BahlConsult GmbH: Ihre Experten für strukturierte Investments und Derivate, Swaps, Swaptions, Bewertungen und AnalysenJahrelang lief das Collateral Management für Zinsderivate in halbwegs eingespielten Bahnen. Nach und nach waren so gut wie alle neuen Geschäfte mit Swaps, Caps, Floors, Swaption und Exoten mit Collateral besichert worden, entweder über das ISDA CSA oder über den Besicherungsanhang des Deutschen Rahmenvertrags. Die Hürden der Vergangenheit waren überwunden, in denen gerade kleinere Banken und institutionelle Investoren Schwierigkeiten damit gehabt hatten, Collateral abzuwickeln. Man war endlich angekommen bei einem täglichen Austausch von Sicherheiten, die Abwicklung und Berechnung lief dank verbesserter Rechenleistungen mittlerweile ziemlich reibungslos, und die Branche hatte eine gewisse Ruhe und Routine bei der Besicherung von Zinsderivaten entwickelt.

Mit dieser Ruhe war es erstmal vorbei, als die Zinsen am kurzen Ende in den negativen Bereich rutschten. Collateral ist meist mit Eonia oder Euribor verzinst. Am 24.11.2016 lag der Eonia Satz bei -0,348%. Jemand stellt Collateral und muss dafür zusätzlich Zinsen bezahlen. Das war neu, führte zu Aufruhr und musste mühsam durch neue Protokolle vertraglich geregelt werden. Collateral läuft heute also tatsächlich unter verkehrten Vorzeichen.

Doch damit nicht genug. Im Jahr 2013 bildete sich die sogenannte WGMR (Working Group on Margin Requirements), eine Arbeitsgruppe für Sicherheitsleistungen im Derivatebereich. Ins Leben gerufen wurde die WGMR vom Basel Committee on Banking Supervision (genau die, die für die Basel I, Basel II und Bassel III  Regulierungen verantwortlich sind), und der International Organization of Securities Commissions (IOSCO). Diese hatten sich zum Ziel gesetzt, neue Anforderungen an das Collateral Management für nicht zentral geclearte Derivate auszuarbeiten. Spätestens jetzt begann die Sache komplex zu werden.

Diese WGMR Arbeitsgruppe hat als wichtige Neuerung beschlossen, dass es künftig nicht mehr reichen wird, Derivate mit ihrem aktuellen Marktwert abzusichern. Bisher war es so, dass täglich berechnet wurde, wie viel ein außerbörslich gehandelter Swap, ein Cap, ein Floor, eine Swaption, ein FX Swap oder FX Forward wert war. Jener Geschäftspartner, der mit einem negativen Marktwert hinten lag, musste dem anderen Geschäftspartner Sicherheiten in dieser Höhe stellen. Je nach individuellem Vertrag gab es noch diese oder jede Besonderheit bezüglich Threshold, Netting oder gültigen Besicherungsinstrumenten, aber im Grunde wurde der tägliche Marktwert als Sicherheit im Falle einer Insolvenz des Geschäftspartners hinterlegt.

Das allerdings war der WGMR Arbeitsgruppe nicht genug. Zusätzlich zum täglichen Marktwert, der als Besicherung getauscht werden sollte, wünschte sich die WGMR eine zusätzliche, anfängliche Sicherheitsleistung. Diese wurde in Anlehnung an börsengehandelte Aktien- und Indexderivate mit „Initial Margin“ bezeichnet. Der Ausgleich des schwankenden Marktwertes hingegen erhielt den Namen „Variation Margin“. Die neue Initial Margin, also die anfängliche Sicherheitsleistung für ein außerbörsliches Termingeschäft, muss übrigens von beiden Parteien hinterlegt werden, ungeachtet, wer mit einem Geschäft im Laufe der Zeit vorne oder hinten zu liegen beginnt.

Die Ideen des WGMR wurden von den Aufsichtsbehörden in vielen Ländern tatsächlich aufgegriffen und mittlerweile in eine Anzahl an Regulierungen übergeführt. Doch ganz so einfach sollte es nicht werden. Denn für die Berechnung der Initial Margin, die je nach Produkt und dessen Risiko abhängig ist, darf jeder Geschäftspartner, wenn er dies denn möchte, ein internes Bewertungsmodell verwenden. Da sich jeder vorstellen kann, dass die Preise interner Bewertungsmodelle so gut wie nie vollkommen identisch sein werden, machten sich die Banken darüber erstmals Sorgen, dass es nunmehr zu laufenden Unstimmigkeiten bezüglich der Bewertung kommen würde.

Daraufhin hat sich die ISDA, die International Swaps and Derivatives Association, ans Werk gemacht, und einerseits selbst eine Bewertungsmethode entwickelt, die sie als Marktstandard etablieren will, sowie die Besicherungsanhänge angepasst. Wirklich einfacher ist es damit aber auch nicht, denn künftig werden Banken mit ihren Geschäftspartner wohl insgesamt vier Besicherungsverträge abschließen müssen:

  1. Besicherungsanhang für „alte“ Geschäfte bezogen auf die Variation Margin (das bisher gültige Dokument)
  2. Besicherungsanhang für „alte“ Geschäfte bezogen auf die Initial Margin, die noch nicht in die neuen Regelungen fallen
  3. Besicherungsanhang für Neugeschäft für die Variation Margin
  4. Besicherungsanhang für Neugeschäft für die Initial Margin

Diese Vielzahl an Verträgen verwirrt, die neuen Modelle stellen vor allem kleinere Institute vor Herausforderungen, und ob die Welt damit sicherer wird, das weiß ohnedies niemand. Gerade kleinere Institute wird es wohl trotzdem treffen. Denn viele der Derivate, die derzeit nicht zentral durch Serviceleister wie SwapsClear gecleared werden können, betreffen das Geschäft kleinerer Banken und Unternehmen. Amortisierende Swaps als Hedge für einen Kredit etwa, sowie Zinscaps, sind Standardprodukte, die im Passivgeschäft sinnvolle Verwendung finden.

Der Deutsche Bankenverband, der den Deutschen Rahmenvertrag sowie dessen Besicherungsanhänge zur Verfügung stellt (das deutschsprachige Pendant zur ISDA) hat erst vor wenigen Tagen ebenfalls einen Entwurf für eine neue Besicherungsdokumentation unter EMIR veröffentlicht, erstmals allerdings nur für die Variation Margin.

Es wird wohl wieder einige Jahre dauern, bis die Welt des Collateral Managements wieder in ruhigeres Fahrwasser kommt. Bis dahin haben alle Beteiligten erstmals wieder viel zu tun, um die neuen Vorschriften umzusetzen, die uns EMIR in Europa für die Besicherung nicht börsengehandelter, nicht zentral geclearter Derivate vorgibt.