In einem aktuellen Interview mit Bloomberg vertritt Paul Singer, einer der erfolgreichsten amerikansichen Hedgefund Manger und Gründer von Elliott Management, die Ansicht, dass ein Börsencrash in China eine schlimmere Finanzkrise auslösen könnte, als es die Subprime Kredite 2008 vermochten. Damit ist Singer nicht der erste, der vor einer Krise ausgelöst durch China warnt.
Steht China vor dem Kollaps? Wenn man sich die einzelnen Teile so betrachtet, deutet vieles auf eine Überhitzung in mehreren Bereichen hin. Da wären zum einen die Kommunen. Sie haben in den letzten Jahrzehnten vielfach und sehr deutlich über ihre Verhältnisse gelebt. Viele von ihnen stehen vor der Zahlungsunfähigkeit. Über Off-Balance-Sheet Finanzierungsvehikel haben viele Städte gigantische Kredite bei Banken und privaten Geldverleihern aufgenommen. Damit wurden oft irrwitzige Infrastruktur- und Prestigeprojekte finanziert. Flughäfen, neue Stadtviertel mit glitzernden Hochhäusern, Stadien bis hin zur Nachbildung ganzer europäischer und amerikanischer Städte. Die Regierung wollte in 2014 diese Art der Finanzierung über privatrechtliche Zweckgesellschaften eindämmen, hat jetzt aber wieder einen Rückzieher gemacht. Sparmaßnahmen für Städte und Kommunen könnten sich negativ auf das Wachstum auswirken. Denn die Projekte sind gigantisch. Dass sich die Spekulations- und Investmentblase der Kommunen damit weiter aufbläht, wird von der Regierung derzeit wohl hingenommen. Bereits jetzt ist die kommunale Verschuldung bei unglaublichen 280% des BIP.
Dann ist da der aufgeblähte Aktienmarkt, der von der Regierung gerade vor einem gigantischen Kurssturz gerettet wurde. Nirgendwo auf der Welt sind die Aktienkurse im vergangenen Jahr auch nur annähernd so gestiegen wie in China. Zudem ist der Markt ausgesprochen intransparent und voller Insiderhandel, dazu mit gigantischem Leverage. Sogar Privatinvestoren haben ihre Aktienkäufe über Kredite finanziert. Die Regierung in Beijing versucht nun durch starke Interventionen einen Crash zu verhindern. Ende Juni bis Anfang Juli 2015 hatte der Aktienmarkt insgesamt 3 Billionen USD an Wert eingebüßt. Nach der Intervention der Regierung liegt der Index noch immer 70% über dem Wert von vor einem Jahr. Trotzdem dürften viele der geschätzt 90 Millionen privaten Kleinanleger, von denen die meisten erst über die letzten Monate nach intensiven Marketingkampagnen der Regierung in den Aktienmarkt eingestiegen sind, viel Geld verloren haben.
Dann wäre da noch der Immobilienmarkt. Dieser ist seit Jahren überhitzt und droht zu kollabieren. Es wird zu viel gebaut, am Bedarf vorbei, und mittlerweile stehen ganze Stadtviertel, die neu aus dem Boden gestampft wurden, leer. Gravierende Baumängel sind ebenso an der Tagesordnung wie Betrug und gigantische Fehlinvestitionen. Die Regierung versucht hier, der Überhitzung mit Beschränkungen und Mindestanforderungen für Eigenkapital einzudämmen.
Das Schattenbankensystem ist ein weiterer Knackpunkt. Der kaum regulierte Markt aus privaten Geldmarktfonds und High Yield Trusts könnte Millionen kleiner Privatinvestoren mit in den Abgrund reißen. Denn immer mehr normale Sparer legen ihr Geld nicht bei der Bank in Sparkonten an, sondern geben es großen Industrie- und Handelsunternehmen, die mit ihren Geldmarktfonds und Trusts höhere Zinsen versprechen.
Kommunen vor dem finanziellen Ruin, ein überdimensioniertes Schattenbankensystem, faule Kredite bei den Banken, eine Immobilienkrise ein ein zu hoch gehebelter Aktienmarkt, der vor dem Crash steht. Möglicherweise hat Paul Singer recht mit seiner Einschätzung, dass von China derzeit eine große Gefahr für die Weltwirtschaft ausgeht.
China ist einer der wichtigsten Märkte für Rohstoffe weltweit. Chinesische Unternehmen sind zu Stützen vieler Entwicklungsländer geworden, wo sie als eine der wenigen ausländischen Investoren kräftig in die Wirtschaft und die Infrastruktur investieren. Unsere Renten- und Investmentfonds sind schon lange in China investiert. Chinas Unternehmen arbeiten weltweit mit internationalen Konzernen zusammen. Die globale Wirtschaft ist heute unheimlich stark mit China verflochten. Ein Kollaps würde uns tatsächlich alle treffen. China ist näher als wir denken.