Die verkehrte Welt der aktuellen Zinskurve als Auswirkung auf die bereits seit mehreren Jahren anhaltende Niedrigzinsphase im Euroraum hat eine Vielzahl von Folgen, die man sich vor einigen Jahren noch nicht mal hätte träumen lassen.
Eine der vielen Folgen ist die Verschiebung bei der Bewertung und den Kuponberechnungen für CMS (Constant Maturity Swap) Spread Produkte in Euro. Diese waren vor allem zwischen den Jahren 2000 – 2010 ausgesprochen beliebt, und das sowohl auf der Asset- als auch der Liabilityseite. Besonders häufig abgeschlossen wurden Trades auf dem CMS 10 minus CMS 2. Dabei wird der Zinssatz als die Differenz zwischen dem 10-Jahres Swap Satz und dem 2-Jahres Swap Satz definiert. Je höher der Unterschied zwischen dem Fixzins, der auf Swaps mit zehnjährigen Laufzeiten gezahlt wird, und jenem für zweijährige Laufzeiten, desto höher der Kupon. Je steiler die Zinskurve, desto höher ist somit der Kupon. Bei einer sehr flachen Zinskurve, also sehr wenig Abstand zwischen dem 2-Jahres-Satz und dem 10-Jahres-Satz, desto geringer der Kupon. Deshalb werden diese Trades auch gerne als Kurventrades bezeichnet.
Nun war es in den Jahren der Blütezeit von CMS Spread Swaps und CMS Spread Anleihen so, dass sich die Finanzmärkte hier vor allem um eine mögliche und teilweise im Segment 30 minus 10 tatsächlich eingetretene Inversität der Zinskurve sorgten. Die Investoren waren bei Produkten auf der Assetseite meist die Empfänger des 10-Jahres-Swap Satzes und Zahler des 2-Jahres-Swap Satzes. Das Risiko dieser Trades, so sahen sie es damals, lag darin, dass der 2-Jahres Satz über den 10-Jahres Satz steigen könnte, die Zinskurve also invers werden könnte. Deshalb wurden vorsichtshalber in die meisten der ab 2005 abgeschlossenen Swaps und Anleihen Zinsuntergrenzen von Null Prozent im strukturierten Kupon mit aufgenommen.
Was damals niemand für möglich gehalten hatte und deshalb auch weder in der Preisfindung noch in der Dokumentation einen Niederschlag fand, war das Risiko von negativen Swapsätzen am kurzen Ende der Kurve. So etwas war vor wenigen Jahren noch absolut unvorstellbar.
Heute ist es hingegen so, dass ein CMS Spread Swap sowie eine CMS Spread Anleihe auf den 10-Jahres-Swap minus den 2-Jahres-Swap keine Zinsdifferenz mehr abbildet, sondern die beiden Sätze tatsächlich zueinander addiert werden. Das liegt am aktuell negativen 2-Jahres-Swap Satz. Aus einer Zinsdifferenz wird also Zins plus noch ein Zins. Das freut denjenigen, der nun beide Zinssätze bekommt. Den Zahler der beiden Seiten – auf der Assetseite in der Regel die Investmentbank, bei Liability Trades das Unternehmen oder die Kommune – freut das weniger.
Dieses Phänomen hat übrigens nicht nur dramatische Auswirkungen auf die aktuellen Kupons, sondern vor allem auf die Bewertungen der Geschäfte. Je nach Restlaufzeit mussten die Barwerte der Trades entsprechend angepasst werden. Das führte bei vielen Handelsbüchern für exotische Zinsswaps zu starken Wertberichtigungen. Die Modelle mussten zudem überarbeitet werden, damit die wenigen Neuabschlüsse, aber vor allem Umstrukturierungen und Close-Outs korrekt bewertet werden konnten. Denn nicht alle bisher verwendeten Modelle vollführten den Wechsel im Vorzeichen ohne Probleme.
Viele der vor 2005 abgeschlossenen Geschäfte dürften mittlerweile ausgelaufen sein, denn die Laufzeiten gingen selten über zehn Jahre hinaus. Ausnahmen bilden die vor allem in Deutschland vielfach abgeschlossenen Multitranchen Anleihen und Multitranchen Swaps, deren letzte Tranchen, falls diese ausgeübt wurden, deutlich länger laufen.
Das Kippen ins Negative am kurzen Ende der Zinskurve hat sowohl die Sell Side als auch die Buy Side vor neue und vor allem unvorhergesehene Herausforderungen gestellt. Die Financial Engineering Community hat zudem wieder einmal ein weiteres Phänomen in ihre Modelle einarbeiten müssen. War die Herausforderung vor einigen Jahren noch eine inverse Zinskurve, sind es heute Negativzinsen. Die Welt der Zinsen ist so langweilig nicht, wie es manchmal den Anschein haben mag!