Menschen vergleichen sich und andere gerne mit anderen Personen. Bin ich größer oder kleiner, dicker oder dünner, erfolgreicher oder eben nicht so erfolgreich, hat mein Auto mehr PS oder weniger, habe ich im Test mehr Punkte oder weniger als der Durchschnitt, mein Nachbar, mein Konkurrent?
„Der Markt“ als Zielvorgabe
In der Finanzindustrie ist es nicht anders. Portfolien, Fonds, Verbriefungen, strukturierte Produkte und Beteiligungen, sie alle werden gerne mit dem sogenannten Markt verglichen. „Der Markt“, das ist je nach Produktkategorie meist ein großer Aktienindex, die Rendite von Staatsanleihen, Indizes aus Credit Default Swaps, Rohstoffpreisen oder sonstigen, aggregierten und häufig auch gewichteten Preisen. Das erklärte Ziel der angebotenen Investitionsportfolien ist es, besser als oder zumindest gleich gut wie der beobachtete Index zu sein. Die sogenannte Benchmark oder Messlatte gibt dabei das jeweilige Renditeziel vor. Entwickelt sich „der Markt“ in einem Jahr besonders gut, sollte auch das Portfolio entsprechend mehr abwerfen, und in Jahren mit magerer Indexentwicklung darf auch das Investmentportfolio schwach performen.
Volatilität ist vorprogrammiert
Diese ausschließlich relativen Renditeziele mögen auf den ersten Blick durchaus einleuchtend erscheinen. „Der Markt“ gibt die Richtung vor, an der man sich orientiert, aber auch die allgemeine Lage des Sektors, in den man investiert. Aktien, Anleihen, Währungen, Edelmetalle, Rohstoffe oder alternative Investments, sie alle haben gute und weniger gute Jahre, abhängig von einer Vielzahl volkswirtschaftlicher, weltpolitischer und psychologischer Faktoren. Sich an der breiten Masse zu orientieren erscheint nur plausibel. Was viele dabei allerdings vergessen ist die daraus entstehende Schwankungsbreite in der Portfolioentwicklung. Orientiert man sich ausschließlich an einem Index, könnte es in einem Jahr durchaus sein, dass man mit 1% zufrieden ist, im nächsten Jahr sollten es hingegen 5%, in einem anderen -2% und danach wieder 8% sein. Derartige Ertragsschwankungen sind für eine Vielzahl an Investoren problematisch. Zunächst leiden natürlich jene, die auf regelmäßige Ausschüttungen angewiesen sind, wie etwa Rentner. Versorgungswerken und Rentenversicherungen geht es ähnlich. Doch selbst langfristig orientierte Investoren, die mit ihrem Portfolio ein Vermögen aufbauen möchten, können mit großen Schwankungen wenig anfangen. Schließlich verfolgen sie das Ziel, am Ende einer bekannten Anzahl an Jahren ein gewisses Vermögen aufgebaut zu haben. Volatilität durch relative Performanceziele hilft tatsächlich niemandem und bedeutet für alle, die nicht nur spekulieren sondern tatsächlich mit einem Blick auf die Zukunft oder Ausschüttungen investieren, ein großes Risiko. Und das selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass ein Portfolio die Benchmark in jedem Jahr seines Bestehens (über)trifft.
Die 50/50 Chance des Erfolges
Menschen sind in der Regel hoffnungslose Optimisten. Entsprechend gehen so gut wie alle Investoren davon aus, dass das von ihnen gewählte Portfolio oder Anlageprodukt sich mindestens so gut entwickelt wie der Gesamtmarkt, oder aber besser. Tatsächlich ist es nun aber so, dass „der Markt“ nichts anderes als eine fiktive Durchschnittszahl ist. Enthalten sind Aktien, Anleihen oder andere Assets, von denen sich einige sehr gut, andere gut, wieder andere mittelmäßig und eine andere Gruppe sogar schlecht bis katastrophal entwickelt. Stellen Sie sich den Index vor wie eine normalverteilte Kurve, in der es Ausreißer nach unten und oben gibt und jede Menge Werte irgendwo dazwischen.
Jedes Portfolio, das nicht haarscharf genau den Vergleichsindex nachbildet, wird mit einer etwa 50%igen Wahrscheinlichkeit entweder besser oder schlechter performen als der Durchschnitt. Auf welcher der beiden Seiten ein Assetmanager in einem bestimmten Jahr landen wird, hat nicht immer mit Können zu tun, sondern häufig einfach mit Glück. Relative Performanceziele im Vergleich zu einem fiktiven Durchschnittswert zu erfüllen, liegt in jedem Jahr also bei 50%. Ein klein wenig erinnert das Spiel an Roulette, aber daran wollen ernsthafte Investoren selbstverständlich gar nicht erst denken.
Verstecktes Benchmarking und passive Investments
Wie bereits beschrieben ist die Wahrscheinlichkeit, einen Vergleichsindex in einem gegebenen Jahr zu schlagen, nicht größer als 50%. Wer also gleich den Index selbst nachbildet, wird niemanden enttäuschen, denn das Portfolio wird ebenfalls auf dem Marktdurchschnitt landen. Schon lange bilden deshalb auch viele aktive Portfoliomanager bei Fonds, Versicherungen und Banken entweder ganz offen oder indirekt einen Vergleichsindex nach. Der Boom des passiven Investment Sektors in Form von ETFs (Exchange Traded Funds) ist daraus die logische Fortsetzung. Jene, die den Index nicht ganz so offen nachbilden, werden gerne als Closet Trackers bezeichnet, was in der Investmentwelt verpönt ist aber nicht selten vorkommt. Bildet man „den Markt“ nach, macht man es sich einfach. Doch um die eigenen, finanziellen Ziele zu erreichen, ist eine relative Performance nicht genug.
Langfristige Planungen brauchen absolute Renditeziele
Möchte sich ein Investor ein bestimmtes Vermögen aufbauen, um ab einem gewissen Alter ein ausreichendes Kapital zu haben, aus dem danach jährlich fixe Beträge entnommen werden können, sind feste Renditeziele wichtig. Für die Barwertberechnung benötigt man feste Prozentsätze, und auch für die Ausschüttungen und den Vermögenskonsum gegen Ende der geplanten Laufzeit müssen wir mit absoluten Zahlen rechnen. Entsprechend ist es naheliegend, auch die laufenden Ertragsziele eines Altersvorsorgeportfolios – ob nun privat gemanagt oder über einen institutionellen Verwalter oder Versicherer – mit absoluten Ertragszielen zu versehen. Einem ohnedies nur fiktiven Index hinterherzujagen wird langfristig nicht zum Erfolg führen.
Neue, kreative und dynamische Absolute Performance Portfolien
Was benötigt wird sind mehr neue und kreative Ansätze, die nicht nur passiv einer relativen Wertentwicklung nachstreben, sondern eine Lösung für eine absolute Vermögensentwicklung suchen. Dass sich die Ziele und Wege dabei über die Jahre dynamisch anpassen müssen an die jeweiligen Rahmenbedingungen, liegt nahe. Am Ende muss aber der Weg auch zum Ziel führen und nicht der Weg selbst das Ziel sein, der am Ende den falschen, zu niedrigen Gipfel erklommen hat. Genau das haben viele Investmentmanager und Anlageberater übe die Jahre aus den Augen verloren. Denn über all dem ETF-Hype und passiven Anlageformen darf nicht vergessen werden, warum wir das alles überhaupt machen, warum Menschen ihr aktuell nicht benötigtes Kapital Unternehmen und Staaten zur Verfügung stellen. Es geht um einen Vermögensaufbau, bei dem das Ziel bekannt ist und damit auch die notwendige Rendite. Dazu braucht es keine fiktiven Indexbenchmarks, sondern vernünftige Konzepte. Eine Erfolgsgarantie gibt es im Übrigen weder dort noch da, weder eine relative noch eine absolute.