Nicht nur in der westlichen Welt liegt die Verschuldung von Unternehmen aktuell auf einem Rekordhoch. Selbst in vielen Emerging Markets haben sich Unternehmen über die vergangenen zehn Jahre hoch verschuldet. Noch nie waren vor allem große Firmen derart gelaveraged. Die Analysten von S&P gehen davon aus, dass etwa 40% großer, amerikanischer Unternehmen ein Debt-to-Earnings von mehr als fünf aufweisen. Gleichzeitig lagen in den vergangenen Jahren aber auch das Volumen von Aktienrückkäufen durch Unternehmen sowie das Dividendenwachstum ausgesprochen hoch. Viele Unternehmen schütteten und schütten sehr viel Geld an ihre Aktionäre aus. Nicht immer kommt das Geld dafür aus besonders hohen Gewinnen.

Neue Schulden für neue Auszahlungen

Tatsächlich kommt es immer häufiger vor, dass Unternehmen Anleihen begeben oder Geld bei Private Equity Investoren aufnehmen, um damit Dividenden, Sonderausschüttungen und Aktienrückkaufprogramme zu bezahlen. Das kann teilweise sogar äußerst groteske Formen annehmen. Ein bekanntes Beispiel aus dem vergangenen Jahr war die versuchte Übernahme von Xerox durch Fuji. Wäre es nach dem Plan von Fuji gelaufen, so hätte die gemeinsame Joint Venture Firma Xerox Fuji 6,1 Milliarden USD an Schulden aufgenommen. Mit diesem Geld hätte das Joint Venture den Anteil, den Fuji an dem Joint Venture hielt, aufgekauft. Mit den 6,1 Milliarden USD in Cash hätte Fuji im Anschluss die Xerox samt der Tochter Xerox Fuji gekauft. Eine Übernahme, ohne selbst dafür einen Cent bezahlen zu müssen, was für sich selbst gesehen schon verrückt klingt. Die Sache wäre dann aber weiter gegangen. Xerox hätte danach nochmals zwei Milliarden an Schulden aufnehmen sollen, um seinen Aktionären eine Sonderdividende zu bezahlen. Die zwei Milliarden schienen den Managern von Xerox aber nicht genug, sie wollten lieber 2,5 Milliarden ausschütten. Alles, um die Aktionäre zur Zustimmung zur „Fusion“ zu bewegen. Ein großer Altaktionär klagte schlussendlich gegen diese Pläne, die so überhaupt erst öffentlich wurden, und aus der Übernahme wurde zumindest vorerst nichts. Doch Xerox ist kein Einzelfall. Dividenden und Rückkaufprogramme werden nicht selten auch über neue Schulden finanziert.

Aktionäre sind nicht immer langfristig dabei

Die Zeiten, in denen Aktionäre langfristig an der Arbeit eines Unternehmens interessiert waren, sind lange vorbei. Selbstverständlich gibt es nach wie vor strategische Investoren, doch in Zeiten des passiven Investment Booms und der indirekten Veranlagung über Versicherungen und Rentenkassen zählen kurzfristige Gewinne, hohe Dividenden und stetige Wachstumszahlen der Gewinne pro Aktie mehr als die langfristige Zukunft eines Unternehmens. Läuft es nicht gut, wird verkauft und anderswo investiert. Das ist für alle Beteiligten gleichzeitig Fluch und Segen. Auf Unternehmensseite steigt der Druck auf das Management, die Dividenden stets auf dem gleichen Wachstumsniveau zu halten. Das gelingt unter anderem über Aktienrückkäufe, da hier die Anzahl der Aktien sinkt und damit der Gewinn pro verbleibender Aktie steigt. Reichen allerdings die Gewinne selbst nicht aus, so wird sich neu verschuldet. In Zeiten niedriger Zinsen, wie wir sie nun lange hatten, kein Problem.

Schulden kosten Geld

Fremdkapital aufzunehmen bedeutet zusätzliche Kosten jetzt und in der Zukunft. Zinsen müssen bezahlt werden, und am Ende der Laufzeit muss getilgt oder refinanziert werden. Das kostet Geld. Wird das geliehene Kapital produktiv so eingesetzt, dass die Rendite aus der Investition höher ist als die Kosten des Kredits, so lohnt sich die Geldaufnahme. Das lernt jeder BWL Student im Grundstudium im Fach Investitionsrechnung. Aber wie sieht es aus, wenn Geld geliehen wird, um damit Dividenden zu bezahlen oder Aktienrückkäufe durchzuführen, und das Geld sofort aus dem Unternehmen abfließt?

Kapital, das fehlt, um zu investieren

Geld das aus dem Unternehmen abfließt bedeutet, dass es diesem nicht mehr für produktive Dinge wie Investitionen in neue Technologien, neue Entwicklungen, Forschung und Entwicklung oder schlicht Ersatzinvestitionen in veraltete Anlagen und Gebäude zur Verfügung steht. Es findet keine Investition in die Zukunft statt. Es steht dem Unternehmen auch nicht mehr für Gehaltserhöhungen oder die Einstellung neuer Experten zur Verfügung. Sind Gewinne erst einmal an die Anteilseigner abgeflossen, sei es in Form von Dividenden, den immer beliebter werdenden Sonderausschüttungen oder Aktienrückkäufen, so wandert ein Großteil davon schlicht auf die Hohe Kante oder wird in den Kauf neuer Aktien und Anlagen gesteckt. Denn bekanntlich handelt es sich bei den meisten Aktionären um die besser situierte Bevölkerungsschicht, die nicht auf den einzelnen Euro mehr oder weniger angewiesen ist. Die Gelder wandern dadurch seltener in den Konsum.

Schulden drücken auf das Wachstum

Schulden kosten Zinsen und damit Geld. Das reduziert die Gewinne eines Unternehmens, denn Zinszahlungen stellen Kosten der Unternehmensführung dar und reduzieren somit den Gewinn eines Unternehmens. Gleichzeitig sinkt dadurch die Steuerbelastung. Das bedeutet der Staat hat weniger Einnahmen aus Unternehmenssteuern. Das Geld fehlt im öffentlichen Haushalt und damit für Investitionen in Infrastruktur, Straßen, Schulen, das Gesundheitswesen, Rentenerhöhungen und für Sozialausgaben. Das wiederum drückt auf das allgemeine Wirtschaftswachstum. Dass die Aktionäre ihren zusätzlichen Geldsegen tendenziell nicht oder nur in geringem Umfang für Konsum ausgeben, kommt zusätzlich hinzu. Doch fehlt der Konsum, ist das auch schlecht für Unternehmen. Ihre Produkte und Dienstleistungen werden weniger nachgefragt. Was auch damit zu tun hat, dass ihre vergangenen Gewinne nicht in den aktiven Wirtschaftskreislauf (Gehälter, Investitionen, Steuern) geflossen sind. Das wiederum bremst das Wachstum der Unternehmen.

Eine schlechte Kombination

Diese ganze Entwicklung geschieht mit Zeitverzögerung und nicht überall auf der Welt in gleicher Höhe und mit gleicher Geschwindigkeit. Das haben volkswirtschaftliche Entwicklungen so an sich. Zudem spielen eine Vielzahl zusätzlicher Variablen mit, wie die Höhe der Zinsen, die wiederum von der Bonität abängt, die wiederum von den Zukunftsaussichten und dem Wirtschaftswachstum abhängt, und von internationaler Nachfrage, die ihrerseits wieder von Zinsen, Inflation und Wechselkursen beeinflusst wird. Trotzdem: Die Kombination aus steigenden Unternehmensschulden bei steigenden Aktienrückkäufen und ständig wachsenden Dividenden ist eine denkbar ungünstige Kombination für unsere Zukunft.