BahlConsult GmbH: unabhängige Beratung zu Swaps, Derivaten und strukturierten ProduktenDie Welt der negativen Zinsen hat in der Finanzbranche viel verändert. Über einige dieser Veränderungen hatten wir bereits berichtet, wie etwa die Notwendigkeit neuer Optionspreismodelle oder die Umkehr von Zahlungsströmen in Zinsswaps. Eine weitere Herausforderung negativer Zinsen finden wir in der Handhabung von Besicherungen.

Eine Besicherung von Geschäften mit dem sogenannten Collateral wird heutzutage vor allem im Zins- und Währungsderivate Segment von so gut wie allen Marktteilnehmern gefordert. Das Besicherungsmittel der Wahl ist eindeutig Cash in den Hauptwährungen. Die Gegenpartei, die auf die genetteten Geschäfte barwertmäßig im Minus ist, muss ihrem Geschäftspartner Sicherheiten in Form von Bargeld stellen. Diese würden dann im Falle einer plötzlichen Zahlungsunfähigkeit des Handelspartners dazu verwendet, die bestehenden Geschäfte aufzulösen und die bei den Geschäften vorne liegende Gegenpartei möglichst schadlos zu halten.

Diese Form der Besicherung gibt es grundsätzlich schon lange. Im Interbankenmarkt wird seit langem besichert, und seit der Finanzmarktkrise und neuen Regularien wie EMIR ist Collateral nach und nach auf so gut wie alle Geschäfte ausgeweitet worden. Das ist begrüßenswert, da es das Ausfallsrisiko mindert. War Collateral Management früher noch sehr kompliziert in der Handhabung und mit Transaktionsrisiko verbunden, ist es in unserer heutigen Zeit leistungsstarker Computer und neuer Modelle für Clearing und Abwicklung auch für kleinere Marktteilnehmer durchaus machbar.

Das klingt alles ganz wunderbar. Wenn da nicht die Sache mit den negativen Zinsen wäre. Denn Geldsicherheiten werden in der Regel verzinst. Jemand überlässt seinem Geschäftspartner Geld für die Besicherung von Geschäften und erhält dieses Geld für die Dauer der Hinterlegung verzinst. Collateral im Zins- und Währungsderivategeschäft wird meist mit dem OIS Satz, also dem Overnight Index Swap Satz verzinst. Das ist jener Satz, den große Geschäftsbanken einander für Geld bezahlen, das quasi „über Nacht“ bei einer anderen großen Geschäftsbank angelegt wird. Das war auch immer eine faire Sache. Bis zu dem Moment, als die Overnight Rate plötzlich negativ wurde. Was also tun, wenn die Zinsen negativ sind? Muss nun derjenige, der Geld als Sicherheit hinterlegt, auch noch dafür bezahlten? Die Ratlosigkeit war 2013 groß. Und tatsächlich sollte es lange dauern, bis die Ungewissheit behoben werden konnte.

Die herkömmlichen Standardverträge für Besicherungsanhänge gaben nämlich keinen Aufschluss darüber, wie mit negativen Zinsen zu verfahren ist. Weder das übliche ISDA Dokument noch der Deutsche Rahmenvertrag hatten diesen Fall in ihren Besicherungsanhängen vorhergesehen. Also wurden Arbeitsgruppen gebildet und Empfehlungen gegeben.

Ergebnis war, dass die ISDA (International Swaps and Derivatives Association) im Mai 2014 erstmals einen Ergänzungsvertrag zum Besicherungsanhang zur Verfügung stellte. Dem sogenannten „ISDA 2014 Collateral Agreement Negative Interest Protocol“ können seither alle Marktteilnehmer beitreten. Darin wird geregelt, wie Geschäftspartner mit negativen Zinsen verfahren. Ein ganz ähnliches Dokument veröffentlichte auch der für den Deutschen Rahmenvertrag zuständige Deutsche Bankenverband im Februar 2015. Auch für den Rahmenvertrag gibt es seither die Möglichkeit, eine Zusatzvereinbarung abzuschließen, um negative Zinsen auf Cash Collateral zu regeln. Nunmehr können alle Marktteilnehmer ihre Besicherungsanhänge entsprechend ergänzen, wobei es jedem frei steht, wie er negative Zinsen handhaben will.

Dennoch ist es seither zur Marktusance geworden, dass Besicherungsgelder tatsächlich negativ verzinst werden. Der Besicherungsgeber, also jener Geschäftspartner, der die Sicherheiten hinterlegen muss, muss auch noch Zinsen auf das Collateral bezahlen, wenn der verwendete Zinssatz negativ sein sollte. Das ist durchaus gerecht. Warum? Weil die Hinterlegung von Besicherungen im großen Kreislauf des Geldes nur ein Element von vielen ist. So wird das Geld für die Besicherung in der Regel im Interbankenmarkt finanziert. Auch dort finden negative Zinsen ihre Anwendung. Die hinterlegten Gelder werden im Repo Markt angelegt. Ebenfalls mit gegebenenfalls negativer Verzinsung. Zudem werden komplexe Derivate über Plain Vanilla Derivate gehedged, die mittlerweile über zentrale Clearinghäuser wie etwa SwapClear laufen, die auf Variation Margins ebenfalls negative Zinsen anwenden. Um diesen Kreislauf nicht zu unterbrechen, sind auch im bilateralen Collateral Management negative Zinsen wichtig. Damit vermeidet der Markt eine Preisverzerrung in Quotes für Zins- und Währungsswaps. Ein weiteres Argument ist zudem, dass eine Zinsuntergrenze von Null nicht in allen Systemen darstellbar ist. Schließlich handelt es sich bei einem Floor um ein Derivat, das nicht jedes System und jeder Marktteilnehmer bewerten und umsetzen kann.

Wie es mit der Welt der negativen Zinsen weitergehen wird, bleibt zu sehen. In der Welt der Besicherungen sind diese jedenfalls zu einem normalen Bestandteil geworden. Da es allerdings jedem Marktteilnehmer frei gestellt ist, ob er negative Zinsen bezahlt oder einen Floor bei Null anwendet, hat sich auch das Rauschen bei der Preisfindung weiter erhöht. Zinsswaps haben schon lange aufgehört, konstant und langweilig zu sein!