Swap Spreads sind die Differenz zwischen den Renditen auf Staatsanleihen und den Zinssätzen, die auf der fixen Seite eines Plain Vanilla Zinsswaps mit gleicher Laufzeit gezahlt werden. Im Grunde ist der Swap Spread ein Credit Spread und spiegelt die Bonität von Swapkontrahenten wider.
Zumindest war das bisher so. Mit bisher meine ich die letzten 20 Jahre, in denen der Swap Spread stets als wichtiger Indikator dafür galt, wie es um die Gesundheit und Bonität verschiedener Sektoren vor allem im Finanzbereich steht. Doch seit einiger Zeit spielt der Swap Spread verrückt und ist im USD für viele Laufzeiten negativ geworden. Sind US-amerikanische Staatsanleihen plötzlich riskanter als Zinsswaps zwischen zwei Banken?
Historisch gesehen lagen die Renditen für Staatsanleihen, also etwa von Deutschen Bundesanleihen oder US-Treasuries, immer deutlich unter den entsprechenden Swapsätzen. Das klingt logisch, da Staatsanleihen von Deutschland oder den USA in der Finanzwissenschaft als das risikolose Asset gelten. Swaps hingegen werden in der Regel zwischen Banken oder Banken und Unternehmen geschlossen, und diese haben nunmal ein gewisses Ausfallsrisiko.
Seit mehreren Monaten nun sind viele Swap Spread Laufzeiten in USD plötzlich negativ. Die Swapspreads in EUR sind zwar noch positiv, haben sich aber über die letzten Jahre extrem eingeengt. Und das scheint kein vorübergehendes Phämomen zu sein. Damit haben Swap Spreads ihre bisherige Funktion als Credit Spread Indikator verloren. Was nützt es, den Swap Spread anzugeben, wenn er keine Aussage zur Interpretation der Bonität mehr zulässt?
Für diese Entwicklung gibt es mehrere Erklärungsversuche:
- Die zunehmende Regulierung im Bankensektor und damit niedrigere Balance Sheets haben einen Einfluss auf die Swap Spreads.
- Es gibt ein Überangebot an US-Staatsanleihen sowohl auf dem Primär- als auch auf dem Sekundärmarkt. Dieses Überangebot wird unter anderem von Zentralbanken aus dem Emerging Markets Segment verursacht.
- Die aktuell vielen Anleihenemissionen im Dollar-Raum führen zu erhöhter Hedging Aktivität. Neu ausgegebene Anleihen werden durch Swaps gehedged, in denen der Emittent fix empfängt. Das erhöht die Nachfrage nach Receiver Swaps und senkt damit den Zins auf der fixen Seite.
Das mögen alles Argument für eine Einengung des Swap Spreads sein, aber sind Regulierung, Angebot und Nachfrage sowie Hedging Aktivitäten tatsächlich stark genug, um Swapspreads über beinahe alle Laufzeiten hinweg dauerhaft ins Negative zu drehen? Wohl kaum.
Was viele Ökonomen, die sich mit der Erklärung der negativen Swapspreads befassen, bisher häufig ignoriert haben, sind die Veränderungen bei der Besicherung und der Abwicklung von Swapgeschäften. Im Zuge der internationalen Finanzkrise von 2008 haben sich die G20 Staaten im September 2009 darauf verständigt, standardisierte Derivate in Zukunft einem zentralen Clearing zu unterwerfen. Mit der Umsetzung waren die USA bisher mit Dodd-Frank am schnellsten, die EU wird mit EMIR erst 2016 folgen.
Unter dem Dodd-Frank Regelwerk hat es die CFTC (Commodity Futures Trading Commission) in den USA seit März 2013 stufenweise zur Pflicht gemacht, dass sämtliche Plain Vanilla Zinsswaps, die in den USA gehandelt werden und in einer der vier Hauptwährungen USD, GBP, JPY oder EUR denominiert sind, über eine zentrale Clearingstelle abgewickelt werden müssen. Alle nicht an die DCO (Derivatives Clearing Organization) gemeldeten Swaps sind grundsätzlich verboten. Exotische Swaps, also solche mit Optionalitäten, Dual Currency Swaps oder Nominalbeträgen, die von Faktoren während der Laufzeit abhängig sind, müssen derzeit noch nicht zentral gecleared werden.
In der EU, wo heute schon ein Großteil der Zinsswaps auf freiwilliger Basis zentral gecleared wird, tritt ab 2016 das EMIR Regelwerk in Kraft, das ein zentrales Clearing dann auch zur Pflicht macht. Mit der MiFIR Richtlinie (Markets in Financial Instruments Regulation), die im Januar 2017 in Kraft tritt, müssen standardisierte und liquide Swaps dann sogar über einen regulierten Markt, eine MTF (Multilateral Trading Facility) oder eine OTF (Organized Trading Facility) gehandelt werden. Das passiert heute auch schon großteils, denn die Mehrzahl der großen Plain Vanilla Swaps werden auch jetzt schon elektronisch über zentrale Plattformen gehandelt.
Seit einigen Jahren werden also immer größere Teile des bisherigen OTC-Geschäfts nach und nach auf zentrale Abwicklungsplattformen verlagert, die eine sogenannte Zentrale Gegenpartei (Central Counterparty oder CCP) beinhalten. In Europa ist dies etwa das London Clearing House mit SwapClear, wo ein Großteil des Interbankengeschäfts mit Zinsswaps abgewickelt wird. Ein Zinsswap wird also heute rein risikomäßig in den meisten Fällen nicht mehr direkt zwischen zwei Banken – nennen wir sie Bank 1 und Bank 2 – abgeschlossen, sondern zwischen Bank 1 und der CCP, sowie zwischen der CCP und Bank 2. Die Central Counterparty steht also zwischen den Vertragsparteien. Als Sicherheit müssen Bank 1 und Bank 2 jeweils Collateral bei der CCP hinterlegen. Dieses Collateral wird regelmäßig angepasst. Durch dieses System der Besicherung einerseits sowie dem Handel mit einer Zentralen Gegenpartei andererseits reduziert sich das Kreditrisiko, das Swapgeschäfte bisher naturgemäß mit sich brachten.
Das trifft zumindest auf das Plain Vanilla Geschäft mit Zinsswaps im Interbankengeschäft zu. Da Swaps mitunter sehr individuelle Ausgestaltungen haben können, und gerade auch darin ein besonderer Mehrwert dieses Instruments liegt, fallen einige Swaps noch durch den Rost und können nicht über diese zentralen Clearingstellen abgewickelt werden. Das betrifft beispielsweise Swaps mit variablem Nominal, wie sie etwa bei Kredithedges verwendet werden, oder auch Swaps mit Optionalitäten, Dual-Currency Swaps und Swaps mit variablen Accruals. Aber diese „exotischen“ Swaps wurden bisher auch nicht in die Quotes der Swap Spreads mit einbezogen und haben somit für die Veränderung keine Bedeutung. Besichert werden diese exotischen Swaps in der Regel übrigens trotzdem, allerding bilateral zwischen den Swapkontrahenten.
Vielleicht kann man also in den neuen Clearing Methoden einen weiteren, wichtigen Grund finden, dass der Swap Spread seine bisherige Aussagekraft verloren hat und nicht mehr als Credit Spread taugt. Der Trend zu sehr geringen bis hin zu negativen Swap Spreads wird sich wahrscheinlich fortsetzen und ein Umdenken in der Analyse und Aussagekraft bisheriger Indikatoren erfordern.