Bei Anruf Betrug
Vor einiger Zeit hat mir erstmals der Vater einer guten Freundin davon erzählt, dass er immer wieder Anrufe von Brokern aus London bekommt. Die ihm unbekannten Firmen und Broker würden ihm ständig Aktien empfehlen, angebliche Geheimtipps, mit denen er viel Gewinn machen könnte. Von den Aktien habe er zuvor noch nie gehört, allesamt unbekannte Unternehmen. Mit einem Online Code sollte er die Aktien dann kaufen, denn so würde der Broker, wie er sagt, seine Provision für den Tipp bekommen.
Wie sie an die Namen und Nummern ihrer Opfer kommen, ist nicht ganz klar. Ihr Datamining scheint allerdings gewissenhaft gemacht, denn sie rufen hauptsächlich Männer zwischen 50 und 70 an, die wohl situiert und am Aktienmarkt interessiert sind und häufig einen Doktortitel haben.
Gezielte Kaltakquise mit falscher Nummer
Die Anrufe erfolgen als Kaltakquise („Cold Calling“), entweder mit unterdrückter Nummer oder mit einer falschen, in unserem Fall englischen Nummer. Wobei das mit den Telefonnummern in Zeiten von VOIP ohnedies einfach geworden ist. Jeder kann sich heute für sein Unternehmen Nummern aus einem beliebigen Ort der Welt geben lassen.
Die Firmen nennen sich ständig anders, werden rasch gegründet und wieder geschlossen. In England – wie auch in einigen weiteren Ländern – sind Firmengründungen sehr einfach und kostengünstig.
Es rufen deutschsprachige Männer an, angeblich Broker, die einen sicheren Aktientipp haben, den sie ihrem Kontakt unbedingt mitteilen wollen. Von den Aktien selbst hat noch niemand gehört. Meist sind es sehr kleine AGs mit Sitz im Ausland, manchmal wird die Eröffnung einer Zweigstelle oder der Umzug nach Deutschland in Aussicht gestellt. Die Aktien sind an einer Börse gelistet, aber stets in Segmenten, die gering reguliert sind und für die es wenig Anforderungen in Richtung Publizität, Liquidität und Preisabweichungen gibt.
Was steckt dahinter?
Worum geht es dem Anrufer? Um Provisionen? Ein Pyramidenspiel? Um Kursmanipulation? Die Bafin und ihre europäischen Pendants untersuchen jedes Jahr hunderte solcher Fälle auf Kursmanipulation. Das Spiel läuft häufig sehr ähnlich ab. Es sind stets Aktien in kaum regulierten Börsensegmenten, oft Penny Stocks mit miserablen Fundamentaldaten und geringer bis gar keiner Liquidität. Zuerst werden die Aktien durch massenhafte Werbeanrufe in die Höhe getrieben. Es sind auch Fälle bekannt, in denen auf der Homepage der AG falsche Informationen zu bevorstehenden Auftragsabschlüssen publiziert wurden. Die guten Nachrichten motivieren die Zielpersonen, noch mehr zu kaufen. Die bisherigen Aktienbesitzer verkaufen ihre Papiere mit Gewinn, und nach dem Ende des Telefonmarketings bricht der Kurs ein. Diejenigen, die zu spät aus dem Spiel ausgestiegen sind, verlieren ihr Geld. Die anderen, die noch mit Gewinn ausgestiegen sind, werden aufgefordert, an den Broker einen bestimmten Prozentsatz ihres Profits zu überweisen, meist um die 5%.
Nicht nur auf Aktien beschränkt
Diese Masche ist übrigens nicht auf Aktien allein beschränkt. Es sind Fälle von Anleihen, Genussscheinen und Fonds bekannt. Die Marketingaktionen der falschen Broker finden zudem auch per Email und Börsennewsletter statt.
Und es funktioniert immer wieder
In Deutschland ist die Kaltakquise von Privatpersonen verboten. Zu stören scheint das die Unternehmen nicht. Und trotz immer wieder kehrender Warnungen durch die Bafin und die Polizei funktioniert der Trick mit dem sicheren Geheimtipp noch immer. Dabei fragen sich entweder einige der Käufer der Aktien nicht, warum ihnen ein völlig Fremder solch einen grandiosen Geheimtipp verraten sollte, oder sie nehmen das Risiko bewusst in Kauf und denken, sie können rechtzeitig wieder aussteigen. Doch am Ende bleiben Kursmanipulation und Betrug, und eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass man das investierte Geld nicht wieder sieht.