Und der Verlierer ist…

Da sind sie wieder, so wie jedes Jahr: Ranglisten und Performance Tabellen von Fonds, Portfolien und Indices für das vergangene Jahr. Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Wer hat „den Markt“ outperformt, wer hinkt hinterher, und wer hat gar Verluste geschrieben?

Diejenigen mit Verlusten müssen sich rechtfertigen. Jene, die etwas schlechter waren als mindestens ein großer Aktien- oder Bondindex müssen sich ebenfalls erklären. Sowieso werden Anleger wenn möglich Gelder abziehen und zu jenen Managern umschichten, die diesmal mehr Glück hatten. Schließlich hängt niemand gerne mit Verlierern ab.

Ein Jahr ist schnell vorüber

Die Frage stellt sich allerdings, ob ein Jahr, also 12 Monate oder 365 Tage, nicht etwas kurz gegriffen ist, um über gut oder schlecht zu entscheiden. Ein Jahr ist schnell vorbei. Viele Strategien hingegen sind langfristig angelegt. Da mag ein Jahr nicht ausreichen um sagen zu können, wer wirklich gut ist und wer schlecht.

Doch das hält die Kritiker selten davon ab, zu urteilen. In einer Ausgabe von Bloomberg Businessweek zum Jahreswechsel bekamen die Stiftungen mehrerer kleiner Privatuniversitäten ihr Fett ab, mit ihrem Jahresverlust von 3,3% in 2016. Doch nicht nur im Finanzmarkt herrscht kurzfristiges Performancedenken. Im Fußball etwa ist es an der Tagesordnung, den Trainer zu feuern, sobald mehrere Spiele in Folge verloren gehen oder der Tabellenplatz nicht den Erwartungen entspricht.

Die Momentaufnahme

Menschen neigen dazu, einer Momentaufnahme zu glauben und anhand ihrer die Wirklichkeit zu konstruieren. Die Boulevardpresse, die darauf lauert, in langen Sitzungen und Gesprächen, in denen sich Politiker, Wirtschaftsbosse oder Gewerkschafter über Stunden für ihre Ziele einsetzen, den einen Moment zu erwischen, in denen ein wichtiger Vertreter gähnt oder in der Nase bohrt. Oder in denen der sonst immer lächelnde Promi doch mal das Gesicht zur Grimasse verzieht. So werden auch Manager in der Finanzbranche gerne mal an einem schlechten Moment bemessen. Sogar der Finanzmarkt selbst unterliegt diesem kurzfristigen Trend. Gehen die Inflationszahlen in einem Monat nach oben oder unten, wird von allen Seiten sofort Inflationsgefahr oder Deflationsgefahr gerufen. Dabei sagt ein Monat selten viel aus. Gerade bei Inflation spielen saisonale Effekte eine Rolle. Doch die Momentaufnahme ist da, und die Masse springt nur allzu gerne auf den Zug auf, um zu urteilen.

Wenn das Geschäftsmodell versagt

Was anderes ist es, wenn die Performance einen Hinweis darauf liefert, dass etwas Grundlegendes nicht mehr stimmt. Es mag durchaus sein, dass gewisse Geschäftsmodelle in manchen Marktphasen nicht funktionieren, wie etwa jenes vieler Hedgefonds. Viele haben in Zeiten höherer Zinsen einen Großteil ihrer Anlagen relativ sicher geparkt und Zinseinkünfte erzielt. Mit dem restlichen Geld wurden hoch gehebelte Wetten abgeschlossen. So kamen viele von ihnen auf nette Renditen. In Zeiten ohne Zinsen funktioniert dieses System nicht und die Performance lässt zu wünschen übrig. Oder jenes der Latency Arbitrageure und High Frequency Trader. Es gibt mittlerweile einfach zu viele von ihnen und sie machen sich das Leben gegenseitig schwer. In solchen Fällen mag ein kurzer Zeitraum durchaus zum Handeln auffordern.

Wie lange ist lange genug?

Doch was ist der richtige Beobachtungszeitraum? Ab wann kann man beurteilen, ob ein Manager, ein System, ein Portfolio oder eine Idee qualitativ gut ist und langfristig erfolgreich sein wird, oder eben nicht? Ein Jahr mag zu kurz sein, aber wie lange hat unser Vermögen Zeit, um halbwegs sichere Urteile zu fällen und danach Konsequenzen zu ziehen? Zu lange zu warten ist ebenfalls keine Alternative. Denn wie Keynes schon sagte: „In the long run we are all dead“, langfristig sind wir alle tot. Dem entgegnet der MIT Professor Andrew Lo übrigens gerne: „But we need to make sure that the short run doesn’t kill us first.“ Wir müssen sicherstellen, dass wir kurzfristig nicht umkommen.

Ob wir es nun eher mit Keynes oder Lo halten, die Wahrheit liegt wohl wie üblich irgendwo dazwischen. Ein Jahr mag zu kurz sein, um über den endgültigen Erfolg oder Misserfolg eines Portfolios zu urteilen. Doch erst zehn verlustreiche Jahre abzuwarten, das wäre ebenso fahrlässig. Eine für alle gültige Regel gibt es nicht. Dafür ist jeder Markt zu individuell. Dennoch tun wir als Investoren gut daran, den Finanzmarkt, seine Bewegungen, Ambitionen und Akteure nicht an zu kurzen Zeiträumen zu bemessen. Übrigens ist auch Vetter Zufall gerne mit von der Partie, und unsere Intuition leistet uns bei der Performance-Evaluierung nicht durchwegs gute Dienste. Vielleicht spricht man deshalb auch gerne von der Kunst des Investierens, und etwas seltener von der Wissenschaft der Geldanlage.