In den 1990ern und 2000ern liefen sie den „Plain Vanillas“ regelrecht den Rang ab: Zinsstrukturen, sowohl auf der Aktivseite als Anleihen und Bonds, aber regelmäßig auch auf der Passivseite in Form strukturierter Kredite. Über die ganze Laufzeit der selbe, langweilige, im Voraus bekannte Zinssatz ohne Chance auf das bisschen Mehr, das war bis zur Finanzmarktkrise in 2008 selten nachgefragt. Weder Privatinvestoren noch Institutionelle wollten sich mit Plain Vanilla zufrieden geben. Es mussten Strukturen sein! Diese wurden von sämtlichen Banken, Brokern und Vermittlern zudem stark beworben. Schließlich versprachen sie den Anlegern nicht nur mögliche Mehrerträge und Kreditnehmern die Chance auf eine ordentliche Zinseinsparung, sondern den Verkäufern, Händlern und Zwischenhändlern zudem satte Gewinnmargen.

Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt

Derivate sind ein wenig wie Lego. Aus relativ wenigen Bausteinen lassen sich die tollsten Figuren fertigen. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Nun gut, die Bewertung wird ab einem bestimmten Grad komplex, aber davon haben sich Banken und Kunden noch nie abhalten lassen. Was mit einfachen Strukturen wie einfach und mehrfach kündbaren Anleihen und kündbaren Stufenzinsanleihen begann, kulminierte in hoch gehebelten CMS Spread TARN Snowball Anleihen und Korrelationskombinationen, die wenig bis nichts mit volkswirtschaftlich begründbaren Gesetzmäßigkeiten oder Grundgeschäften zu tun hatten. Quantos – also Anleihen, deren Optionen in anderen Währungen denominiert waren, und die danach wieder in Euro getauscht wurden – waren gegen Ende ebenso häufig gesehen wie gehebelte CMS (Constant Maturity Swap) und CMS Spread Strukturen. Immer häufiger waren Anleihen kündbar und die Kupons pfadabhängig. 

Lange ging die Sache gut

Eine Zinsstruktur ist am Ende wenig mehr als eine normale Anleihe oder ein normaler Kredit, plus eine oder mehrere Optionspositionen. Je höher das Risiko der verkauften Optionen, desto höher ihr Wert, und desto größer die möglichen Chancen auf Mehrerträge bei Anleihen oder Schuldscheindarlehen oder auf Zinsersparnisse bei Krediten. Besonders auf der Passivseite wurden die Optionspositionen gegen Ende des Booms nicht mal mehr in Kredite selbst verpackt, sondern direkt als Zinsswap – also in Form eines Derivats – gehandelt. Tatsächlich – und im Nachhinein gesehen ausgesprochen erstaunlich – ging die Sache mit den Zinsstrukturen viele, viele Jahre lang gut. Investoren freuten sich über Kupons weit über dem normalen Zinsniveau, und Kreditnehmer sparten im Prozentbereich. Beide wurden über die Jahre blind gegenüber dem Risiko, das sie dafür eingehen mussten. Der große Knall ab 2008 hat Investoren und Kreditnehmer dann hart und vermeintlich aus heiterem Himmel getroffen und dabei so manches Vermögen ausgelöscht und so manche Kommune und Unternehmen in eine finanzielle Katastrophe gestürzt.

Zinsstrukturen am Ende?

Nach 2008 brach der Markt für Zinsstrukturen – so wie für die meisten anderen, strukturierten Investments – dramatisch ein. Handelstische wurden geschlossen oder zumindest stark reduziert, ganze Sales Teams entlassen oder auf andere Produkte gesetzt. Zinsstrukturen wurden totgesagt. Niemand glaubte mehr an ein Comeback.

Das große Vergessen? Kommen Zinsstrukturen gerade zurück?

Vieles auf unserer Welt und in unserem Universum läuft in Wellen und Zyklen, so auch die Wirtschaft. Menschen vergessen, und mit einer neuen Generation kommen neue Ideen und Möglichkeiten. Könnten Zinsstrukturen bald ein neues Comeback erleben? Tatsächlich trauen sich Banken und Emissionshäuser nach und nach wieder zurück in Richtung struktuierte Zinskupons. Bereits seit mehreren Monaten emittiert beispielsweise ein großes, deutsches Institut aus dem Genossenschaftssektor eine gehebelte CMS-Spread TARN Note nach der nächsten. Die Stückelung von 1.000 Euro lässt vermuten, dass die (maximal) 15-jährigen Papiere in Richtung Retail gehen könnten. Und da bekanntlich die Nachfrage das Angebot schafft, werden andere Banken und Broker dem möglicherweise nach und nach folgen.

Aus Alt wird Neu

Für viele Investoren werden die Ideen neu wirken, obwohl sie meist nur lange Jahre in irgendwelchen Schubladen geschlummert haben. CMS, CMS Spread & Co, TARN und Snowball, gehörten vor mehr als einem Jahrzehnt zum Standard. Wer weiß, möglicherweise erleben sie bald ein großes Comeback. Die „Alten Hasen“ von BahlConsult werden dann in jedem Fall gerüstet sein, denn auch wir werden dann in unseren Schubladen kramen und unser Wissen darüber gerne weitergeben.