BahlConsult GmbH: unabhängige Beratung zu Swaps, Derivaten und strukturierten ProduktenIm Grunde sollte es immer so sein: Ein Zinsswap, den eine Kommune oder ein Unternehmen abschließt, um damit Zahlungsströme aus Krediten, Anleihen und anderen Verbindlichkeiten anzupassen, muss einen positiven Nutzen haben. Warum sonst sollte sich die Finanzabteilung einer Stadt oder eines Unternehmens sonst die Mühe machen? Damit meine ich übrigens einen positiven Nutzen für das Unternehmen oder die Kommune. Den positiven Nutzen für die Bank in Form von Provisionen und Margen lassen wir heute ausnahmsweise einmal außen vor.

Leider ist dieser Fokus auf den positiven Nutzen für den Käufer in den vergangenen Jahren, möglicherweise sogar Jahrzehnten, Schritt für Schritt verloren gegangen. Zinsswaps wurden immer öfter als Möglichkeit gesehen – und so auch von vielen Banken und Investmentbanken gezielt beworben und verkauft – die Einnahmen der meist klammen Kassen aufzubessern. In Aktien dürfen Kommunen nicht investieren, um damit Gewinne zu erzielen. Wieso also nicht ein bisschen mit Zinsen und Währungen spielen, wenn einem dazu Zugang gewährt wird? Alles natürlich schön unter dem Deckmantel eines Zinsswaps oder einer Swaption. Das sind doch legitime Absicherungsinstrumente, oder etwa nicht? Also verstecken wir unsere Spielchen mal hinter einem langweilig klingenden Zinsswap.

Aber worum sollte es bei Zinsswaps wirklich gehen?

Die eigentliche Intention eines Zinsswaps ist es, Zahlungsströme auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Nehmen wir an, ein Unternehmen aus Deutschland benötigt einen großen Kredit über 10 Mio Euro. Die günstigsten Konditionen findet das Unternehmen bei einem Angebot über einen 7-jährigen Kredit in Euro, auf den monatlich fixed Zinsen in Höhe von 3% gezahlt werden müssen. Allerdings hat das Unternehmen vor, mit dem Kredit eine neue Fabrik in Polen zu bauen. Die Produkte, die es dort erzeugen will, werden innerhalb Polens in Zloty verkauft. Mit dem Großhändler, der die Produkte abkauft, hat das Unternehmen ein quartalsweises Zahlungsziel vereinbart. In diesem Fall macht es für das Unternehmen durchaus Sinn, wenn es nicht monatlich Zinsen auf seinen Kredit in Euro zahlen muss, sondern quartalsweise in Zloty. Das Unternehmen kann also einen entsprechenden Zinsswap abschließen. Gegenpartei im Swap wird typischerweise eine große Bank sein, die auch die Abwicklung und regelmäßige Bewertung übernimmt. Wie hoch die Zahlungen in Zloty sind etscheidet sich anhand der aktuellen Marktlage und Marktmeinung für die Währungs- und Zinsentwicklung zwischen der Eurozone und Polen. Für das Unternehmen ist der Zinsswap eine Absicherung dagegen, dass der Zloty gegenüber dem Euro sehr schwach wird und mit den Einnahmen aus Polen der Eurokredit nicht mehr bedient werden kann. Der Swap dient als Hedge.

Eine andere Einsatzmöglichkeit eines Zinsswaps liegt bei Banken. Diese vergeben beispielsweise viele Kredite mit fixer Verzinsung und langer Laufzeit, selbst hingegen finanzieren sie sich kurzfristig und variabel gegen Euribor oder Eonia. Da macht es für eine kleine Bank Sinn, die Zahlungsströme aus den Krediten gegen Euribor oder Eonia zu swappen, also auszutauschen. Auch hier dient der Swap als Absicherung.

Noch ein Beispiel könnte eine Kommune sein. Die Steuereinnahmen aus der Grundsteuer fließen immer Mitte eines Quartals in die Kassen der Kommune. Auf eine Schudverschreibung, die die Stadt ausstehen hat, muss sie allerdings jeweils am 1. Juni und am 1. Dezember Zinsen bezahlen. Die Kommune möchte die Zinsen aus der Schuldverschreibung gerne aus ihren Einnahmen durch die Grundsteuer begleichen. Mit einem Tausch der Zahlungsströme, also einem Zinsswap, kann sich die Kommune das Leben hier leichter machen. Sie schließt einen Swap ab, in dem sie immer am 1. Juni und 1. Dezember genau die Höhe an Zinsen erhält, die sie im Schuldschein zahlen muss, und bezahlt dagegen quartalsweise zum Beispiel den Euribor, also immer genau dann, wenn die Kassen gut gefüllt sind.

Leider haben mehr und mehr Kommunen und Unternehmen die Intention der Absicherung verloren. Sie sehen Zinsswaps heute primär als „Einkommensoptimierung“. Wenn alles gut geht, so macht man einen Gewinn und erhält Geldzahlungen aus dem Swapgeschäft. Das verrechnet man einfach gegen einen laufenden Kredit, und voilà, die Zahlungen auf den Kredit scheinen geschrumpft. Der Kämmerer oder Finanzvorstand bekommt ein Lob und ein bewunderndes Klopfen auf die Schulter. Geht es allerdings schief, so erhöhen sich die Kreditzahlungen. Doch daran denkt bei Abschluss niemand, schließlich passiert so etwas nur den anderen und selten von heute auf morgen. Und bis zu einem gewissen Grad kann man das immer noch verschleiern.

So wurden also von Kommunen und Unternehmen beispielsweise fleissig Swaptions (das sind Optionen auf Zinsswaps) verkauft. Damit erwirtschaftet man sofort eine tolle Optionsprämie über oft mehrere hunderttausend Euro, was sich in knappen Zeiten oder budgetären Notsituationen gut macht. Dass man die Prämie dafür bekommt, dass der Käufer der Swaption zum Ausübungszeitpunkt – meist nach einigen Jahren – entscheiden kann, die Option in einen Zinsswap umzuwandeln, daran denkt zum Abschlusszeitpunkt wieder niemand. Dass die Option nur dann ausgeübt wird, wenn es zu Ungunsten des Verkäufers, also der Kommune oder des Unternehmens ist, davon wollen die klugen Finanzabteilungen im Nachhinein sowieso nie etwas gewusst haben. Wie, ich habe vor einigen Jahren viel Geld dafür bekommen, weil ich ein Risiko übernommen habe? Im Fall des Falles also einfach mal dagegen klagen und alles abstreiten. Wer weiß, vielleicht durchschaut es der Richter auch nicht? Wenn doch, und die Kommune oder das Unternehmen muss tatsächlich in den Swap eintreten, dann packt man die Sache einfach zu einem bestehenden Kredit. Und verkauft die nächste Swaption, um den aktuellen Verlust etwas auszugleichen.

Eine andere Methode ist der Abschluss von Zinsswaps, in die jede Menge Optionen, Spreads oder gar Währungskorrelationen mit eingebaut sind. Durch die zusätzlichen Komponenten geht die Kommune oder das Unternehmen eine ganze Reihe unvorhersehbarer Risiken ein. Für diese Bereitschaft, Risiko zu übernehmen, bekommen sie von der Gegenpartei, der Bank, etwas bezahlt. Die Zahlung findet aber in diesem Fall nicht einmalig statt, sondern über mehrere Jahre verteilt. Das lässt sich schön als Zinsswap mit vierteljährlichen oder halbjährlichen Zahlungen verpacken. Mit Absicherung hat das allerdings nichts mehr zu tun, sondern mit dem Eingehen zusätzlicher Risiken, die meist völlig artfremd zum Grundgeschäft einer Kommune oder eines Unternehmens sind. So werden dann schnell einmal jede Menge pfadabhängiger Swaptions verkauft, die als Kündigungsrechte getarnt sind. Es werden Zinsuntergrenzen (Floors) und Zinsobergrenzen (Caps) verkauft, die ganz banal Mindest- und Höchstzins genannt werden. Dazu kommen noch Optionen auf Spreadentwicklungen von Zinsen, Optionen auf Wechselkurse oder Optionen auf bestimmte Geldmarktsätze. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Alles wird schön in einem Swap verpackt und damit legitim.

Eine weitere, in der Vergangenheit sehr beliebte Sache bei Kommunen und Unternehmen war das Swappen in Fremdwährungen, ohne dass man allerdings – wie im Beispiel oben – auch nur irgendeine Einnahme in der anderen Währung gehabt hätte. Die niedrigen Zinsen lockten! Zuerst in japanischen Yen, danach kamen die Schweizer Franken. Dass Zinsdifferenzen zwischen Währungen einen starken Zusammenhang mit der Entwicklung der Wechselkurse haben, das sollte jeder Finanzmanager im Grundkurs Volkswirtschaftslehre zumindest mal gehört haben. Warum dann um alles in der Welt so viele Kommunen und Unternehmen in Deutschland und Österreich, die weit ab der Grenze zur Schweiz liegen und mit der Schweiz auch keinerlei Geschäftsbeziehungen hegen, ihre Kredite auf Schweizer Franken geswappt haben? Die Zinsen waren damals tief dort, werden jetzt viele argumentieren. Ja, das waren sie, aber das hat wie schon erwähnt mit der Währung zu tun. Die Kommune oder das Unternehmen spekulieren hier mit einer Fremdwährung. Das kann wie jede Spekulation gut gehen oder auch sehr schief. Solange es gut geht, redet keiner davon. Wenn es schief geht, dann wurden sie hineingelegt von den Banken und wussten von nichts. Im Fall der Schweiz hat der Franken gegenüber dem Euro stark an Wert gewonnen. Damit hat sich der Swap quasi über Nacht in eine riesige Verbindlichkeit gewandelt. So ist das, wenn man mit Währungen spekuliert. Das kann passieren. Aber dann sollte man es auch von Anfang an so nennen, und nicht unter dem Deckmantel „Absicherung“, „Zinsoptimierung“ oder „Liability Management“ verstecken.

Durch diesen breit angelegten Missbrauch von Zinsswaps als Deckmantel für diverseste Spekulationen hat der Ruf des eigentlichen Instruments des Swaps als Absicherungsinstrument stark gelitten. Swap ist mittlerweile ein böses Wort geworden. Dabei können Zins- und Währungsswaps, wenn sie denn tatsächlich zur Absicherung und ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäß eingesetzt werden, sehr zum positiven Nutzen und der Stabilität einer Volkswirtschaft beitragen!