Willkommen zur Beitragsreihe „Regulierung einfach erklärt„. Ein Service Ihrer auf den Finanzmarkt spezialisierten Unternehmensberatung BahlConsult GmbH.
Informationsblätter für komplexe Produkte
Die Verordnung über die sogenannten „Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte“ ist seit 1. Januar 2018 in Kraft. Beschlossen wurde die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 bereits im November 2014, aber wie so oft wurde den Finanzdienstleistern eine lange Zeit eingeräumt, um die neuen Regeln umzusetzen.
Gemäß dieser Verordnung muss jedem Kleinanleger, bevor er oder sie ein strukturiertes Finanzprodukt erwirbt, ein einheitliches Basisinformationsblatt zur Verfügung gestellt werden. Das Informationsblatt muss dem Anleger von demjenigen zur Verfügung gestellt werden, der das betreffende Finanzprodukt verkauft oder vermittelt, und zwar kostenlos und unaufgefordert, und auf Nachfrage sogar zwingend in Papierform.
Strukturierte Anlageprodukte für Kleinanleger
Die Abkürzung PRIIPs steht für den englischsprachigen Begriff „Packaged Retail and Insurance-based Investment Products“. Gemeint sind strukturierte Produkte, die Kleinanlegern angeboten werden. Als Kleinanleger gilt hier jeder, der nicht als professioneller Kunde eingestuft wird, also Privatanleger. Die PRIIPs Verordnung gilt nicht für Produkte, die ausschließlich an institutionelle Investoren verkauft werden, also solche Anleger, die ihre Anlagen im Rahmen ihres Unternehmens erwerben.
Was gilt als PRIIP?
Als „verpacktes Anlageprodukt“ im Sinne der PRIIPs Verordnung gelten alle Finanzprodukte, die Kleinanlegern angeboten werden, bei denen die Rückzahlung der Anlagesumme von einem anderen Vermögenswert oder Index abhängt, und dieser Schwankungen unterliegen kann. Die Rechtsform des Finanzprodukts spielt dabei keine Rolle. Damit gelten automatisch sehr, sehr viele Produkte als PRIIPs, etwa Investmentfonds, strukturierte Anleihen, Zertifikate, strukturierte Schuldscheindarlehen, Sparverträge und Lebensversicherungen mit Anlagekomponente, ETFs (Exchange Traded Funds), ETCs (Exchange Traded Commodities), Private Equity Produkte, sämtliche Derivate, Optionsscheine, und schlicht alle Finanzprodukte, bei denen der Anbieter (meist eine Bank, aber das kann auch eine Zweckgesellschaft oder Fondsgesellschaft sein) Basisprodukte wie Aktien, Anleihen, Derivate oder bestimmte Assets (Beteiligungen, Immobilien, etc.) erwirbt und diese dann in Form eines anderen Produktes „verpackt“ und vertreibt. Ausgenommen sind bestimmte Altersvorsorgeprodukte, wenn sie im Alter ausschließlich als Annuität ausbezahlt werden können.
Informationsblätter sollen beim Vergleichen helfen
Der Hauptzweck, den die Verordnung verfolgt, ist neben einer besseren Aufklärung über Chancen und vor allem Risiken vor allem die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Produkte. Denn gerade bei komplizierten Finanzprodukten kann der ungeschulte Investor oder Kreditnehmer die verschiedenen Dokumente – die bisher meist auch noch in Sprachen angeboten wurden, die häufig nicht die Muttersprache des Anlegers ist – nicht vergleichen. Das soll sich durch einheitliche Informationsblätter nun ändern.
Online erhältlich und immer aktuell
Die Basisinformationsblätter zu sämtlichen, strukturierten Kleinanlegerprodukten müssen vom Emittenten erstellt werden, noch bevor die Produkte den Anlegern angeboten werden. Die Informationsblätter müssen zudem online auf der Webseite des Anbieters verfügbar sein, und zwar mindestens so lange, wie das Produkte im Sekundärmarkt gehandelt werden kann. Zusätzlich müssen die Informationsblätter über die gesamte Lebensdauer des Produkts aktuell gehalten werden.
Klar verständlich und nicht irreführend
Die Informationsblätter müssen nicht nur bestimmte Informationen enthalten, sondern sie müssen zudem auch für Kleinanleger verständlich geschrieben sein. Die Verordnung schreibt explizit vor, dass die verwendete Sprache und die Terminologie so gewählt werden müssen, dass ein interessierter Kleinanleger die gesamte Information auch ohne zusätzliche Hilfsmittel verstehen kann. Zudem muss die Information „richtig, redlich und klar“ sein und darf den Kleinanleger „nicht in die Irre führen“. Übrigens können Kleinanleger einen Emittenten dafür haftbar machen, wenn das Informationsblatt irreführend oder fehlerhaft war und dem Anleger ein Schaden entstanden ist!
Basisinformationsblätter ersetzen nicht den Prospekt!
Die Basisinformationsblätter sind – wie schon ihr Name verrät – eine sehr grobe Basisinformation. Sie müssen kurz gehalten werden und informieren in einem einheitlich vorgegebenen Format über die wesentlichen Inhalte. Die exakten Details des Produkts sowie eine genaue Beschreibung aller damit verbundenen Risiken und der Funktionsweise sind weiterhin im jeweiligen Prospekt enthalten. Dass der Anleger genau diesen Prospekt (meist mehrere hundert Seiten) erhalten, gelesen und verstanden hat, unterschreibt er in der Regel vor dem Kauf des Produkts.
Keine Werbung!
Die Basisinformationsblätter sollen kein Werbematerial sein! Auch wenn sie „nur“ grundlegende Informationen enthalten, dürfen sie trotzdem nicht mit Werbebroschüren verwechselt werden, und sie müssen sich von Werbematerial klar abheben. Es darf auch keine Querverweise auf Marketingmaterial enthalten!
Maximal drei A4 Seiten in Landessprache
Das Basisinformationsblatt muss kurz gehalten werden und darf maximal drei Seiten im A4 Format umfassen. Die Schriftgröße muss dabei aber noch gut leserlich sein. Zudem muss das Design so gewählt werden, dass man das Blatt einwandfrei kopieren kann. Logos dürfen zudem nicht vom Text ablenken. Wichtig und neu ist nun auch, dass das Basisinformationsblatt in der jeweiligen, offiziellen Landessprache (oder den Landessprachen) verfasst sein muss, wo das Produkt vertrieben wird. Ein in Deutschland oder Österreich vertriebenes Produkt muss als auch in deutscher Sprache geschrieben sein. Englisch reicht nicht mehr!
Der Inhalt und die Reihenfolge sind exakt vorgeschrieben
Es beginnt schon beim Titel. Ganz oben muss das Wort „Basisinformationsblatt“ geschrieben stehen, gefolgt von diesem Satz: „„Dieses Informationsblatt stellt Ihnen wesentliche Informationen über dieses Anlageprodukt zur Verfügung. Es handelt sich nicht um Werbematerial. Diese Informationen sind gesetzlich vorgeschrieben, um Ihnen dabei zu helfen, die Art, das Risiko, die Kosten sowie die möglichen Gewinne und Verluste dieses Produkts zu verstehen, und Ihnen dabei zu helfen, es mit anderen Produkten zu vergleichen.“
Danach müssen folgende Inhalte und Informationen folgen (in genau dieser Reihenfolge):
- Produktname, Emittent, zuständige Behörde, Erstellungsdatum des Blattes
- Um welches Produkt handelt es sich (Art, Ziel, Funktion, Laufzeit, Versicherungsleistung, etc.)
- Risiken und Renditeprofil (höchstmöglicher Verlust, also ob ein Totalverlust möglich ist, Höchstgrenzen, Performance Szenarien und deren Annahmen, Steuern, etc.)
- Was geschieht, wenn der Emittent insolvent wird?
- Welche Kosten entstehen? Das sind direkte und indirekte Kosten, absolut und in Prozent angegeben, sowie ein Hinweis, dass Verkäufer und Vermittler detaillierte Informationen zu den Vertriebskosten geben müssen, wenn diese in der Aufstellung nicht enthalten sind.
- Haltedauer und vorzeitige Rückgabe: Wie lange sollte die Anlage gehalten werden, und ob und wie und unter welchen Bedingungen und Kosten kann man vorzeitig an sein Geld kommen? Gibt es eine Widerrufsfrist oder Bedenkzeit?
- Beschwerdestelle(n)
- Informationen über sonstige, verfügbare Unterlagen (z.B. rechtlich verbindlicher Prospekt, Verträge, etc.)
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