Plain Vanilla Swaptions gehören zu den wichtigsten Grundbausteinen im Zinsrisikomanagement. Jeden Tag werden laut einer Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich aus April 2019 Zinsoptionen mit einem Nominal von umgerechnet 450 Milliarden USD gehandelt. Hinzu kommt, dass die Preise der gehandelten Swaptions als Grundlage für implizite Volatilitäten dienen, die ihrerseits in die Bewertung gigantischer Zinsportfolien fließen. Swaptions zählen damit zu den Eckpfeilern im Zinsderivatemarkt. Doch hinter der einfachen Fassade verbergen sich einige Tücken und lauern Arbitrage-Fallen für jene, die das wichtige Detail der unterschiedlichen Settlement-Varianten ignorieren oder mit ungenauen Modellen arbeiten. In unserer Beratungsarbeit erleben wir immer wieder, dass Marktteilnehmer nach veralteten Methoden bewerten, ungeeignete Modelle im Einsatz haben oder die Bewertungs- und Arbitrageproblematik schlicht ignorieren. Die Konsequenzen daraus können teuer werden, denn die Bewertungsunterschiede sind bedeutend.

Swaptions sind Optionen auf Zinsswaps

Eine Swaption ist eine Option europäischen Stils auf einen Zinsswap. Sie berechtigt den Käufer der Option, zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft in einen Fix-Floating-Zinsswap einer bestimmten Laufzeit, mit bestimmten fixen und variablen Zinssätzen auf einen bestimmten Nominalbetrag einzutreten. Der Käufer bezahlt dem Verkäufer für dieses Recht eine Prämie. Doch im Unterschied zu anderen Optionen auf Finanzprodukte spricht man bei Swaptions nicht von Call oder Put, sondern von Receiver-Swaption und Payer-Swaption, je nachdem, ob der Käufer der Option später die fixe Zinsseite im Swap empfängt oder zahlt.

Swaptions haben häufig lange Laufzeiten und damit ein langes Risiko

Swaptions werden nicht selten mit sehr langen Laufzeiten abgeschlossen. Das betrifft sowohl die Zeit bis zur Ausübung als auch die Laufzeit des resultierenden Swaps. Ein typisches Beispiel ist eine 10Y20Y Receiver Swaption. In diesem Fall hat der Käufer zehn Jahre nach Kauf der Option das Recht, in einen 20-jährigen Receiver-Swap einzutreten.

Settlement: Cash oder Swap?

Bei Swaptions kann zum Ausübungstag zwischen den Vertragsparteien entweder ein Barausgleich vereinbart werden, oder aber der tatsächliche Eintritt in den entsprechenden Zinsswap. In der Praxis wird das physische Settlement mit dem tatsächlichen Eintritt in den Swap nur dann vereinbart, wenn ein 1:1 Absicherungsgeschäft etwa für eine kündbare Anleihe damit abgesichert wurde. Meist vereinbaren die Vertragspartner allerdings den Barausgleich. Hier wird bei Swaptions, die im Geld liegen, am Ausübungstag der Wert des zugrundeliegenden Swaps an den Käufer bezahlt. Doch genau hier liegen große Tücken. Denn die Berechnung genau dieser Barausgleichszahlung kann nach unterschiedlichen Marktstandards erfolgen, und genau diese Unterschiede beeinflussen die Bewertung und die nutzbaren Berechnungsmodelle signifikant. Doch nicht alle Marktteilnehmer sind sich dessen bewusst.

Physisches oder Cash Settlement: Marktusancen sind unterschiedlich

Auch wenn Optionen auf Zinsswaps auf den ersten Blick immer gleich aussehen, so haben sich doch in unterschiedlichen Teilmärkten verschiedene Marktusancen ausgebildet. Diese wiederum machen einen kleinen aber feinen Unterschied. In Japanischen Yen wird physisch gesettelt und die Vertragspartner treten in den Zinsswap ein. In USD wird zwar per Barausgleich gesettelt, dieser Betrag wird aber berechnet, als handle es sich um die Auflösung eines tatsächlichen Swaps. In den USD-Swaptions ISDA Definitionen wird diese Berechnungsform „Cash-settled with full revaluation“ genannt. Swaptions in GBP und CHF werden hingegen traditionell per Barausgleich gesettelt, und zwar nach der seit Jahrzehnten unveränderten „Internal Rate of Return“ Methode. Dabei wird am Ausübungstag der Swapsatz des zugrundeliegenden Zinsswaps herangezogen, und mit diesem Satz dann die Zahlungsströme des Swaps abgezinst. Es wird sozusagen eine komplett flache Renditekurve verwendet. In EUR gibt es seit dem 26. Oktober 2018 eine neue Berechnungsmethode der Barausgleichszahlung. Bis inklusive 25.10.2018 wurden Swaptions nach der selben IRR-Methode abgeschlossen wie in GBP und CHF, also mit der flachen Renditekurve. Seit Oktober 2018 werden alle Swaptions nach der neuen Cash Collateralized Methode gesettelt, bei der zur Berechnung der Ausgleichszahlung eine komplette Zero-Kurve herangezogen wird.

Die alte Methode klingt einfach? Weit gefehlt!

Wer denkt, die alte Methode, in der nur der entsprechende Swapsatz des zugrundeliegenden Swaps als einziger Zinssatz verwendet wird, klingt mathematisch einfach, der irrt gewaltig. Denn tatsächlich wird die Swaption damit zur exotischen Option! Streng genommen ist eine Swaption, deren Barausgleichszahlung nur vom Swapsatz der jeweiligen Laufzeit abhängt, keine Plain Vanilla Swaption mehr, sondern eine CMS-Option (CMS steht für Constant Maturity Swap). Und hier beginnt die Sache ihren Haken zu bekommen. Um exotische CMS-Optionen zu bewerten, reicht eine simple Black-like Formel nicht mehr aus. Es müssen Konvexitätsanpassungen vorgenommen werden. Doch genau das hat der Markt über Jahrzehnte nicht gemacht. Händler, Risikomanager und Broker haben stattdessen lange Jahre hinweg keinen Unterschied gemacht in der Bewertung physisch gesettelter Swaptions und jener mit der „naiven“ Barausgleichsberechnung. Die Preise wurden bei beiden mit Black-Scholes berechnet, und später, als die Zinsen negativ wurden und Black-Scholes mit seiner Lognormalverteilung nicht mehr funktionierte, einfach mit Black-like Formeln. Doch das ist für die IRR-Barausgleichsswaptions falsch! Das Ergebnis ist eine Fehlbewertung. Das Dramatische daran: Die fehlerhaften Preise für Cash gesettelte Swaptions wurden für die Berechnung von folglich ebenfalls fehlerhaften impliziten Volatilitäten verwendet, die wiederum in die Bewertung sämtlicher exotischer Zinsprodukte einflossen.

Ein lange bekanntes Problem

Dass die Berechnung mit Black-like Formeln für Cash gesettelte Swaptions mathematisch nicht korrekt ist, war im Finanzmarkt schon lange bekannt. Bereits 2008 zeigte Fabio Mercurio genau auf, warum die verwendete Black Formel nicht arbitragefrei sein kann. Allerdings dachte der Markt zu diesem Zeitpunkt, eine Arbitrage sei zu teuer und rein praktisch nicht durchführbar. Zudem hatten die Finanzmarktteilnehmer 2008 wohl andere, dringlichere Sorgen, als die mathematisch korrekte Bewertung von Swaptions. Es folgte 2010 ein Artikel von Marc Henrard, der aufzeigte, wie groß der Unterschied in der Bewertung tatsächlich ist, und dass die Fehlbewertung keinesfalls klein ist! Doch wieder ignorierten die meisten Marktteilnehmer den Rat, auf Modelle für exotische CMS Optionen umzustellen. Fünf Jahre später, im Jahr 2015, beschrieb Matthias Lutz dann eine recht einfache Arbitragestrategie. Spätestens jetzt wachten viele auf und erkannten, dass sie ihre Swaptions bisher falsch bewertet hatten. Die plötzliche Dringlichkeit kam auch daher, weil gerade in 2015 die Zinsen für lange Laufzeiten aufgrund der Intervention der EZB abrupt und stark gefallen waren. Unterwartet waren nun viele Swaptions auf einen Schlag stark im Geld und für die Käufer plötzlich viel wert. Die Verkäufer änderten in Panik ihre Bewertung, und es kam zu unschönen Meinungsverschiedenheiten was die Bewertung und vor allem vorzeitige Auflösungspreise betrifft. Spätestens ab 2015 betrieben einige große Broker und Banken dann auch tatsächlich Arbitrage und profitierten von der Unwissenheit oder Gleichgültigkeit jener Marktteilnehmer, die noch immer nach dem naiven Black-like Bewertungsansatz quotierten.

Die große Änderung im Markt kam ab 2017

Es dauerte aber noch einmal zwei weitere Jahre, bis der größte Broker für Swaptions im Euro-Raum, ICAP, seine Quotierung auf ein besseres Bewertungssystem umstellte. Bis zum 20. Januar 2017 hatte ICAP noch nach der alten Formel berechnet und cash gesettelte Swaptions Volas wie physische Swaptions Vols quotiert. Erst am 20. Januar 2017 wurde umgestellt. Gut erkennbar ist das am Unterschied von Payerswaptions und Receiverswaptions mit Strike am Geld. Bei physisch gesettelten Swaptions sind die beiden gleich viel wert. Bei cash gesettelten Swaptions ist das nicht der Fall. Der sogenannte Zero-Wide-Collar ist hier nicht notwendig null wert. Das liegt an der Konvexität der exotischen Option, die wir haben. Auch alle anderen Preise und Volatilitäten für cash gesettelte Swaptions weichen von den Preisen und Volatilitäten für physisch gesettelte Swaptions ab.

Die Suche nach dem korrekten Bewertungsmodell

Cash gesettelte Swaptions nach der IRR-Methode gehören zu den exotischen Optionen. Ihre Preise sind damit modellabhängig. Zudem ist die Put-Call-Parität nicht automatisch gegeben. Da stellt sich automatisch die Frage nach dem besten Bewertungsmodell.

Exotische Optionen werden häufig mit sogenannten Term Structure Modellen wie BGM/LMM bewertet. Sie sind arbitragefrei und können die Verbindung zwischen physischen und cash gesettelten Swaptions darstellen. Leider haben Term Structure Modelle zwei gravierende Nachteile. Sie sind viel zu komplex für ein im Grunde so einfaches Derivat wie eine simple Swaption. Aber noch wichtiger: Der Smile wird nicht korrekt dargestellt, und gerade dieser ist für Swaptions das Allerwichtigste!

Manche Marktteilnehmer verwenden deshalb sogenannte lineare Terminal Swap Rate Modelle. Diese schaffen es, eine Verbindung zwischen dem Swapsatz und den Discount Bonds herzustellen. Die inverse, physische Annuität wird als lineare Funktion des Swapsatzes modelliert. Die Ergebnisse für kurze Laufzeiten sind durchaus sehr passabel. Der Haken daran: Je länger die Laufzeiten der Swaptions, desto ungenauer wird die Berechnung, und manche Ergebnisse sind schlicht Unsinn wie etwa negative Prämien. Zudem wird das Vega-Risiko nicht richtig nach Laufzeiten abgebildet.

Das unserer Meinung nach aktuell beste Modell auf dem Markt wurde von Cedervall und Piterbarg 2012 entwickelt. Es ist explizit ein einfaches Modell und kein Term Structure Model. Trotzdem schaffen es Cedervall und Piterbarg, ein sehr flexibles Modell zu entwickeln, das sowohl die Volatilitäten der einzelnen Swapsätze mit einbezieht, als auch die Korrelationen zwischen diesen Swapsätzen. Sogar eine Libor/OIS Basis lässt sich inkludieren. Zudem ist das Modell arbitragefrei konstruiert, und auch die Vega-Risiken werden den richtigen Laufzeitbändern zugeordnet.

Herausforderungen warten noch viele

Das 100% perfekte Modell gibt es bei exotischen Optionen nicht. Doch manche Modelle liefern bessere Ergebnisse als andere. Wichtig für alle Marktteilnehmer ist zumindest das Wissen über die Anfälligkeit der alten Berechnungsmethode. Die Umsetzung auf korrektere Bewertungsmodelle hingegen erfordert Zeit, Geduld und Wissen. Selbst viele große Häuser haben diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen.

Die nächste Herausforderung für den Swaptionsmarkt klopft allerdings schon an unsere Tür: Die Abschaffung des Libors. Was wird aus den vielen Altgeschäften werden, wenn es den Basiswert nicht mehr gibt, auf den sich die Optionen beziehen?

Unterstützung von erfahrenen Experten

Sollten Sie Unterstützung bei der Konzeption neuer Strategien und Modelle benötigen, können Sie gerne auf unsere erfahrenen Experten zurückgreifen, die das Piterbarg-Modell bereits erfolgreich implementiert haben und Ihnen individuell in Fragen rund um die Swaptionsbewertung weiterhelfen können. Sprechen Sie uns gerne an!