Citigroup Inc. wurde von der SEC mit 10,5 Mio USD bestraft

Im August 2018 erging der Beschluss der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde SEC (Securities and Exchange Commission) gegen die Citigroup Global Markets Inc. und Citigroup Inc. Citi muss 10,5 Millionen USD an Strafe bezahlen. Grund sind Bewertungsfehler in Derivatepositionen in drei unterschiedlichen Fällen, die sich über mehrere Jahre auf die Risikobewertung der Investmentbank ausgewirkt hatten. Bestraft wurden die fehlerhafte Buchhaltung sowie die mangelnde interne Kontrolle, beides Verstoße gegen das Börsengesetz. Rechenfehler in einem Bewertungsmodell können also auch Verwaltungsstrafen nach sich ziehen, und das in empfindlicher Höhe!

Rechenfehler, Modellfehler und Programmierfehler

Gerade exotische Derivate sind nicht selten ein Albtraum in der Bewertung. Es gibt kaum vergleichbare Produkte und schon gar keinen aktiven Handel. Die Dokumentation der Programmierung lässt schon mal zu wünschen übrig, vor allem, wenn der Quant, der das Modell irgendwann einmal erstellt hat, die Bank mittlerweile verlassen hat. Viele Parameter müssen mühsam eingestellt werden, und gerade bei älteren Produkten kommt es vor, dass die Modellannahmen nicht mehr stimmen und verändert werden müssen. Als vor einigen Jahren die Volatilitäten aufgrund negativer Zinsen am kurzen Ende von Black Vols auf Normal Vols umgestellt wurden, musste jedes einzelne Modell verändert werden. Und jeder, der schon einmal versucht hat, im Code eines alten Programms etwas Bestimmtes zu verändern, weiß, wie fehleranfällig und mühsam die Sache sein kann.

Modelle für illiquide, exotische Derivate können intransparent sein

Die mathematischen Grundlagen sind komplex, ein tiefes Verständnis des Finanzmarktes im Allgemeinen und des Derivatemarktes im Besonderen sind von Nöten, und man sollte eine oder am besten mehrere Programmiersprachen beherrschen, um Bewertungsmodelle für exotische Derivate zu durchblicken. Das schränkt den Kreis derer, die diese Modelle verstehen, erschaffen oder verändern können doch einigermaßen ein. Diese Komplexität ist mit ein Grund dafür, warum es weltweit nur eine relativ geringe Anzahl Banken gibt, die komplexe Derivate überhaupt anbieten. Entsprechend lukrativ sind die Margen. Doch diese Intransparenz und die mangelnde Kompetenz von Außerhalb schaffen auch Risiken. Denn was geschieht, wenn tief in einem Modell ein Fehler passiert, ob nun unabsichtlich oder möglicherweise sogar mit Vorsatz? Derivate sind aufgrund ihrer Hebelwirkung nicht ungefährlich, und schnell kann ein vermeintlich kleiner Fehler millionenschwere Auswirkungen nach sich ziehen.

Verwendung falscher Kurven, Parameter und Spreadsheetfehlern

Im Fall von Citigroup – wo es um das Fehlverhalten von gleich drei Derivatehändlern ging – verwendete einer der Händler falsche Credit Spreads für ein exotisches und illiquides Kreditderivate Portfolio. Die Spreads waren ihrerseits wiederum das Ergebnis interner Berechnungen. Laut SEC trickste der Händler absichtlich mit den Spreads, um Verluste, die er mit einem anderen Produkt gemacht hatte, auszugleichen. Die falschen Bewertungen zogen sich über einen längeren Zeitraum, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Erst viele Monate später kamen die Bewertungen einem Junghändler seltsam vor und die Sache flog auf.

Ein anderer Händler, diesmal einer mit einem Hypothekenportfolio, das er managen sollte, trickste über zwei Jahre hinweg mit der Bewertung seines Portfolios. Auch er wollte laut SEC Handelsverluste aus anderen Geschäften damit verstecken. Dieser Händler schraubte täglich an den vielen Parametern, die für die Bewertung seiner RMBS notwendig waren. Aufgefallen war es schlussendlich nur deshalb, weil die Bewertungsänderungen seiner Hypothekenanleihen täglich auf den Cent genau mit den Handelsverlusten seiner unerlaubten Spekulationen überein stimmten.

Im dritten Fall geht es um einen Inflationshändler, der unter anderem illiquide Zero-Coupon Inflations Optionen langfristig auf seinen Büchern hatte und diese bewerten musste. Einer der wichtigsten Einflussfaktoren für die Bewertung von Optionen ist die Volatilität (in der Fachsprache auch „Vega“ genannt). Da von den Optionen, die der Händler bewerten mussten, keine vergleichbaren Optionen im Markt aktiv gehandelt wurden, konnte der Händler hier auch keine impliziten Volatilitäten aus dem Markt verwenden. Er musste sich deshalb selbst eine Kurve basteln, die anhand nächstbester Instrumente – in seinem Fall Zero Cost Volatilitätsoptionen mit anderen Strikes und anderen Laufzeiten – die Volatilitäten für seine Optionen schätzte. Das gelang ihm offensichtlich nicht, denn die von ihm berechneten Volas lagen weit weg von dem, was andere Inflationshändler dafür gesehen hätten. Sein Rechenfehler führte dazu, dass seine Positionen über mehr als zwei Jahre hinweg zu hoch bewertet wurden. Am Ende lag der Fehler bei knapp 40 Millionen USD. Aufgefallen war der Fehler schließlich einem Kontrahenten, der einen indikativen Rückkaufpreis anzweifelte. Dass der Fehler über einen so langen Zeitraum intern niemandem aufgefallen war, lag an einem zusätzlichen Spreadsheet Fehler in jener Abteilung, die solche Fehlbewertungen eigentlich hätte sehen sollen. Die Abteilung Valuation Control and Analytics Group hatte dafür sogar Zugang zu indikativen Brokerdaten für die Zero Coupon Inflationsoptionen (der Händler durfte die Broker-Daten übrigens nicht sehen). Diese Daten fütterte die Kontrollabteilung in ein leider fehlerhaftes Spreadsheet. Dort war aus welchen Gründen auch immer irgendwann einmal im Jahr 2012 aus 1% (1% = 100 Basispunkte) ein Basispunkt (1 Basispunkt = 0,01%) geworden, und so schlug das Spreadsheet keinen Alarm, als die Bewertungen des Händlers dramatisch von den Quotes des Brokers abwichen.

Kleiner Fehler im Spreadsheet: Geld weg. Job weg. Reputation beschädigt.

Die betroffenen Händler bei Citi haben übrigens alle ihre Jobs verloren und ihre Bonuszahlungen für das davor liegende Jahr nicht mehr bekommen. Über das Schicksal der Manager und internen Kontrolleure ist leider nichts bekannt, der Karriere besonders zuträglich dürfte die Sache allerdings niemandem sein, der in den Fall verwickelt war.

Möglicherweise kann der Fehler im Spreadsheet der Kontrollgruppe auf die Umstellung von Black Vols auf Normal Vols – eine Anpassung an negative Zinsen – zurückgehen, aber das ist hier nur eine Vermutung. Absicht wird in diesem Fall von der SEC nicht unterstellt, sondern das Versagen interner Strukturen. Fest steht, dass durch vermeintlich kleine Fehler in Spreadsheets viele hundert Millionen an Verlusten angefallen sind, es zu einem teuren Verfahren vor der SEC gekommen ist samt Strafzahlungen und Reputationsschaden, und Interna der Bank veröffentlicht wurden, die diese wahrscheinlich lieber für sich behalten hätte.

Zu wenig Personal. Zu wenig Kompetenz. Zu viele Fehler. Internes Kontrollversagen.

Bei Citi lag es laut den Unterlagen der SEC an zu wenig Personal in den zuständigen, internen Kontrollabteilungen sowie unzureichenden Überwachungsstandards. Tatsächlich ist die Bewertungskontrolle hoch komplexer, exotischer Derivate und illiquider Portfolien eine sehr herausfordernde Aufgabe. Bereits Kleinigkeiten können gravierende Auswirkungen haben. Die Verwendung selbst gestrickter Spreadsheets und Bewertungsmodelle, die intern von Person zu Person weiter gereicht werden, möglicherweise ohne ausreichende Übergabe oder Dokumentation, tragen nochmals ihr Quäntchen zur Undurchsichtigkeit bei. Kommen dann auch noch knappe, personelle Ressourcen und Umstrukturierungen hinzu, kann sicherlich jeder nachvollziehen, dass nicht immer alles jederzeit unter Kontrolle ist.

Zusätzliche Unterstützung kann helfen

Zu personellen Engpässen kann es in jedem Unternehmen kommen. Gerade in sensitiven Abteilungen, die mit der Bewertung komplexer Derivate betraut sind, können diese Engpässe durchaus dramatische Folgen haben. Sprechen Sie uns an, um über vorübergehende Teamverstärkungen oder eine zweite Bewertungsmeinung für ein Produkt, Bewertungsmodell oder Portfolio zu sprechen!