Der Anleger möchte fair und korrekt beraten werden
Ein Anleger, der sich zu seinen Investitionen von einem Experten beraten lässt, erwartet, dass er ehrlich, unabhängig und vor allem in seinem Interesse beraten wird. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Leider, das wissen wir nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch durch eine ganze Fülle an Studien, Gerichtsprozessen und Erfahrungsberichten Betroffener, gibt es gerade bei der Finanzberatung viele Schwachstellen und Interessenkonflikte, die zum Nachteil des Anlegers wirken. Immer wieder werden Anlagen nur deshalb verkauft, weil der Verkäufer dafür hohe Provisionen bekommt, und nicht, weil das Investment für den Anleger genau das Passende ist.
Offenlegen von Provisionen seit MiFID II
Die Problematik, dass Provisionen für die Vermittlung von Finanzanlagen, Versicherungen und Krediten falsche Anreize schaffen, ist auch den Regulierungsbehörden bekannt. Die Provisionsvermittlung komplett abzuschaffen wäre die naheliegendste Lösung. Im Vereinigten Königreich ist das tatsächlich geschehen. Im Rest der Welt tut man sich damit offensichtlich schwer, was auch an einer übermächtig starken Lobby der Finanzwirtschaft liegen mag. Denn diese kämpft mit Nägeln und Klauen gegen jegliche Veränderungen im Modell der Provisionen.
Unter MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive) ist es dennoch gelungen, zumindest eine gewisse Verbesserung für Anleger zu erreichen. So dürfen sich „Berater“, die Provisionsberatung machen, also für ihre Vermittlung vom Produktanbieter Geld bekommen, nicht mehr unabhängige Berater nennen. Zudem müssen die Provisionen und ihre Höhe offengelegt werden. Das ist zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
In den USA: Die Fiduciary Rule
Unter einem Fiduciary versteht man jemanden, der treuhändisch handelt. Gemeint ist jemand, der ganz im Sinne einer anderen Person agiert. Denn auch in den USA ist das Thema Falschberatung, falsche Anreize und Interessenkonflikte ein heißes Thema. Seit vielen Jahren wird darüber nicht nur diskutiert, sondern wild gestritten. Im Jahr 2015 kam eine Studie des Weißen Hauses unter Obama zu dem Ergebnis, dass allein bei Investitionen in Produkte der privaten Altersvorsorge jährlich (!) 17 Milliarden US-Dollar durch Interessenkonflikte verloren gehen. Denn durch Provisionen und die daraus resultierende, schlechtere Beratung, erwirtschaften Investoren am Ende deutlich niedrigere Renditen.
Als Antwort darauf wurde in den Jahren 2015-2016 vom Department of Labor (DOL), also dem Ministerium für Arbeit, ein Gesetz erarbeitet: Die Fiduciary Rule. Sie schreibt strenge Standards vor, die für die Beratung von Investoren, die unter den Schutz des DOL fallen, gelten sollen. Das betrifft jeden, der bezüglich seiner Altersvorsorge beraten wird.
Eigentlich hatten viele Marktteilnehmer erwartet, dass die SEC, die Securities and Exchange Commission, hier tätig wird, denn im Dodd-Frank Act war ihr genau dafür die Zuständigkeit gegeben worden. Doch lange blieb die SEC – wohl auch auf Druck vieler Interessenverbände der Finanzindustrie – hier untätig. Das Department of Labor verabschiedete deshalb im Alleingang seine DOL Fiduciary Rule. Sie besagt, dass jeder Finanzakteur, der einen Investor zu Anlagen der Altersvorsorge berät, dem hohen Standard eines Treuhänders unterliegt, vor allem, was Provisionen und Interessenkonflikte angeht. Zudem muss der Berater eine Fülle an Anforderungen erfüllen und sich an viele, verschiedene Vorschriften halten. Erst 2017 wurde die SEC selbst tätig, um entsprechende Standards zu erarbeiten, die über die Altersvorsorge hinaus reichen.
Die DOL Fiduciary Rule wurde unter Obama beschlossen. Die Finanzindustrie wehrte sich mit Zähnen und Klauen dagegen, es wurde über Jahre hinweg erbittert gekämpft, geschimpft und gedroht. Im Februar 2017 erließ Präsident Trump in einem präsidialen Erlass, dass die DOL Fiduciary Rule zunächst um 180 Tage aufgeschoben werden muss und zudem das Gesetz überarbeitet werden soll. Entsprechend konnte die Fiduciary Rule nicht wie geplant Mitte 2017 in Kraft treten. Einige Teile sind aktuell bis 2019 verschoben, und das DOL warnt auf seiner Webseite, dass Teile der Fiduciary Rule aufgrund des Erlasses von Präsident Trump noch abgeändert werden könnten.
Der unerbittliche Kampf der Finanzindustrie
Obwohl die DOL Fiduciary Rule bereits vor zwei Jahren beschlossen wurde, tobt weiterhin ein unerbittlicher Kampf. Die Lobby der Finanzindustrie droht mit Entzug von Fördergeldern und argumentiert weiter damit, dass die neuen Regelungen das Beratungsangebot für kleine Investoren abschaffen würde. Das wiederum lässt im Umkehrschluss die Frage zu, ob die „kleinen Anleger“ nur deshalb von „Beratern“ zu ihren Finanzen beraten werden, weil diese sich satte Provisionen in die Tasche stecken wollen. Es geht, wohlgemerkt, um viel Geld. Glaubt man der Studie des Weißen Hauses, geht es allein bei der Altersvorsorge um 17 Milliarden Dollar jährlich. Zählt man alle anderen Anlagen abseits der privaten Altersvorsorge noch hinzu, wird einem von der Höhe der Provisionen und dem dadurch auf die Finanz- und Anlageberaterindustrie umverteilten Vermögen regelrecht schwindlig.
Die Öffentlichkeit ist aufmerksamer geworden
Die Finanzindustrie mag durch die Verzögerung und die vielleicht bald erzwungenen Abschwächungen und Veränderungen der DOL Fiduciary Rule einen Etappensieg gewonnen haben. Was die hitzige Debatte aber auch bewirkt hat, ist ein höheres Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit zum Thema Interessenkonflikte in der Finanzberatung. Selbstverständlich obliegt es am Ende auch der Verantwortung der Anleger selbst, hier für sich selbst den richtigen Berater und die passenden Angebote zu sondieren. Ein gesetzlicher, regulatorischer Schutz gerade kleiner, privater Anleger ist trotzdem nötig, denn gerade hier ist die Asymmetrie des Wissens über die Funktion des Finanzmarktes und der Produkte besonders groß.