Immer mehr Städte kaufen am laufenden Band Schuldscheindarlehen in Millionenhöhe. Obwohl sie hoch verschuldet sind. Warum also investieren diese Städte wie verrückt Millionen und wieder Millionen in Schuldscheindarlehen? Die Antwort klingt erst einmal wenig logisch: Gerade, weil sie hohe Schulden haben. Sie wollen damit ihre Finanzen aufbessern. Denn viele Kommunen stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand.

Bei ihren Hausbanken nehmen diese Kommunen günstige Kredite auf. Öffentliche Schuldner erfreuen sich einer nach wie vor guten Bonität und damit vergleichsweise niedriger Zinsen. Zudem erhalten Kommunen relativ einfach Kredite.

Mit dem Geld aus den Krediten kaufen diese Kommunen nun Schuldscheindarlehen. Die Zinsen, die sie auf die gekauften Schuldscheindarlehen erhalten, sind höher als die Kreditzinsen, welche die Kommune an ihre Hausbank zahlen muss. Dieser Carry Trade ist allerdings nicht ohne Risiko für die Kommunen. Denn die Schuldner, denen die Kommunen ihr selbst nur geliehenes Geld weiter verleihen, haben ein Ausfallrisiko.

Die Schuldner, die sich in Form von Schuldscheindarlehen Geld bei den Kommunen leihen, sind Unternehmen, die sich dadurch günstiger finanzieren als über einen Kredit. Zudem ist ein Schuldscheindarlehen häufig unbürokratischer und schneller als der klassische Weg über die Bank. Möglicherweise sind diverse Kreditlinien dort bereits ausgeschöpft oder die Risikoaufschläge hoch.

Wie kommen die Kommunen überhaupt auf diese Idee? Durch (Investment)Banker und Finanzvermittler. Denn diese verdienen an der Vermittlung der Schuldscheindarlehen sehr gut. Bei jedem Trade fällt ein ordentlicher Spread für die vermittelnde Bank, den Broker oder die Kette an Vermittlern ab. Risikolos versteht sich.

Die Vermittlung von Schuldscheindarlehen ist dabei für Banken in mehrerlei Hinsicht attraktiv. Sie müssen selbst keinen Kredit vergeben. Denn eine Kreditvergabe kostet Eigenkapital und birgt Risiken. Durch die Vermittlung des Schuldscheindarlehens erfüllt die Bank trotzdem das Bedürfnis von Unternehmen nach frischem Geld. Die Bank bindet einen Kunden an sich, den sie möglicherweise zuvor nicht hatte, und sie verdient sehr viel Geld schlicht dadurch, dass sie mehrere Basispunkte des Zinses als Marge oder Gebühr einbehält. Für Broker und Finanzvermittler ist es die lukrative Marge, die sie anlockt.

Dabei ähnelt ein Schuldscheindarlehen einem Kredit sehr. Es handelt sich nicht um ein Wertpapier, sondern um eine Schuld nach BGB. Entsprechend gibt es keine formalen Anforderungen zur Dokumentation, keine Informationspflichten des Emittenten, keine Prospektpflicht und auch sonst keine Vorgaben, wie sie etwa für Anleihen gelten. In der Praxis erhält der Gläubiger im Gegenzug für sein Geld – oft mehrere Millionen Euro – ein ziemlich kurzes, zwei- bis dreiseitiges Schreiben, in dem nicht viel mehr als die Eckdaten der Geldleihe festgehalten sind.

Banken führen bei jeder Kreditvergabe weitreichende Überprüfungen durch. Sie beschäftigen nicht umsonst riesige Abteilungen, die sich mit nichts anderem befassen. Denn das Kreditgeschäft birgt große Risiken. Selbst Kredite, die zuvor eingehend geprüft wurden, können notleidend werden und entweder teilweise oder ganz ausfallen. Dafür hält jede Bank Reserven vor.

Doch wie sieht die Due Diligence bei den Kommunen aus, die sich auf diesen Carry Trade einlassen? Haben sie überhaupt die nötige Expertise, die Zeit und die Erfahrung, ganz zu schweigen von den Werkzeugen, die helfen, den Schuldner und sein Kreditansuchen risikomäßig zu beurteilen und vor allem auch zu bewerten? Je höher das Risiko, desto höher muss der Risikoaufschlag und damit der Zins ausfallen. Oder vertrauen die Kämmerer ihren Bankern und Finanzvermittlern in dieser Hinsicht blind? Vertrauen sie darauf, dass der Banker sich Gedanken gemacht hat und der Zins auf das Schuldscheindarlehen schon okay sein wird?

Ein wenig erinnert die Situation an die Zeit der Zinsswaps, die vielen Kommunen vor gut zehn Jahren von ihren Bankern nicht zur Absicherung, sondern als sogenannte „Zinsvergünstigungsstrategien“ schmackhaft gemacht wurden. Auch damals kontaktierten die Banker und Broker massenweise Kämmerer, zeigten diesen bunte Präsentationen, erfolgversprechende Charts und redeten klug daher. Es wurde zum Essen eingeladen, und selbst internationale Investmentbanken gaben sich in ihren schicken Anzügen in deutschen Rathäusern die Klinke in die Hand.

Die großen Zeiten der Zinsswaps sind heute vorbei. Geblieben ist weiterhin die finanzielle Not vieler Städte und Kommunen. Und damit eine gewisse Anfälligkeit für schöne Versprechungen, wie man schnell, einfach und kostenlos zu einer kleinen Extraeinnahme kommen kann.

Der Carry Trade ist aber alles andere als risikolos. Solange es keine Ausfälle bei den Schuldscheindarlehen gibt, läuft dieses Zinsspiel ungehindert weiter. Die ersten, schönen Zinseinnahmen, die netto Geld in die leere Kasse spülen, motivieren zu weiteren Geschäften. Was aber, wenn die ersten Ausfälle kommen? Ein Spiel mit dem Feuer!

Den Gewinn teilen die Kommunen mit den Banken und Brokern. Das Risiko tragen die Kommunen alleine.