In den letzten Jahren hat sich viel getan. Das deutsche Kleinanlegerschutzgesetz, Mifid (Markets in Financial Instruments Directive) und ab 2018 auch Mifid II mit noch strengeren Schutzbestimmungen und Regeln, dazu jede Menge neuer Vorschriften und Auflagen, wer wem welche Produkte wie und wofür vermitteln und verkaufen darf. Es geht in vielen dieser Vorschriften um den Schutz von Kleinanlegern. Nicht nur vor Anlagebetrügern müssen Anleger – und hier nicht nur Kleinanleger wie Fälle wie Madoff und Enron zeigen – beschützt werden, sondern vor allem auch im alltäglichen Finanzvermittlungswirrwarr.
Die vielen Vorschriften sollen dafür sorgen, dass jeder Verbraucher und Kleinanleger genau jene Produkte erhält, die für ihn auch passen und in seinem alleinigen Interesse sind. Dass davon im Alltag kaum eine Rede sein kann, ist jedem, der sich entweder damit befasst oder es schon am eigenen Leib – besser Vermögen – erlebt hat, durchaus klar. Da ist der vertrauensselige Arzt, der über die vergangenen Jahre knapp zehn Kapitallebensversicherungsverträge abgeschlossen hat. Oder die Omi, deren Vermögen bis zum Sankt Nimmerleinstag in einem geschlossenen Immobilienfonds festsitzt. Dazu die unzähligen Sparer, denen Bausparverträge mit einer Ansparsumme verkauft wurden, die sie niemals erreichen werden, bloß, weil sich die Provision für den Verkäufer an der Ansparsumme berechnet. Beispiele gibt es massenweise, vom zu teuren Investmentfonds mit Ausgabeaufschlag von 5% und hoher Management Fee, der Projektbeteiligung mit einer 20%igen Vertriebs- und Marketingmarge, dem Zertifikat mit 1% Vertriebsmarge sowie schlechtem Fundingspread, Wikifolien mit 30% Gewinnabschöpfung durch den Manager, und so weiter und so fort. Und das, obwohl es in vielen Fällen passendere und günstigere Produkte anderer Anbieter gibt. Allerdings zahlen diese meist weniger oder keine Vertriebsprovision. Warum sollte der kostenlose Berater diese also anbieten?
Trotz der vielen neuen Regelungen ändert sich die Praxis also kaum. Regulierung allein scheint nicht zu wirken. Doch was kann man tun, um bei den Produkten aufgrund von unterschiedlichen Provisionsanzreizen nicht falsch beraten zu werden?
Eine sehr interessante Studie von Anagol, Cole und Sarkar (2013) hat das eingehend untersucht und in verschiedenen Experimenten genau diese Situationen nachgestellt. Es ging darum, wie sich Verkäufer von Lebensversicherungsverträgen – bekanntlich ein sehr margenreiches und gewinnträchtiges Geschäft für den Vermittler – in verschiedenen Situationen verhalten. Es wurde untersucht, ob Regulierung tatsächlich hilft und welche Motivation und Anreize es unter den Vermittlern gibt.
Dazu führten die Forscher vier Feldexperimente durch. Die Ergebnisse waren allesamt ernüchternd was die Qualität der Beratung und den Verkauf der Produkte anging, wenn Provisionen im Spiel waren. Die Kunden bekamen fast ausschließlich unpassende Produkte verkauft. Die Studie fand unter anderem heraus:
- Dem Kunden wurde nach dem Mund geredet. Hatte der Kunde bereits eine Produktpräferenz vor dem Beratungsgespräch, bekam der Kunde dieses Produkt auch verkauft, selbst wenn es nicht passte. In vielen Fällen wurde dem Kunden dann aber auch noch ein zusätzliches Produkt mit verkauft, das eher passte.
- Die Vermittler planten ihre Provisionserlöse bereits vorab ein. Die eingenommenen Vermittlerprovisionen waren unabhängig vom verkauften Produkt immer ähnlich hoch. Bei weniger margenreichen Produkten wurde die Provision einfach über eine höhere Versicherungssumme gesteuert.
- Wurden einzelne Produkte reguliert, sodass die Höhe der Vermittlerprovision offengelegt werden musste, wurden stattdessen andere Produkte verkauft, deren Margen noch nicht in ihrer Höhe anzugeben waren. Diese Arbeit hätten sich die Vermittler allerdings sparen können, denn die Kunden ließen sich meist selbst durch das Offenlegen der Vermittlerprovision nicht misstrauisch oder stutzig machen, ob der Berater sie womöglich falsch beraten könnte aufgrund der provisionsabhängigen Interessenskonflikte.
Was half also den Kunden, richtig beraten zu werden? Tatsächlich bekamen jene Kunden die passenderen Produkte verkauft, die angaben, sich auch noch von einem anderen Vermittler beraten zu lassen und die Vorschläge vergleichen zu wollen. In diesen Fällen handelten die Vermittler wohl nach dem Prinzip „Spatz in der Hand“. Also besser ein Produkt mit geringerer Marge als gar keinen Geschäftsabschluss.
Regulierung allein hilft also nur begrenzt. Ohne ein Zutun des Kunden gelingt es nicht, diesen zu schützen. Die Gründe für Falschberatung sind mannigfach. Angefangen von falschen Provisionsanreizen, über diverse Interessenskonflikte bis hin zu Vorurteilen bezüglich des Wissens und der Expertise des Kunden. Helfen könnte tatsächlich ein tieferes Verständnis und Wissen der Anleger und Kunden, sowie ein Selbstverständnis, Produkte und Angebote zu vergleichen.