BahlConsult GmbH: Ihre unabhängigen Berater zu Zinsswaps, Finanzderivaten und strukturierten BondsSie treffen gerne Entscheidungen aus dem Bauch heraus? Sie trauen Ihrer Intuition? Auch wenn es um Geld, Zahlen und Fakten geht? Dann werden Sie nach Ende dieses Artikels möglicherweise anders denken. Denn gerade wenn es um Zahlen geht, führt uns unsere Intuition nicht selten in die Irre.

Besonders anfällig ist unsere Intuition, wenn es um Wahrscheinlichkeiten geht, mit denen ein bestimmtes Ereignis eintreten wird, etwa das Platzen einer Börsenblase, der Preisanstieg einer Aktie, die Ab- oder Aufwertung von Währungen oder die Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs in den Non-Farm-Payrolls. Stets riskieren wir, einen falschen Schluss zu ziehen, wenn wir uns nur auf unser Gefühl verlassen. Denn gerade bei Wahrscheinlichkeiten hört die menschliche Intuition bei den meisten Menschen auf zu funktionieren.

Forschung schon vor 45 Jahren

Neu ist diese Erkenntnis nicht. Bereits vor über 40 Jahren experimentierten Tversky und Kahneman, wie Menschen bei intuitiven Entscheidungen daneben liegen können. In der Literatur gibt es mittlerweile einige sehr klassische Beispiele, die auf sehr schöne Weise zeigen, dass unser Gefühl und unsere erste Einschätzung uns tatsächlich nicht immer gute Dienste erweisen.

Linda die Bankangestellte

Ein von Tversky und Kahneman in 1974 vorgestelltes Beispiel, Linda die Bankangestellte, ist heute der Klassiker, wenn es um trügerische, intuitive Entscheidungen geht. Das Experiment geht so:

Zunächst wird Linda vorgestellt. Linda ist 31 Jahre alt. Sie ist Single, nimmt sich kein Blatt vor den Mund, und sie ist sehr klug. Sie hat einen Universitätsabschluss in Philosophie. Während ihrer Studienzeit hat sich Linda gegen Diskriminierung und für soziale Gerechtigkeit eingesetzt. Sie hat zudem an Anti-Atomkraft-Demos teil genommen.

Nun zur Frage: Welche der folgenden Aussagen trifft am ehesten zu:

  • a) Linda ist eine Bankangestellte.
  • b) Linda ist aktiv in der Feminismusbewegung.
  • c) Linda ist eine Bankangestellte und zudem aktiv in der Feminismumsbewegung.

Welche Antwort würden Sie nehmen? Interessanterweise wählen die meisten Menschen intuitiv die letzte Antwort. Und das, obwohl c) niemals wahrscheinlicher sein kann als a) oder b) alleine.

Das Geburtstags Phänomen

Ein weiteres, häufig zitiertes Experiment behandelt das Geburtstags-Phänomen. Es geht so:

In einem Raum befinden sich 20 Personen. Wie wahrscheinlich ist es, dass mindestens zwei dieser 20 Personen am selben Tag des Jahres Geburtstag haben? (Die beiden Personen müssen nicht im selben Jahr geboren sein, wohl aber am gleichen Tag!) Also, was denken Sie?

Die meisten der Befragten denken, dass die Wahrscheinlichkeit gegen Null geht, dass zwei Personen am selben Tag des Jahres Geburtstag haben. Schließlich hat das Jahr 365 Tage. Tatsächlich aber liegt die rechnerische Wahrscheinlichkeit bei 44%. Sie steigt sogar auf 99%, sobald 56 Personen im Raum sind. Hätten Sie das gedacht? Und das ist der rein mathematische Wert, wenn man jedem Tag des Jahres die gleiche Wahrscheinlichkeit zuspricht.

Bill Miller: Der Schlüssel zum Erfolg?

Das Bill Miller Beispiel ist ebenfalls spannend. Bill Miller war Chief Investment Officer von Legg Mason Capital Management (heute Teil von ClearBridge) und wurde zur Legende, als er von 1990 bis 2005 an 15 Jahren in Folge den S&P 500 outperformte. Er wurde als besonders talentierter Fondsmanager gefeiert, der die Märkte besser verstand als jeder andere. Aber war es wirklich sein Geschick? Vielleicht hatte Bill Miller einfach nur Glück?

Rein statistisch betrachtet, wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass jemand aus purem Glück heraus 15 Jahre in Folge den Markt übertrifft? Sie denken, die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering? Also sehen wir uns die Sache genauer an. Wir gehen zunächst davon aus, dass jeder ein einem bestimmten Jahr aus purem Glück heraus mit einer Wahrscheinlichkeit von 50/50 den jeweiligen Index outperformen kann. An 15 aufeinander folgenden Jahren besser zu sein als der Index ergibt eine Wahrscheinlichkeit von 0,003%. Tatsächlich ist diese sehr gering. Nehmen wir aber an, es gibt nicht nur einen einzigen Fonds auf der Welt, sondern beispielsweise 1.000 Fonds, die genau diesen Index als Benchmark haben. Dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen über 15 aufeinander folgende Jahre besser ist als der Index, bereits auf 3%! Dabei ist die Zahl von 1.000 Fonds wohlgemerkt sehr gering. In Wirklichkeit gibt es viel mehr!

Krank: Ja oder nein?

Zu guter Letzt werfen wir noch einen Blick auf medizinische Diagnosen. Denn auch hier spielt uns die Intuition einen Streich, der für unser Leben weitreichende Folgen haben kann.

Nehmen wir als Beispiel die Diagnose von Brustkrebs. Die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs erkrankt zu sein, ist für Frauen generell nicht allzu hoch bei etwa 0,5%, also fünf Frauen von 1.000 haben Brustkrebs. Eine Frau geht also zur Mammographie. Sie hat weder Beschwerden noch Symptome und lässt sich untersuchen. Der Test, so sagt ihr der Arzt, ist zu 95% akkurat. Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass die Frau die korrekte Diagnose erhält? Sie sagen, dass sie zu 95% die richtige Diagnose erhält? Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit viel geringer!

Das wird deutlich, wenn man sich eine größere Zahl Frauen ansieht, die sich auf Brustkrebs testen lassen. Von 10.000 Frauen haben erfahrungsgemäß 0,5% tatsächlich Brustkrebs. Das sind 50 Frauen. Der Test, der zu 95% korrekt ist, liefert im Umkehrschluss 5% falsche Ergebnisse. So werden also 500 Frauen ebenfalls die Diagnose Brustkrebs erhalten, obwohl sie keinen haben. Insgesamt macht das 550 Brustkrebsdiagnosen. Allerdings sind davon nur 50 Frauen tatsächlich krank. Die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich an Brustkrebs erkrankt zu sein, nachdem eine Frau eine positive Diagnose erhalten hat, liegt somit bei nur noch 9%!

Intuition allein reicht nicht immer!

Sie sehen also, die Intuition ist nicht immer der beste Indikator. Als Menschen neigen wir dazu, Dinge vereinfacht zu betrachten. Gerade im Finanzmarkt – aber nicht nur dort – lohnt es, sich die Zahlen konkret anzusehen und auch mal nachzurechnen!