BahlConsult GmbH: Ihre unabhängigen Unternehmensberater zu komplexen Finanzderivaten, Swaps, strukturierten Anleihen und komplexen FinanzlösungenIn Genf stehen mittlerweile viele Büroflächen leer. Meist in edler Lage, in schönen Gebäuden, die noch vor wenigen Jahren von Private Bankern und vermögenden Privatkunden frequentiert wurden und über die das ein oder andere Vermögen besprochen, vermehrt und steuergünstig und anonym vor den Augen anderer verborgen wurde. Doch dann kam Druck aus dem Ausland, etliche Banken wurden zu teils astronomisch hohen Geldstrafen in den USA verurteilt, und nach und nach wurde eine Büroetage nach der anderen in Städten wie Genf und Zürich aufgegeben.

Damit es London nicht auch bald so geht, wohlgemerkt aus anderen Gründen, könnte einige kreative Köpfe bei den zuständigen Ministerien auf den Plan rufen. Wahrscheinlich können sie sich tatkräftiger Unterstützung so manches Lobbyisten freuen. Es geht schließlich um nichts Geringeres als das größte, europäische Finanzzentrum. Dieses wird durch den Brexit, den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen gehörigen Schaden nehmen. Abteilungen, die sich mit der Verbriefung diversester Assets, der Emission von Wertpapieren, dem Retailgeschäft, aber auch der zentralen Führung der Handels- und Bankbücher beschäftigen, dürften nach und nach in Richtung „Europa“ abgezogen werden. Hinzu kommt ohnedies, dass der Großteil der klugen Köpfe, die sich mit den komplexeren Themen auf den Handelsfloors von London beschäftigen, keine Briten sind. Es wird für die großen Investmentbanken und Asset Manager also wahrscheinlich bequemer sein, das Business zukünftig von einer Stadt in der EU aus zu führen, als sich mit dem ganzen Rotz aus Handelsbeschränkungen, Anträgen für Arbeitsvisas für tausende, beschäftigte EU-Bürger und dem Wegfall der grenzüberschreitenden Dienstleistungen auseinanderzusetzen.

Was soll das UK also machen? Kreativ waren sie schon immer, und so manchem Business nicht abgeneigt. Schon jetzt kann jeder blitzschnell und ohne großartige Kosten oder Kapital eine Limited gründen, also eine Gesellschaft mit begrenzter Haftung. Die Limited kann nach Außen auch heute schon so auftreten, dass die tatsächlich wirtschaftlich Begünstigten nicht aufscheinen. Viele wertvolle Immobilien in den besten Lagen von London sind heute im Besitz von irgendwelchen Limited Gesellschaften und Stiftungen aus dem Ausland, deren wahre Besitzer aber unbekannt sind. Sie müssen aktuell zwar höhere Abgaben zahlen, aber das schreckt doch keinen Oligarchen, korrupten Beamten, Drogenbaron oder geldwaschenden Finanzjongleur.

Und genau da könnte auch die Zukunft der Londoner City liegen. Aktuell wandert viel Geld, das früher in Genf und Zürich gelagert hat, in die USA. Delaware und Nevada etwa haben sich zum wahren Paradies für jene Investoren entwickelt, die ihre Gelder gerne komplett anonym parken. Die Gründe mögen vielfältig sein, von schlicht kriminell bis hin zu schwierigen Familienverhältnissen, in denen nicht alles Vermögen allen Erben oder zukünftigen Ex-Ehefrauen in die Hände fallen soll. Das Private Banking in Nevada boomt. Wieso also nicht die ein oder anderen Millionen und Milliarden in Europa behalten? Viel braucht es dazu nicht, wie man an den Beispielen jener US-Staaten sieht, die sich gerade als neuer Magnet und Knotenpunkt der internationalen Geldwäsche und Steuerhinterziehung etablieren. Es reichen neue Vorschriften zur Unternehmensgründung und Verwaltung, dazu ein paar neue Steuergesetze, und voilà, fertig ist das neue Private Banking Zentrum am Rande von Europa.

Neben einem neuen Zuhause für anonyme Vermögen könnten sich die Engländer zudem ein Beispiel an Luxemburg nehmen. Dort kann man alles verbriefen, was man möchte. Sogar Einzelpersonen wie etwa Sportler lassen sich da in einen Fonds packen und veräußern. Und müssen aufgrund irgendwelcher neuen Regularien auf EU-Ebene einige Vorschriften geändert werden, stampft das sehr kreative, kleine Land einfach neue Möglichkeiten aus dem Boden. Denn die Anlegerwelt und vor allem die Welt der Finanzjongleure, Strukturierer, Investmentbanker, Steueroptimierer und kreativen Vermögensverwalter dürstet nach flexiblen Möglichkeiten der Verbriefung. Schnell mal ungeliebt gewordene oder schlichtweg ungewöhnliche, illiquide oder auch verbotene Assets in eine neue Anleihe verpackt, in Tranchen filetiert, dann in einen Fonds verkauft, den wieder in einen Dachfonds, und am Ende darf das Ding jemand erwerben, dem es direkt nicht möglich gewesen wäre. Oder der es nicht gekauft hätte, weil es eben ein ungeliebtes, ungewöhnliches, illiquides und verbotenes Asset war. Wie auch immer, mit kreativen Verbriefungen und Verpackungen lässt sich vieles lösen. Vielleicht auch die Probleme der bald leeren Büroetagen in London, wer weiß.

Wie wir sehen, ist die Finanzwelt ein ausgesprochen kreatives Pack, das man nicht zu früh abschreiben darf. Möglichkeiten gibt es genug, vor allem für Länder, die über die nötige Infrastruktur verfügen, und dabei in ihrer Gesetzgebung wunderbar frei und kreativ sein können. All das dürfte auf London bald zutreffen. Der Finanzmarkt dort wird sich sicher verändern nach dem Austritt des Landes aus der EU. Auf allzu viel leere Büroetagen sollte man trotzdem nicht zu viel Geld setzen.