Wenn die Duration nicht passt, kann es eng werden
Der Kämmerer freut sich. Er kann sich seit geraumer Zeit quasi zum Nullzins über einen Kassenkredit bei der Hausbank finanzieren. Diese Kassenkredite werden mit dem Eonia Satz verzinst, und der Eonia ist seit ziemlich genau zwei Jahren dauerhaft negativ. Aktuell (am 07.04.2017) liegt das Fixing bei -0,353%.
Theoretisch nehmen mit Eonia verzinste Kredite also sogar Zinsen ein. Rein praktisch schiebt hier die Hausbank meist einen Riegel vor, da diese Kredite entweder einen Mindestzins von 0% haben oder einen kleinen Aufschlag, etwa Eonia + 0,50%. Somit sind sie zwar kein Mittel zum Geld verdienen, aber doch sehr nahe am Nullzins. Zumindest im Moment. Deshalb haben viele Kommunen ihre neu anstehende Refinanzierung hauptsächlich über Kassenkredite finanziert. Für längere Laufzeiten müsste die Kommune nämlich deutlich höhere Zinsen bezahlen. Geld, das meist nicht da ist.
Geld zum Nullzins, das klingt für die Kommunen nun erstmal gut. Wäre da nicht die Sache mit der Duration. Denn sie macht die Finanzierung vor allem langfristiger Projekte und Investitionen über kurze Kassenkredite zu einem Pulverfass.
Duration, was ist das?
Die Duration ist eine sehr wichtige Kennzahl im Fixed Income Bereich, also im Handel mit Anleihen, Schuldscheindarlehen und Zinsswaps, sowie deren exotischen Varianten. Die Duration ist aber auch bei Verbindlichkeiten wie Krediten und Pensionsverpflichtungen wichtig. Denn die Duration sagt uns genau, wie lange die (Rück-)Laufzeit des Kapitals einer Anlage oder Verbindlichkeit ist, und zwar gewichtet anhand aller Zahlungsströme.
Als einfaches und sehr anschauliches Beispiel können wir uns eine 10-jährige, fix verzinste Anleihe vorstellen, in die wir 1.000 Euro investiert haben. Jedes Jahr erhalten wir 4% Zinsen, also 40 Euro. Nach 10 Jahren erhalten wir unsere 1.000 Euro zurück, plus unsere letzte Zinszahlung von 40 Euro, also 1.040 Euro. Wir wollen nun wissen, wie lange wir im Schnitt auf das uns versprochene Geld warten müssen, also wie lange unser Geld im Schnitt gebunden ist.
Die ersten 40 Euro erhalten wir nach einem Jahr, im zweiten Jahr wieder 40 Euro, und so fort, und im Jahr 10 erhalten wir 1.040 Euro. Setzen wir das in die Formel für die Duration ein, erhalten wir als Ergebnis eine Duration von 8,12 Jahren. Im Durchschnitt erhalten wir also unser Geld nach 8,12 Jahren.
Als Vergleich nun eine Nullkuponanleihe. Diese zahlt während der Laufzeit keine Zinsen. An die Stelle der Zinsen tritt der Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabekurs und Tilgungskurs. Angenommen, wir hätten wieder 1.000 Euro investiert, und nach 10 Jahren erhalten wir 1.500 Euro zurück. Die Duration dieser Anleihe beträgt exakt 10 Jahre, was der Laufzeit entspricht. Denn die einzige Zahlung erfolgt am Ende der Laufzeit. Somit müssen wir auf das ganze, uns zugesagte Geld bis zum Ende warten, also genau 10 Jahre.
Die Duration hilft uns bei der Risikoeinschätzung
Die Duration ist deshalb so wichtig, weil sie uns dabei hilft, das Risiko von Anlagen und Zahlungsverpflichtungen einzuschätzen. Sie ist eine wichtige Kennzahl für die Höhe des Zinsrisikos. Denn je länger die Duration und damit die durchschnittliche Zeit, die es dauert, bis die Zahlungen fließen, desto höher ist auch die Anfälligkeit gegenüber Änderungen im allgemeinen Zinsniveau.
Die Duration von Aktiva und Passiva sollte übereinstimmen
Große Unternehmen, Versicherungen aber auch Kommunen haben eine Vielzahl unterschiedlicher Zahlungsverpflichtungen. Manche davon liegen weit in der Zukunft, wie etwa ein lang laufender Kredit, aber auch Dinge wie Rentenzusagen. Kurzfristige Verbindlichkeiten beinhalten etwa Gehälter und Sozialabgaben oder Kreditzinsen.
Diesen Verpflichtungen stehen sogenannte Aktiva gegenüber. Das sind bei einer Kommune etwa Einnahmen und Forderungen etwa aus der Grund- und Gewerbesteuer, aber auch Rücklagen und Vermögenswerte wie Anteile an Unternehmen, Gebäude, Infrastruktur, Geldbestände, Grundstücke und diverse Finanzanlagen.
Idealerweise entspricht die Duration der Verbindlichkeiten, also der Passiva, der Duration der Vermögenswerte, also der Aktiva. Das stellt sicher, dass Einnahmen und Ausgaben ihr jeweiliges Zinsrisiko aneinander ausgleichen können. Klafft die Duration von Aktiva und Passiva allerdings auseinander, spricht die Fachwelt von einem „Duration Mismatch“, also einer nicht zusammen passenden Duration.
Bei vielen Kommunen ist die Duration zwischen Aktiva und Passiva in eine starke Schieflage geraten. Denn zu einem guten Teil läuft die kommunale Finanzierung heute über kurze Kassenkredite. Deren Duration ist minimal.
Kassenkredite sind zur kurzfristigen Überbrückung gedacht, werden aber vielfach dauerhaft eingesetzt
Dabei sollten Kassenkredite eigentlich nur dem kurzfristigen Liquiditätsausgleich dienen, also etwa eine Überbrückung, wenn in Kürze Einnahmen erwartet werden. Tatsächlich werden die als kurzfristig gedachten, kommunalen Kassenkredite heute vielfach als genereller Bestandteil der Finanzierung gesehen. Im Haushaltsplan ist dafür i.d.R. eine Höchstgrenze festgeschrieben, die allerdings in den meisten Fällen riesig ist. Eine Stadt in meiner Nähe etwa, mit 150.000 Einwohnern, hat sich eine Obergrenze von 150 Millionen Euro für Kassenkredite gesetzt. Das ist in etwa so, als würde jemand den Kauf seines Hauses dauerhaft mit dem Überziehungsrahmen seines Girokontos finanzieren. Oder sich mit dem Geld aus der Girokontoüberziehung mal schnell ein paar Aktien, Anleihen oder Schuldscheindarlehen mit langer Laufzeit kaufen (siehe dazu unseren Beitrag: „Mit Schulden Geld verdienen“).
Steigen die Zinsen am kurzen Ende, droht Ungemach
Die Finanzierung großer Teile des Haushalts über kurze und derzeit extrem günstige Kassenkredite geht so lange gut, so lange die Zinsen am kurzen Ende niedrig bleiben. Auf immer und ewig wird das wahrscheinlich nicht der Fall bleiben. Schon regt sich im Rat der EZB die ein oder andere Stimme, die auf ein baldiges Ende der Geldschwemme und für einen Anstieg der Zinsen plädiert. Damit würden auch die Eonia Sätze steigen, mit denen die Kassenkredite verzinst sind. Gleichzeitig dürften auch die Zinsen für längere Laufzeiten anziehen, und schon steht die Kommune vor einem Scherbenhaufen. Denn die Refinanzierung wird teuer werden. Das ganze Konstrukt aus kurzen, billigen Kassenkrediten und langen Anlagen bricht in sich zusammen.
Eine ausgeglichene Duration mindert das Zinsrisiko für Kommunen
Nicht alle Kommunen setzen Kassenkredite in gleichem Maße ein. Jene Kämmerer, die bereits heute auf den Durationsausgleich achten und langfristige Finanzierungen mit entsprechend hoher Duration einsetzen, werden durch einen künftigen Anstieg der Zinsen am kurzen Ende nicht aus dem Gleichgewicht kommen. Für alle anderen könnte es eng werden. Denn wer heute finanziell davon profitiert, dass er das Gebot des Durationsausgleichs zwischen Aktiva und Passiva außer Acht lässt, könnte später um ein Vielfaches dafür büßen müssen. Das Zinsrisiko zu missachten kann sehr teuer werden!