BahlConsult GmbH: Ihre unabhängigen Experten für Derivate, Swaps und strukturierte ProdukteJeder Investor und selbst die Profis im Finanzmarkt können davon ein Lied singen. Die Produkte, die angeboten werden, sind über die Jahre zunehmend komplex geworden. Selbst erfahrene Banker, Wirtschaftsanwälte und Wirtschaftsprüfer brüten oft lange über einzelnen Produktdokumentationen. Reihum vom Privatmann und die Privatfrau über den Kämmerer, den Fondsmanager bis hin zum Stiftungvorstand werden komplexe Produkte gekauft, die im Grunde weder der Kunde noch der Vertrieb der Bank oder des Brokers so richtig verstanden hat. Natürlich, irgendwo im Hintergrund gibt es eine Hand voll Experten – Physiker, Mathematiker, Programmierer – die das jeweilige Zertifikat, den exotischen Swap, die komplexe Anleihe oder die Option strukturiert und bewertet haben. Doch selbst diese kennen sich nur in ihrer jeweiligen Produktnische aus. Hinzu kommt eine überbordende und komplizierte Dokumentation.

Dass kaum jemand das Kleingedruckte liest, zumindest nicht in Gänze, ist häufig nicht einmal verwunderlich. Als Beispiel möchte ich ein ganz gewöhnliches Structured Notes Programm einer nordeuropäischen Bank mit gutem Namen bringen. Dieses stellt weder eine Ausnahme dar noch ist dem Programm sonst irgendetwas anzulasten. Wie die meisten Banken emittiert diese nordeuropäische Bank ihre strukturierten Anleihen über ein sogenanntes Rahmenprogramm. Dafür wird ein Rahmenprospekt erstellt und je nach Bedarf werden einzelne Anleihen mit sogenannten Pricing Supplements begeben. Referenziert wird dabei auch immer auf den Basisprospekt. Will ich also eine strukturierte Anleihe von dieser Bank kaufen, die diesem Programm zuzurechnen ist, muss ich mir theoretisch folgende Dokumente durchlesen, die es dazu gibt, und bei Kaufabschluss selbstverständlich bestätigen, dass ich alle Dokumente gelesen und verstanden habe:

  1. Der Basisprospekt: 382 Seiten in englischer Sprache, eingereicht in Irland (also nicht dem Geschäftssitz der Emittentin)
  2. Zusatzprospekte 1 – 4: 151 Seiten
  3. Das Pricing Supplement mit den eigentlichen Bedingungen meiner Anleihe: 25-40 Seiten in englischer Fachsprache und in manchen Fällen freundlicherweise noch einige Seite in der nordischen Heimatsprache der Bank

Da sämtliche Anleihen aus dem Programm in Irland gelistet werden, müsste ich mich auch noch über die dort geltenden Regelungen schlau machen. Soviel allein zur Dokumentation einer ganz normalen Structured Note. Ob ich dabei die komplexen Details auch verstanden habe, schon rein sprachlich, bleibt offen.

Geht danach etwas schief, beginnt das Jammern und auch das Klagen vor Gericht. Falschberatung, das Produkt nie verstanden, völlig falschen Versprechungen erlegen und dann am Ende nicht den erwarteten Erfolg gehabt, so klingen die Vorwürfe dann regelmäßig. Aber schon bald ist die Sache vergessen und nach relativ kurzer Zeit wird wieder weiter gemacht wie zuvor. Beispiele sind verbriefte Kredite, die in Tranchen mit allen möglichen Zusatz- und Sonderoptionen verkauft werden. Zertifikate mit Turbo und Hebel, Zinsswaps mit abenteuerlichen Währungsoptionen und Korrelationskomponenten, pfadabhängigen Optionen, Floors und Caps, Quantos und einer Mixtur verschiedenster Assetklassen. Alles schön abgesichert durch eine umfangreiche Dokumentation, die vom Gesetzgeber vorgegeben wird, die aber ohnedies kaum jemand versteht. Allein die in Pricing Supplements enthaltenen Formeln für komplexe Zahlungsströme sind vom Nichtprofi schwer zu durchschauen. Ein relativ einfaches Beispiel gefällig? Den finalen Cashflow welches strukturierten Standardprodukts will folgende Formel abbilden?

Calculation Amount x Min [ 1+Cap;1+( FinalPrice-InitialPrice / InitialPrice ) ] if no trigger event has occured and the final price is greater than or equal to the initial price.
Calculation Amount x [1-(FinalPrice – InitialPrice / InitialPrice)] if no trigger event has occured and the final price is lower than the initial price
Calculation Amount x [1+(FinalPrice – InitialPrice / InitialPrice)] if a trigger event has occured

Antwort:

  • a) Da müsste ich nachdenken. Lass mich bloß damit in Ruhe!
  • b) Egal, kauf ich sofort!
  • c) Super simpel und klar, ein Reverse Convertible Equity Linked Teil!

Dabei könnte der Verdacht aufkommen, dass die Komplexität in der Finanzbranche durchaus gewollt ist. Zu viel Konkurrenz wird damit vermieden. Die wenigen Experten, die sich über viele Jahre mühsam ihr Wissen zu strukturierten Swaps, Zertifikaten und Optionen aller Art aufgebaut haben, sind eine überschaubare Zahl. Das Geschäft teilen sich die Großen der Branche. Hinter der Komplexität von Produkten und Dokumentation könnte also durchaus auch Absicht stecken. Zur Abschreckung werden die ohnehin nicht ganz einfachen Produkte dann auch noch kompliziert beschrieben. Ob man ein  Zertifikat, einen Optionsschein, die Zinsstruktur oder den Hybridbond mit Quantokomponente auch besser und übersichtlicher erklären könnte?

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Finanzvermittler und selbst Vertriebsleute von Banken nicht das nötige Tiefenwissen haben, um komplexe Produkte zu verstehen. Dafür wird zu wenig Wert auf die Ausbildung in diesem Bereich gesetzt. Ob dies aus Absicht oder Nachlässigkeit geschieht bleibt offen.

Am Ende bleibt, dass die Komplexität der Produkte in der Finanzwelt eine Exklusivität geschaffen hat, mit der nur eine übersichtliche Zahl an Investmentbanken und Wirtschaftskanzleien mithalten kann. Der Rest hängt am Strukturierungstropf der Großen im strukturierten Business und zahlt dafür mit fürstlichen Margen.