicklungsbanken als unbedenklich. Alle anderen Wertpapiere wie Aktien, Unternehmensanleihen und Verbriefungen dürfen nur hinterlegt werden, wenn die Bonität ausgezeichnet ist, ausreichend Liquidität vorhanden ist und die Gegenparteien einen entsprechenden Marktzugang haben, um die Assets im Notfall rasch veräußern zu können. Zudem werden teils heftige Haircuts fällig. Es versteht sich von selbst, dass keine eigenen Wertpapiere oder Papiere aus der eigenen Gruppe hinterlegt werden dürfen.

Hohe Anforderungen an die Marginberechnung

Collaterals wurden schon bisher regelmäßig ausgetauscht, um das Ausfallrisiko zu reduzieren. Was sich mit dieser Verordnung nun allerdings auch zunehmend für kleinere Adressen ändert, sind die exakten und strengen Vorgaben, an die sich die Geschäftspartner bei der Margin Berechnung halten müssen. Vor allem die tägliche Bewertung aller Positionen auf gegebenenfalls genetteter Basis mit jeder einzelnen Gegenpartei, die zu Margins verpflichtet ist, sowie die tägliche Berechnung der Margins dürfte für manche Institute und Unternehmen schwierig werden. Benötigen Sie dabei Unterstützung? Sprechen Sie uns an!