Deutsche Kommunen haben mit vielen finanziellen Herausforderungen zu kämpfen. Und das bereits seit langer Zeit. Selbst in Zeiten guter Steuereinnahmen liegen die finanziellen Belastungen, die Kommunen tragen müssen, häufig über den Einnahmen. Gemäß dem Monatsbericht von Juli der Bundesbank betrug das Defizit der Kommunen allein im ersten Quartal 2016 sechs Milliarden Euro, obwohl die Steuereinnahmen um mehr als 2,5 Milliarden Euro gewachsen waren.
Die Folge sind Schulden. Schulden aber wollen finanziert und refinanziert werden. Dabei sind Kredite bei Banken und Sparkassen derzeit die erste Wahl. Laut Statistischem Bundesamt ist der Großteil der Schulden der deutschen Kommunen, etwa 85%, durch nicht-öffentliche Geldgeber wie etwa Banken, Sparkassen und institutionelle Investoren finanziert. Demnach betrugen die gesamten Schulden der deutschen Kommunen 2015 über 330 Milliarden Euro. Allein seit 2010 hat sich der Schuldenstand um 10% erhöht. Ein Großteil davon betrifft dabei nicht den Kernhaushalt von Kommunen, sondern Extrahaushalte und kommunale Fonds und Betriebe. Die kommunalen Verbindlichkeiten gegenüber den Hausbanken und Sparkassen sind hoch wie selten zuvor, und das in einer Zeit, in der die Bilanzen von Banken durch strengere Eigenkapitalvorschriften nach Basel III immer stärker durch Kredite belastet werden. Ein Konflikt ist vorprogrammiert.
Doch es geht auch anders. Denn mögliche Geldgeber gibt es in der Tat viele, und gerade im Moment suchen viele von ihnen nach Schuldnern guter Bonität. Versicherungen, Fonds, Versorgungswerke und sogar Stiftungen und Sondervermögen sind aktuell auf der Suche nach attraktiven Abnehmern für ihre Gelder. Anleihen und Schuldscheindarlehen sind dabei ein möglicher Weg für Gemeinden, sich über den Kapitalmarkt frisches Geld bei genau diesen Investoren zu holen.
Das Zinsniveau ist dabei für Kommunen attraktiv wie nie zuvor. Durch die unorthodoxe Geldpolitik der EZB sind Zinsen seit einigen Jahren bis in den negativen Bereich gekommen. Das Wort Negativzins schreckt heute niemanden mehr auf. Was vor zehn Jahren noch als völlig unmöglich gegolten hat, ist heute Normalität. Schuldner guter Bonität wie der Bund, öffentlich-rechtliche Körperschaften und sogar Unternehmen wie Henkel können sich heute zu negativen Zinsen Geld leihen. Investoren bezahlen dafür, ihr Geld langfristig bei Schuldnern guter Bonität in Form von Anleihen parken zu können. Die Welt des Geldes hat sich auf den Kopf gestellt.
Davon können Kommunen profitieren. Denn nach und nach laufen die im Vergleich hoch verzinsten Kredite der Vergangenheit aus. Für kommunale Betriebe, die privatrechtlich etwa als GmbH organisiert sind, bietet zudem das übliche Kündigungsrecht gemäß §489 BGB nach zehn Jahren Laufzeit eine Ausstiegsmöglichkeit aus hoch verzinsten Altdarlehen. Das Thema Refinanzierung sowie die Finanzierung neuer Verbindlichkeiten rückt deshalb vermehrt in den Fokus. Die hauseigene Bank oder örtliche Sparkasse war dabei in der Vergangenheit meist der Hauptansprechpartner. Ein Vergleich der Konditionen im Vergleich zu Anleihen und Schuldscheindarlehen mag sich dabei aktuell aber durchaus lohnen!
Die aktuelle, extreme Situation an den Kapitalmärkten hat dabei die Spielregeln stark verändert. In der Vergangenheit war das Thema Rating immer ganz vorne, wenn es um Anleiheemissionen ging. Ohne Rating keine Käufer, hieß es da immer. Ein Rating aber, das ist teuer, bedeutet Aufwand, und nicht immer kommt dabei auch das gewünschte Ergebnis heraus. Deshalb schreckten bereits in der Vergangenheit viele Kommunen aber auch Unternehmen davor zurück, sich mit dem Thema Kapitalmarktfinanzierung zu beschäftigen.
Für viele institutionelle Investoren ist Rating nach wie vor ein Thema. Doch es gibt zunehmend Fonds und Geldgeber, die ein vorhandenes Rating nicht mehr als absolutes Kriterium sehen. Heute ist es kein Showstopper mehr, wenn ein Emittent kein Rating hat. Die Emission verkauft sich dabei über den guten Namen und nicht über das externe Rating einer Agentur. Beispiele gibt es bereits, selbst aus der Unternehmenswelt. Verkauft werden nicht geratete Anleihen allerdings meist an Investoren aus dem eigenen Land oder der eigenen Region, die mit dem Schuldner vertraut sind. Für eine Kommune bestimmt kein Nachteil, wenn sie nicht mit Londoner oder New Yorker Financiers zu tun hat.
Ein weiterer Kostenfaktor, der Kommunen immer wieder davon abhält, sich über den Kapitalmarkt zu finanzieren, sind die Investmentbanken, die Emissionen in der Regel begleiten und verkaufen. Dafür verlangen sie oft dicke Provisionen. Auf der anderen Seite finden sie Käufer für die Anleihe oder stellen den Kontakt zu einem Käufer des Schuldscheindarlehens her.
Aber geht es vielleicht auch ganz anders? Könnte man auch komplett neue Wege gehen? Die Welt des Geldes steht Kopf. Warum sollte man also immer noch in hergebrachten Mustern denken und handeln? Wenn Zinsen negativ werden können, man für Kredite Geld bekommt anstatt bezahlt, sich die Rolle der Banken, Sparkassen und Finanzinstitutionen wandelt, warum soll man da nicht auch hinterfragen, ob die Art der Kreditaufnahme nicht auch anders funktionieren könnte? Eine Schuld in Form eines Wertpapiers zu verbriefen oder ein Schuldscheindarlehen aufzulegen, dafür benötigt man keine Bank, sondern maximal einen Juristen. Die Kunst ist es, Käufer für die Anleihe oder das Schuldscheindarlehen zu finden. In Zeiten von Social Media, der Sharing Economy, zunehmender Vernetzung und einer regelrechten Geldschwemme – selbst der einfache Sparer steht ratlos da – könnte es durchaus möglich sein, selbst Investoren zu finden, oder gar Anleihen an die eigenen Bürger verkaufen. Die Welt wandelt sich, und mit diesem Wandel werden sich auch irgendwann für die kommunalen Finanzen neue Wege ergeben.