Kleine Anleger haben es schwer
Als Kleinanleger und kleiner institutioneller Investor hat man es nicht leicht. Die Produktvielfalt ist groß, die Dokumentation kompliziert, und die meisten Berater wollen uns doch nur wieder irgend eines ihrer eigenen Produkte verkaufen, für die sie eine Provision erhalten. Hat man sich irgendwann doch für eines der vielen Produkte im großen Universum der Börsen, Banken, Fonds, Versicherungen und sonstigen Anbietern entschieden, kommt die nächste Herausforderung. Wo kaufe ich mir die Aktie, den ETF (Exchange Traded Fund) oder das Zertifikat am günstigsten ein? Schließlich geht es um Ordergebühren und sonstige Depot- und Transaktionskosten. Beim Vergleich von Anbietern wird uns abermals schwindelig, so unterschiedlich und undurchsichtig sind die Gebührenstrukturen der Banken, Sparkassen und Online Broker. Wir wählen den mit den günstigsten Gebühren, und freuen uns, dass wir uns diesmal nicht übervorteilen haben lassen.
Best Execution heißt nicht gleich bester Preis
Doch leider, leider haben wir hier eine Kleinigkeit übersehen. Die Best Execution. Und diese bezieht sich nicht nur auf den Preis, sondern verkauft uns ein Gesamtpaket aus verschiedenen Faktoren wie Kosten, Schnelligkeit, Ausführungswahrscheinlichkeit und anderen relevanten Faktoren. Natürlich wollen wir, dass unser Kaufauftrag zum allergünstigsten Preis im Markt ausgeführt wird. Schließlich haben wir nichts zu verschenken, und jeder Cent, den wir billiger einkaufen, erhöht unseren Ertrag. So leicht allerdings machen es uns die Broker und Banken in der schönen, weiten Finanzwelt nicht. Auch nicht die neuen FinTechs und Robo Advisors. Denn hier lauert der nächste Fallstrick für den Kleinanleger sowie für kleinere institutionelle Investoren: Payment for Order Flow.
Payment for Order Flow: Geld für Kundenaufträge
Hinter dem holprigen Namen „Payment for Order Flow“ (gerne abgekürzt mit PFOF), was frei übersetzt soviel heißt wie Geld für Kundenaufträge, verbirgt sich ein Anreizsystem, das meist unbemerkt im Hintergrund abläuft. Es funktioniert so: Meine Bank schließt mit einer großen Investmentbank oder einem großen Wertpapierhandelshaus (nennen wir es den Broker) einen Vertrag ab. Darin steht geschrieben, dass meine Bank dem Broker alle Kundenaufträge exklusiv zur Ausführung zuschickt. Der Broker kann dann entscheiden, was er damit macht, ob er meinen Kaufauftrag also intern gegen andere, eigene Verkaufsaufträge ausführt, oder ob er meine Order, weil sie gerade nicht zu den internen Geschäften passt, einfach an die Börse weiter schickt. Das macht er nicht nur mit meinem Auftrag, sondern mit allen, die ihm meine Bank und andere Banken, mit denen er einen solchen Vertrag hat, schickt. Das lohnt sich für den Broker. Denn so kann der Broker die für ihn passenden Orders herausfiltern, zu seinen Gunsten nutzen und den Bid-Offer-Spread kassieren. Rein technisch gesehen kauft sich der Broker damit eine Option auf die Orders der Kleinanleger. Dafür erhält meine Bank eine Belohnung in Form einer regelmäßigen, auf den Umsatz basierenden Geldzahlung.
Über die AGBs meiner Bank habe ich dem Payment for Order Flow selbstverständlich zugestimmt, sowie großzügigerweise unterschrieben, dass meine Bank die Kickbacks, die sie aus diesem PFOF-Vertrag erhält, ganz und gar für sich selbst behalten darf. Auch wenn sie per Gesetz grundsätzlich mir zustehen würden, denn der Geldrückfluss betrifft meinen Kaufauftrag. Nun gut, so geht es uns nicht nur mit dem PFOF-Geld, sondern mit sämtlichen Provisionen, die unsere Bank einnimmt, wenn sie uns Produkte verkauft. Die schöne Welt der AGBs.
Selbstverständlich, so betonen alle beteiligten Banken und Broker, würde ein Payment for Order Flow Vertrag nichts an der Best Execution, also der bestmöglichen Ausführung der Kundenaufträge, ändern. Ganz im Gegenteil würden durch PFOF Vereinbarungen die Aufträge häufig schneller und sogar günstiger ausgeführt. Schließlich sind die Banken unter MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) zu Best Execution verpflichtet. Zudem würden solche Verträge die Transaktionskosten für Retail Investoren vergünstigen.
In den USA üblich, im UK verboten, unter MiFID I noch erlaubt
In den USA ist dieses System der Payment for Order Flow sehr weit verbreitet und an der Tagesordnung. Schätzungen zufolge werden nahezu 100% der Retail Geschäfte in den USA internalisiert und über Payment for Order Flow Verträge vergütet. In Großbritannien hingegen sind Payment for Order Flow Vereinbarungen seit 2012 untersagt. Neuere Studien, welche die Entwicklung von Kundenaufträgen in Großbritannien seit 2012 untersucht haben, kommen übrigens zu dem Ergebnis, dass sich seit 2012 die Qualität der Ausführungen verbessert hat. Die Studie des CFA Institute „Payment for Order Flow in the United Kingdom“ etwa kommt zu dem Ergebnis, dass sich zwischen 2010 und 2014 in Großbritannien der Anteil der Kundenaufträge, die zum besten Marktquote ausgeführt wurden, von 65% auf 90% erhöht hat.
Im Rest der EU ist Payment for Order Flow derzeit noch erlaubt, denn unter MiFID I, das seit 2007 gilt und erst Ende 2017 – ein Jahr später als geplant – vom strengeren MiFID II abgelöst wird, ist PFOF erlaubt, solange die Vertragspartner die Eckpunkte der Best Execution einhalten.
Strengere Regelungen unter MiFID II
Ab 2018 tritt endlich MiFID II in Kraft. Darin wird unter anderem auch die Best Execution neu geregelt. Denn Best Execution bedeutet nunmal eben nicht automatisch den billigsten Preis, sondern umfasst viel mehr. In Artikel 27 von MiFID II wird Best Execution anhand des „Kurses, der Kosten, der Schnelligkeit, der Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Abwicklung des Umfangs, der Art und aller sonstigen, für die Auftragsausführung relevanten Aspekte“ definiert. Meine Bank muss in meinem besten Interesse handeln. Und welches das ist, entscheidet die Bank für mich. Allerdings werden Vergütungen und Rabatte sowie nicht-monetäre Vorteile für die Weiterleitung von Kundenaufträgen unter Mifid II untersagt. Es dürfen also ab 2018 innherhalb der EU keine direkten Kickback Zahlungen mehr fließen. Damit lehnt sich MiFID II an die geltenden Regeln aus Großbritannien und die Position der britischen FCA (Financial Conduct Authority) an. Die Internalisierung von Aufträgen bleibt aber weiterhin erlaubt. Allerdings müssen Informationen zur Ausführungsqualität öffentlich gemacht werden.
Für einige Broker wird das Wegfallen der Internalisierungstrades in der EU einen deutlichen Einschnitt ihres Geschäftsmodells bedeuten. Es wird sich zeigen, ob die Marktteilnehmer eine kreative, neue Lösung finden, Artikel 27 zu umgehen, oder ob PFOF in der EU tatsächlich bald der Vergangenheit angehören wird. Für die Transparenz, Integrität und Fairness wäre die Abkehr von Pay for Order Flow Praktiken wahrscheinlich eine gute Sache.