Wie bereits in unserem vorherigen Beitrag befürchtet, ist die Übergangsfrist für den Brexit ohne eine Einigung in Bezug auf die Äquivalenz des Finanzplatzes London zu Ende gegangen. Seit heute dürfen außerbörsliche Geschäfte mit Plain Vanilla Zinsswaps, Kreditderivaten auf den iTraxx und einer ganze Reihe von Wertpapieren von EU-Banken und Handelshäusern nur noch auf in der EU, den USA und Singapur basierten, zugelassenen Handelsplattformen gehandelt werden.

Aktienhandel jetzt auf Plattformen in Paris und Amsterdam

Schon vor Monaten haben Banken in der EU damit begonnen, ihren Aktienhandel umzustellen und entweder teilweise oder komplett über EU-basierte Plattformen zu handeln. Seit dem 4. Januar 2021, dem ersten Handelstag des neuen Jahres, ist das Handelsvolumen in EU-Aktien fast vollständig von Londoner zu EU-basierten Plattformen umgezogen. Die größte der Plattformen, die Aquis Exchange Plc, hat laut Bloomberg bestätigt, dass über 99% des Volumens in EU-Aktien nach dem Jahreswechsel nach Paris gewandert sind und die Londoner Plattform kaum genutzt wird. Dabei ist der Aktienhandel noch das geringere Problem, auch in seiner Größenordnung. Denn die wichtigsten Produkte sind nach wie vor Zinsswaps, von denen bisher täglich ein Volumen von 200 Milliarden USD pro Tag über London gehandelt wurde.

Die britische FCA erlaubt kurzfristig Ausnahmen für Zinsswaps

Im allerletzten Moment, am 30. Dezember 2020, hat die britische Finanzmarktaufsicht FCA (Financial Conduct Authority) vorübergehende Ausnahmen beschlossen. Nun dürfen zumindest die in London ansässigen Zweigstellen von europäischen Banken für ihre EU-Kunden auf EU-Plattformen handeln. Ohne diese Ausnahme in letzter Sekunde wäre es zur paradoxen Situation gekommen, dass Tochterfirmen von EU-Banken weder im UK noch in der EU die Plattformen benutzen hätten dürfen. Da es sich hier vor allem im Zinsderivatemarkt aber um einige der weltweit wichtigsten Market Maker handelt, wäre der Handel für Plain Vanilla Zinsswaps per 4. Januar 2021 wohl zum Erliegen gekommen. Nun gibt es eine Ausnahme, die bis zum 31. März 2021 gelten wird, allerdings nur für den Handel im Auftrag von EU-Kunden. Eigenhandel und der Kundenhandel für nicht-EU-Kunden ist von der Ausnahme dabei nicht umschlossen.

Zinsswaps mit holprigem Start ins Jahr

Für den Handel mit Zinsswaps, der bisher zu 60% des weltweiten Volumens aus London erfolgte, beginnt das neue Jahr holprig. Es gibt den Umweg über New York und Singapur, was aber schon allein aufgrund der Zeitverschiebung für Londoner Händler suboptimal ist. Nach und nach werden die eigenen Handelsbücher großer Banken wohl wieder in die jeweiligen Stammhäuser gezogen, falls das nicht ohnehin bereits erfolgt ist. Einen etablierten Handel von einem Land ins andere zu ziehen ist dabei komplexer als man denkt. Es geht nicht nur darum, Händler von A nach B oder von London nach Frankfurt, Zürich, Paris, München oder Mailand zu versetzen, sofern diese dabei mitspielen. Es geht um die IT Infrastruktur, das Back- und Middleoffice, interne Prozesse in Bezug auf Regulierung, Aufsicht, Risikomanagement, Treasury, Reporting, steuerrechtliche Aspekte, Arbeitsplätze mit der nötigen Infrastruktur, Datenleitungen, Sicherheit, Clearing Anbindungen, Collateral Management und vieles mehr. Das beschäftigt Organisationen und bindet Energie und Kapazitäten. Der Appetit für neues Risiko in den Büchern sinkt. Entsprechend sehen wir zu Jahresbeginn ein zurückhaltendes Handelsvolumen.

Ein schwerer Schlag für den Finanzplatz London

Wie große Banken nun damit umgehen wird sich zeigen. Für den Finanzplatz London ist die Niederlage der Briten in Bezug auf die Äquivalenz jedenfalls ein schwerer Schlag. Schließlich haben Banken und Aufsichtsbehörden in London über Jahrzehnte daran gearbeitet, eine erfolgreiche Infrastruktur, einen großen Talentepool, diverse zugehörige Dienstleistungen wie Spezialkanzleien, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer, Zahlungs- und Abwicklungsinfrastruktur, Kontakte, Beziehungen und Netzwerke aufzubauen, um London zum weltweit wichtigsten Finanzzentrum zu machen. Es geht um weit mehr als das Umlegen eines Schalters von London nach Paris, Amsterdam, Frankfurt oder Warschau. Es geht um eine Milliardenindustrie, um Investitionen, die nicht übertragbar sind, um menschliche Expertise, Infrastruktur und ein informelles Netz aus Kontakten, Beziehungen und Informationen, um vorteilhafte Steuern und Regulierungen. Das alles geben die großen Finanzhäuser nur ungern auf. Die Sprachbarrieren mögen eine zusätzliche Hürde auf dem Weg nach Europa sein, schließlich spricht die Welt fast flächendeckend Englisch, aber wer kann schon Polnisch, Niederländisch, Französisch oder Deutsch? Es wird wohl einige Zeit dauern, bis sich die Finanzwelt mit der neuen Situation zurecht gefunden hat und wieder reibungslos funktioniert. Für den Handel mit Zinsderivaten erneut eine Herausforderung, die gemeistert werden will.