Die Zeiten könnten turbulenter kaum sein. Völlig aus dem Nichts wurden nicht nur die Kapital- und Finanzmärkte, sondern weltweit alle Volkswirtschaften in eine Krise gestürzt, die dramatischer kaum sein könnte. Ob die von der Politik weltweit verordneten, tief in Gesellschaft, Wirtschaft, Demokratie und Menschenrechte einschneidenden Maßnahmen gerechtfertigt waren oder nicht, darüber werden sich zukünftige Generationen wohl noch unterhalten. Doch das ist etwas für nach der Krise. Noch befinden wir uns mitten im Zentrum des Sturms, und für Unternehmen, Staaten, Kommunen, Asset Manager, Versicherungen, Banken und Privatpersonen geht es aktuell darum, die Auswirkungen unter Kontrolle zu bekommen. Derivate stehen dabei ganz oben auf der Liste.

Das Bewusstsein für Risiko lebt wieder auf

Die Virus-Krise hat die Welt in einer Zeit getroffen, in der gerade auch die Kapital- und Finanzmärkte nach mehr als einem Jahrzehnt im Aufwärtstrend in eine Art Unbekümmertheit abgedriftet waren. Das Thema Risiko und Risikomanagement war vielfach nur noch diese lästige Aufgabe, die Aufsichtsbehörden und Regulierungen vorschreiben. Die Märkte hatten sich an die großzügige Liquidität durch die Zentralbanken gewöhnt. Die Bilanz der EZB spricht dabei Bände. Ende 1999 hatte die EZB eine Bilanzgröße von 807 Milliarden. Ende 2006, vor der Finanzkrise, lagen wir bei 1,15 Billionen Euro. Seither geht es rasant nach oben. Ende 2019 war die Bilanz der EZB auf 4,7 Billionen Euro angewachsen, wohlgemerkt noch vor der Corona-Krise. Das viele Geld der EZB hielt Zinsen tief, ließ Staatsausgaben vielerorts locker sitzen und versorgte Aktien- und Immobilienmärkte mit Liquidität für einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Mitten in diese Sorglosigkeit platzten die Corona-Maßnahmen. Sie brachten Angst, Volatilität, Umsatz- und Kurseinbrüche und damit ein neues Bewusstsein für die Unberechenbarkeit des Lebens. Risiko und Risikomanagement sind wieder in aller Munde und haben ihre Chefpriorität zurück bekommen.

Derivate zur Absicherung: Etabliert, liquide und kostengünstig

Finanzielle Risiken lassen sich standardisiert, schnell und verhältnismäßig kostengünstig über Finanzderivate absichern. Zinsrisiken, Wechselkursrisiken und Kreditrisiken zählen zu den wichtigsten Risiken, denen internationale Unternehmen, Banken und Asset Manager gegenüber stehen. Es überrascht deshalb nicht, dass Zinsderivate mit durchschnittlich 6,5 Billionen US-Dollar und Währungsderivate mit 6,6 Billionen US-Dollar täglichem Handelsumsatz (Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Triennial Survey 2019) die liquidesten und am meisten gehandelten Finanzprodukte überhaupt sind. Kreditderivate bilden mit 2,4 Billionen US-Dollar Umsatz ebenfalls ein starkes und liquides Marktsegment.

Handelsvolumen für Derivate stark gestiegen

Laut Daten der ISDA (International Swaps and Derivatives Association) und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich waren vor allem Zins-, Währungs- und Kreditderivate im ersten Quartal 2020 stark nachgefragt. Das Volumen bei Zinsderivaten stieg um 25%, jenes von Kreditderivate gar um 67,9% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Vor allem der Zuwachs bei Kreditderivaten überrascht wenig, schließlich kommen auf den Markt durch die Corona-Maßnahmen zunächst Downgrade-Wellen und danach sicherlich auch Insolvenzwellen zu, und das sowohl für Staaten als auch Unternehmen. Gegenüber Downgrades sind Asset Manager und Versicherungen besonders sensibel, da sie große Bestände ihrer Portfolien ab bestimmten Ratings zwangsverkaufen müssen, und Banken wird die Insolvenzwelle besonders treffen. Dagegen helfen Credit Default Swaps, die vor allem auf Indizes wie CDX HY (ein High Yield Index), CDX IG (ein Investment Grade Index) oder den breiten iTraxx Europe besonders liquide sind.

Auch die Anzahl der Trades ist gestiegen

Gerade bei Zins-, Währungs- und Kreditderivaten sagt der Nominalbetrag bekanntlich nur wenig über das Risiko des Derivats und damit über das abgesicherte Risiko des Grundgeschäfts aus. Die Aussage, dass das Volumen bei Zinsderivaten im ersten Quartal 2020 87,4 Billionen US-Dollar betrug, verglichen mit 70 Billionen US-Dollar im ersten Quartal 2019, ist deshalb nur bedingt nützlich. Interessant ist einerseits die Information der ISDA, dass vor allem die Overnight Index Swaps (OIS) stark gewachsen sind (um 111,4%), aber auch die Anzahl der Geschäfte ist interessant. Im ersten Quartal 2020 wurden 481.600 Geschäfte mit Zinsderivaten registriert, verglichen mit 378.000 Geschäften im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die meisten Trades gibt es nach wie vor in Fixed-For-Floating Zinsswaps, doch beim Volumen liegen die Overnight Index Swaps und Forward Rate Agreements vorne. Vor allem OIS können oft schwindelerregend hohe Nominalbeträge aufweisen, sind aber durch ihre kurze Laufzeit bei Weitem nicht so sensitiv gegenüber Marktbewegungen und haben entsprechend ein geringeres Risiko. Was in keiner bekannten Statistik je erhoben wird, ist das Delta oder DV01 der Trades, obwohl genau das die höchste Aussagekraft hätte.

Bei den Kreditderivaten wuchs der gehandelte Nominalbetrag von 2,4 Billionen US-Dollar auf 3,9 Billionen US-Dollar, und die Anzahl der Trades stieg von 63.200 auf 102.000 Geschäfte. Der Großteil der Geschäfte und Nominalbeträge entfiel dabei auf die drei bereits erwähnten Indizes CDX IG, CDX HY und iTraxx Europe.

Derivate sind wichtige Bausteine im Risikomanagement

Sie waren es schon immer, aber gerade in der aktuellen Situation sind Derivate besonders wichtig, um finanzielle Risiken vom Grundgeschäft fern zu halten. Niemand weiß, was noch kommen wird. Risiken mit Hilfe des Derivatemarktes einzuschätzen, zu bewerten und abzusichern ist deshalb nicht nur vorsichtig, sondern wahrscheinlich in vielen Fällen überlebenswichtig.