Die Rede davon, dass EONIA ersetzt werden wird durch eine neue Benchmark, ist schon seit geraumer Zeit. Dass der Umstellungstermin nun schon am 2. Oktober 2019 kommt, bringt die Zinswelt nun doch etwas schneller als erwartet in die Zwangslage, viele Systeme und Modelle anzupassen. Das betrifft direkt und indirekt beinahe alle Bereiche von Banken, aber auch Versicherungen, Unternehmen, Kommunen, Stiftungen und KAGs sind betroffen. Schließlich ist die Bandbreite an Finanzprodukten, die auf den EONIA referenzieren, groß. Dazu zählen viele variable Unternehmenskredite, kommunale Kassenkredite, Überziehungsrahmen, viele Zinsderivate und sogar einige Anleihen, aber noch wichtiger: Das gesamte Besicherungswesen („Collateral Management“) von Börsen, Zentralen Gegenparteien und bilateralen Besicherungsanhängen, das auf einer EONIA-Verzinsung basiert.

Ab 2.10.2019: EONIA = €STR + 0,085%

Massenweise last-minute Vertragsanpassungen müssen allerdings nicht befürchtet werden, denn einen Referenzzins mit dem Namen EONIA wird es auch weiterhin geben. Ab dem 2.10. wird der EONIA aber nicht mehr eigenständig berechnet. Ab dann wird nur noch der neue €STR nach völlig anderen Kriterien als bisher EONIA berechnet. Der EONIA ist ab dann schlicht €STR plus 8,5 Basispunkte Spread-Aufschlag. Das ist eine sehr vereinfachte Angleichung anhand historischer Durchschnittsdaten vom 17. April 2018 bis 16. April 2019.

Der EONIA wird für eine gewisse Übergangszeit weiterhin veröffentlicht, und zwar bis zum 3. Januar 2022. Danach wird die Veröffentlichung komplett eingestellt. Das sollte allen Marktteilnehmern ausreichend Zeit geben, neue Geschäfte auf Basis des €STR abzuschließen und für dann noch laufende Altgeschäfte entsprechende Vertragsanpassungen vorzunehmen.

€STR und der bisherige EONIA: Viele kleine aber feine Unterschiede

Zwischen dem neuen €STR und dem bisherigen EONIA gibt es deutlich mehr Unterschiede als nur den Namen oder 8,5 Basispunkte. Die beiden unterscheiden sich in mehrerlei Hinsicht voneinander. Das hat auf die gesamte Kurvenkonstruktion und die Bewertung in vielen Modellen einen kleinen aber feinen Einfluss. Die wichtigsten Unterschiede sind:

  • EONIA wird aktuell noch gleichtägig publiziert, immer um 19 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. €STR wird mit T+1 veröffentlicht werden, jeden TAGET-Geschäftstag um 8:00 Uhr, gefolgt von EONIA Neu um 9.15 Uhr morgens. Die vergleichsweise lange Zeit zwischen der Veröffentlichung von €STR und EONIA liegt am Revisions-Prozedere für den €STR. Sollten Fehler bei der Berechnung des €STR auftreten, die sich um mehr als 2 Basispunkte (0,02%) auswirken, dann kann der €STR nochmal um 9 Uhr morgens korrigiert werden.
  • Die Änderung auf T+1 bedeutet dann auch, dass am 1. Oktober kein Referenzins veröffentlicht werden kann, und EONIA zuletzt am 30.9. nach alter Methode berechnet und publiziert wird. Für Fixings am 01.10.2019 muss der zuletzt erhältliche EONIA verwendet werden.
  • Für die Berechnung und Veröffentlichung des EONIA war bisher das EMMI (European Money Markets Institute) zuständig. Der €STR wird direkt von der EZB veröffentlicht. Der neue EONIA, also der €STR+8,5bp, wird weiterhin vom EMMI berechnet.
  • Wer den €STR in seine Prozesse und Systeme einbinden möchte, der muss die Datenquelle mit der ISIN EU000A2X2A25 verwenden. Die bisherige ISIN des EONIA bleibt erhalten.
  • Die Berechnung selbst ist nun eine andere. Für den EONIA wurden Quotes von einer begrenzten Zahl an Banken über ihr unbesichertes Interbanken Tagesgeldgeschäft als Grundlage verwendet. Der €STR hingegen beruht auf gemeldeten unbesicherten Fixed Rate Deposit Transaktionen im Interbankenmarkt mit mindestens einer Million Euro Nominal. Die Transaktionen werden beim €STR volumsgewichtet verwendet.
  • Hebt oder senkt die EZB den Leitzins, wird die Berechnung des €STR so angepasst, dass sie den neuen Leitzins und den Leitzinskorridor berücksichtigt. Das ist notwendig, weil der €STR auf Transaktionen des Vortrages basiert, aber die €STR Fixings für den jeweiligen Veröffentlichungstag gelten.

Auswirkungen auf Systeme, Produkte, Bewertungen und Zinskurven

Die Umstellung von EONIA auf €STR scheint auf den ersten Blick nicht sonderlich komplex, bedarf aber der Anpassung an vielen unterschiedlichen Stellen und Schrauben. Was den Systemen und Abläufen schwer zusetzen könnte, ist vor allem die Umstellung von gleichtägig auf T+1. Zudem wird es für eine lange Übergangszeit jeweils parallel Produkte auf EONIA sowie danach immer mehr auf €STR geben, die in die gleiche Produktkategorie fallen und für die selben Zwecke bestimmt sind. Trotzdem können €STR und EONIA Swaps nicht gegeneinander genettet werden, da sie jeweils eigene Produktcodes haben werden. Und in einer Zeit von Central Clearing stellt sich natürlich auch die Frage, wie schnell und gut die neuen €STR Swaps und Basis-Swaps in die Clearing-Abläufe und Systeme eingebunden sind. LCH SwapClear wird die ersten €STR Swaps beispielsweise erst ab dem 21.10.2019 clearen können. Neue EONIA Swaps werden von Clearinghäusern nur noch angenommen, wenn sie spezielle ISDA Zusatzdefinitionen verwenden. Das Collateral-Management der Central Clearer wird trotzdem vorerst noch über EONIA laufen, auch wenn dieser nun anders berechnet wird. Liquidität und durchgehende Quotes für €STR Swaps und Basisswaps müssen sich erst etablieren, und die gesamte Kurvenkonstruktion muss adaptiert werden. Alles in allem eine komplexere Aufgabe als es auf den ersten Moment scheinen mag, bei der mehr Dinge zu bedenken sind, als zunächst vermutet. Was im Übrigens nicht nur Banken betrifft, sondern durchaus eine breite Palette institutioneller Marktteilnehmer. Der Vorteil der Banken ist, dass Zinskurven zum Tagesgeschäft gehören. Bei vielen Institutionellen sieht die Expertise nicht immer so rosig aus. Sollten Sie Unterstützung benötigen, sprechen Sie unsere Berater gerne an.