Kredite und Anleihen in Fremdwährung: Sie sind ein beliebter Dauerbrenner. Je nach Zinslage verschulden sich weltweit Staaten, Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen in jenen Währungen, die gerade ein besonders niedriges Zinsniveau aufweisen. Selbst dann, wenn der Kreditnehmer oder Emittent keinerlei Einnahmen und sonstige wirtschaftliche Verbindungen zu dieser Währung hat. Das erklärte Ziel: Möglichst wenig Zinsen zu zahlen.

Ohne Grundgeschäft eine fragwürdige Angelegenheit

Für all jene, die kein natürliches Grundgeschäft in der gewählten Fremdwährung haben, also keine regelmäßigen Einnahmen in Schweizer Franken & Co, sondern rein spekulativ tätig werden, sind Fremdwährungsdarlehen und Fremdwährungsanleihen eine riskante Sache. Denn das Wechselkursrisiko, das sie damit eingehen, ist keine Lappalie. FX-Risiko ist eines der höchsten Risiken, die Unternehmen, Staaten und Privatpersonen überhaupt eingehen können. Wechselkurse sind volatil, und langfristige Prognosen sind schlicht nicht möglich. Wechselkurse sind das Produkt volkswirtschaftlicher Wechselwirkungen, die wiederum so vielen Einzelrisiken und Variablen unterliegen, dass eine Prognose, die über die kommenden Wochen und Monate hinaus geht, schlicht unmöglich und auf jeden Fall unseriös ist.

Fremdwährungsrisiken werden abgesichert. Nicht ohne Grund.

Es geschieht nicht ohne Grund, dass die meisten Unternehmen, die Geschäfte mit ausländischen Geschäftspartnern in fremder Währung tätigen, dieses Fremdwährungsrisiko ganz selbstverständlich absichern. Der Devisenmarkt ist deshalb das liquideste Segment des gesamten Kapitalmarkts, und Währungsderivate sind mit die wichtigsten Instrumente jedes multinationalen Treasurys. Fremdwährungsrisiken sind absolut ernst zu nehmen! Sie sind real, und sie haben das Potenzial, Gewinne aus dem Grundgeschäft quasi über Nacht auszulöschen. Unternehmen der Import und Export Branche wissen darum und sichern ihre Fremdwährungsrisiken deshalb über FX Forwards, Futures und FX Swaps ab. Das sei allen als Warnung mit auf den Weg gegeben, die FX-Risiken rein spekulativ eingehen.

Zinsen und Wechselkurse hängen zusammen

Wechselkurse sind das Ergebnis von Angebot und Nachfrage im Handel mit den jeweiligen Währungspaaren. Angebot und Nachfrage in den jeweiligen Währungen existieren dabei nicht unabhängig, sondern werden direkt von anderen Faktoren bestimmt, wie den jeweiligen Zinssätzen, die wiederum das Produkt aus Inflationserwartung, der Bonität und den wirtschaftlichen Erwartungen sind. Der Foward-Kurs eines Währungspaares etwa ist die erwartete Zinsdifferenz über die Laufzeit des Forwards. Zinsen aber sind ebenfalls keine künstliche Zahl, sondern nur das Ergebnis wirtschaftlicher Entwicklungen und Variablen.

Zinsen: Der Preis von Geld

Zinsen sind der Preis für das Leihen von Geld. Die Höhe des Zinssatzes setzt sich aus zwei wichtigen Komponenten zusammen. Die erste Komponente ist der über die Laufzeit erwartete Kaufkraftverlust des Geldes. Derjenige, der das Geld verleiht, möchte, wenn er oder sie das Geld wiederbekommt, damit noch gleich viel kaufen können wie am Anfang. Man nennt diesen Teil auch die erwartete Inflation, die sich im risikolosen Zinssatz wie dem €STR für Euro, dem SONIA für Sterling oder dem SOFR in USD sowie in den Staatsanleihenrenditen bonitätsstarker Staaten widerspiegelt. Je nach Laufzeit unterscheiden sich die Inflationserwartungen des Marktes. Die zweite Komponente des Zinssatzes, der vom Kreditnehmer verlangt wird, ist der Risikoaufschlag für die Bonität. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass der Kreditnehmer oder die Emittentin das Geld am Ende der Laufzeit nicht zurückzahlen kann, oder sogar schon während der Laufzeit in finanzielle Not gerät und der Kredit ausfällt. Je länger die Laufzeit desto höher in der Regel der Zins.

Inflation – Zinsen – Wechselkurse

Wir konzentrieren uns zunächst auf die erste Komponente: Die erwartete Inflation. Wirtschaftswachstum und Inflation hängen in der Regel zusammen. Geht es einem Land wirtschaftlich gut, investieren Unternehmen, sie stellen neue Arbeitskräfte ein, die Gehälter steigen, das verfügbare Einkommen steigt, die Menschen geben mehr aus und investieren mehr, und die Preise steigen. Die Inflation kann aber auch durch andere Gründe steigen, wie der Anstieg der Geldmenge oder Preisschocks von Außen.

Entwickelt sich nun die Wirtschaft eines Landes sehr positiv, wird dessen Zentralbank die Zinsen vermutlich erhöhen. Nehmen wir nun ein anderes Land, in dem die wirtschaftliche Lange nicht so gut ist und die Zinsen von der Zentralbank niedrig gehalten werden oder – noch schlimmer – die Inflation über dem risikolosen Zins der Zentralbank liegt. Für Investoren aus dem zweiten Land erscheint es nun attraktiv, ihr Geld in Anleihen und Vermögensgüter des ersten Landes zu investieren. Sie erhalten dort höhere Zinsen oder sind gar von einem Kaufkraftverlust ihrer eigenen Währung geschützt. Um ihre Investitionen tätigen zu können, müssen sie zuerst ihre eigene Währung verkaufen und die Währung des ersten Landes kaufen. Das werden viele Investoren gleichzeitig machen. Dadurch wird sich der Preis der Währung des ersten Landes gegenüber der Währung des zweiten Landes erhöhen. Der Wechselkurs verändert sich. Das geschieht so lange, bis die Währung des ersten Landes gegenüber der Währung des zweiten Landes so teuer geworden ist, dass es sich für die Investoren des zweiten Landes nicht mehr lohnt, in Anleihen des ersten Landes zu investieren, denn die Währungsverteuerung hat die Vorteile aus den höheren Zinsen aufgefressen.

Zentralbanken intervenieren an den Devisenmärkten

Der Wert einer Währung gegenüber anderen Währungen ist für die Import- und Exportwirtschaft eines Landes wichtig. Schwache Währungen bedeuten eine gute Ausgangslage für Exporteure und wirken sich positiv auf die Leistungsbilanz aus, starke Währungen bedeuten hingegen mehr Importe und eine schlechtere Leistungsbilanz. Wichtig ist Investoren, Händlern und Unternehmen aber vor allem eine gewisse Stabilität der Wechselkurse. Deshalb greifen Zentralbanken gerne in das Geschehen an den globalen Devisenmärkten ein. Durch Verkäufe ihrer eigenen Währung schwächen sie deren Kurs, und durch Käufe der eigenen Währung stützen sie den Wechselkurs. Doch gerade in turbulenten Zeiten, in denen Investoren in Scharen wirtschaftlich schwächere Länder verlassen und in sogenannte „Safe Haven“ Märkte flüchten, können sich Zentralbanken nicht immer dagegen stemmen. Gute Beispiele sind die Aufwertung des Schweizer Franken im Zuge der Griechenland-Krise sowie die Abwertung der Türkischen Lira in 2018.

Auf lange Sicht kann viel geschehen

Wechselkurse sind volatil, selbst wenn sich Notenbanken gegen Kauf- oder Verkaufsdruck stellen. Plötzliche Bewegungen können nie ausgeschlossen werden, und der reale Wechselkurs entwickelt sich mit den jeweiligen Volkswirtschaften über die Zeit. Auf lange Sicht kann deshalb viel geschehen, und historische Daten taugen hier wenig bis nichts bei der Modellierung zukünftiger Entwicklungen.

Doch gerade Fremdwährungskredite, Fremdwährungsdarlehen und Fremdwährungsanleihen sind langfristige Instrumente der Fremdfinanzierung. Noch schlimmer: Meist sind sie endtilgend! Das größte Wechselkursrisiko wird ganz ans Laufzeitende geschoben. Schon während der Laufzeit besteht ein großes Zinsrisiko. Schließlich werden Fremdwährungskredite genau in den Währungen aufgenommen, in denen der Zinssatz gerade besonders niedrig ist. Niedrige Zinsen kennen meist nur die Richtung nach oben. Steigen nun aber die Zinsen, wertet normalerweise auch die Währung auf. Der Zins wird nicht nur höher, sondern in der Heimatwährung des Schuldners auch noch teurer durch einen veränderten Wechselkurs. Die Höhe der Schuld bewertet in der Heimatwährung wird ebenfalls höher. Ein doppelter Schlag!

Warum gibt es Fremdwährungskredite überhaupt?

Gerade bei Ländern aus den Emerging Markets sind Emissionen in USD oder Euro sehr beliebt. In vielen Ländern Europas gab es bis zur Finanzkrise bei Unternehmen, Kommunen und Privatpersonen den Trend, große und langfristige Projekte und Immobilienkäufe zuerst mit Japanischen Yen und später mit Schweizer Franken Krediten zu finanzieren. Im Januar 2015 flogen Schweizer Franken Kredite allen gehörig um die Ohren. Die Yen Kredite hatten ihre Krise schon ab 2008. Doch warum geht jemand ein bewusstes Fremdwährungsrisiko künstlich über Fremdwährungskredite ein? Das muss übrigens nicht unbedingt direkt im Kredit selbst geschehen, sondern kann auch nachträglich über Derivate auf synthetischer Basis geschehen.

Große Investoren geben die Währung vor

Bei Staaten ist es oft der Druck von Investoren. Die größten und finanzkräftigsten Asset Manager sitzen nach wie vor in den USA und Europa, und für viele von ihnen kommen Investitionen außerhalb der großen Währungen erst gar nicht in Frage. Emerging Markets Staaten müssen, um international gekauft zu werden, ihre Anleihen in USD, Euro oder Yen emittieren.

Begleitende Emissionsbanken machen Druck

Ein zweiter Beweggrund mag im Druck durch internationale Banken liegen, die ihre Kontakte hauptsächlich in ihren eigenen Ländern haben, um Anleihen und Kreditportfolien zu vermarkten. Staaten gerade in Emerging Markets wählen aber gerne internationale Banken als Berater für Emissionen aus. Das wirkt modern und international. Dabei liegt diesen internationalen Banken selten das Wohl dieser Staaten am Herzen, sondern nur der eigene, finanzielle Profit, der in Emerging Markets aufgrund höherer Margen durchaus verlockend sein kann.

Niedrige Zinsen wirken unwiderstehlich

Doch der Hauptgrund dürfte sein, dass sich Schuldner von niedrigen Zinsen locken lassen. Viele stehen finanziell schon mit dem Rücken zur Wand und möchten den verlockenden, historischen Zeitreihen gerne glauben, die ihnen Zinsersparnis und Gewinne auf die Tilgungsleistung versprechen. Dass diese niedrigen Zinsen mit einem hohen Fremdwährungsrisiko einher gehen, wird gerne ignoriert oder klein geredet, indem auf rosige Entwicklungen in der Vergangenheit verwiesen wird.

Zinsen und Tilgung müssen bezahlt werden

Was viele vergessen: Die eigenen Einnahmen, die den Kredit bedienen sollen, sind in der Regel konjunkturabhängig. Das gilt für Staaten, Kommunen, Unternehmen und sogar für Privatpersonen. In Zeiten guter Konjunktur sprudeln auch die Einnahmen, und einen Kredit zu bedienen fällt leichter. In schlechten Zeiten sind die Einnahmen knapper, doch schwächelt die Wirtschaft, schwächelt gerne auch der Wert der eigenen Währung, was für den Fremdwährungskredit ausgesprochen ungünstig ist. Das kann in eine ausgesprochen unangenehme Abwärtsspirale führen.

Eine spekulative Achterbahnfahrt

Sicherlich gibt es genügend Kreditnehmer und Emittenten, die mit ihren Fremdwährungsschulden gut gefahren sind. Sie hatten Glück mit dem Timing, wie man auch Glück im Casino mit rot oder schwarz haben kann. Doch gerade auf lange Sicht sind Wechselkurse weder modellierbar noch vorhersehbar. Jede Entwicklung in egal welche Richtung wirkt doppelt, einmal auf den Zinsen und dann auf dem Nominal. Geht es gut, geht es doppelt gut, und negative Ausschläge wirken doppelt negativ. Emerging Markets machen diese Erfahrung immer und immer wieder, denn in jeder Krise werden Gelder abgezogen, werden ihre Währungen schwächer, und geraten sie zuerst in eine Current Account Krise gefolgt von einer Kreditkrise. Im Extremfall können die Fremdwährungsschulden nicht mehr bedient werden und es kommt zur Staatspleite. Es sollte jeder sehr gut abwägen, ob Chancen und Verzweiflung groß genug sind, um diese Risiken einzugehen.

Fremdwährungsrisiken dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wer Fremdwährungsrisiken über Fremdwährungsschulden künstlich eingeht, ohne Grundgeschäft dahinter zu haben, sollte starke Nerven für eine möglicherweise rasante Achterbahnfahrt mitbringen.