Die Umstellung von LIBOR auf die von den Aufsichtsbehörden in den USA und im UK vorgeschlagenen Overnight Risk Free Rates (RFRs) will einfach nicht so recht klappen. Marktteilnehmer überall auf der Welt ignorieren die RFRs großteils und schließen ihre Neugeschäfte immer noch zum überwiegenden Teil gegen die nach wie vor beliebten LIBOR-Sätze ab. Dass diese ab Ende 2021 abgeschafft werden sollten, scheint den Markt bisher nicht zu beeindrucken. Die Aufsichtsbehörden in den USA machen jetzt den ersten Rückzieher. Die ICE Benchmark Administration hat in einer Presseaussendung am 30.11.2020 veröffentlicht, dass sie die USD LIBORs für die Laufzeiten Overnight, ein Monat, drei Monate, sechs Monate und 12 Monate noch bis 30. Juni 2023 weiter veröffentlichen möchte.

Konsultation mit Marktteilnehmern

Noch ist die Verlängerung nicht beschlossen. Sie muss zunächst durch eine offizielle Konsultationsrunde laufen. Wie der Markt über das Ende der LIBOR Berechnungen denkt, zeigt er jeden Tag aufs Neue mit einer Fülle von Neugeschäften in LIBOR Trades. Marktteilnehmer werden sich also aller Voraussicht nach für die Verlängerung aussprechen. Es ist anzunehmen, dass auch die Panel Banks, die für die Quotierungen der LIBOR Sätze zentral sind, für die Verlängerung stimmen. An der Konsultation dürfen allerdings auch offizielle Stellen wie etwa die Aufsichtsbehörden teilnehmen. Ihrer Ansicht nach ist LIBOR überholt, fehleranfällig und muss abgeschafft werden. Wir erwarten dennoch einen Beschluss noch im Dezember 2020 über die Verlängerung bis zunächst Juni 2023. Das sind 1,5 Jahre länger als geplant. Was danach kommt wird sich zeigen.

1 Woche USD-LIBOR und 2-Monate USD-LIBOR werden nicht verlängert

Für zwei wenig genutzte Laufzeiten der USD-LIBOR Sätze soll das Aus trotzdem schon Ende 2021 kommen. Für sie sieht die ICE wenig Bedarf und Nachfrage. Marktteilnehmer können damit leben, selbst für Geschäfte, die gegen einen der beiden endenden Sätze gehandelt wurden. Durch Interpolation lassen sich schon heute Laufzeiten zwischen einzelnen Sätzen gut bestimmen, und diese Vorgehensweise gehört zudem seit Jahrzehnten zum Marktstandard zwischen Swapparteien.

Frage wie es mit anderen LIBORs weiter geht

Die Entscheidung der ICE betrifft nur die USD-LIBOR Sätze. Zu den anderen LIBORs wie etwa Sterling und Yen gibt es keine Konsultation. Die britische FCA (Financial Conduct Authority) ist ein harter Verfechter für das Ende der LIBOR Sätze. Das geht auch in der Antwort der FCA zur Konsultation der IBA hervor. Sie erlauben die Konsultation zwar, verlangen aber gleichzeitig, dass die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden die Verwendung von LIBOR für Neugeschäfte nach 2021 verbieten. Die Rhetorik der FCA ist nach wie vor unnachgiebig, und eine Verlängerung für den Sterling-Libor ist daher aktuell sehr unwahrscheinlich.

Verbot für UK Banken für die Verwendung von LIBOR nach 2021 in Vorbereitung

Es wird also nach wie vor mit harten Bandagen gekämpft. Im UK ist ein Gesetzesentwurf der Financial Services Bill bereits als Vorlage im britischen Parlament eingereicht, der es im UK beaufsichtigten Banken untersagen soll, nach 2021 noch Neugeschäfte gegen LIBOR abzuschließen. Die FCA soll durch die neue Financial Services Bill neuen, umfangreiche Rechte erhalten. Unter anderem auch das Recht, die Nutzung von LIBOR Sätzen zu verbieten. Die Bill hat es auch sonst in sich und wird in mehreren Punkten deutliche Wettbewerbsvorteile und Erleichterungen für UK-Finanzinstitute gegenüber dem EU-Recht gewähren. Es geht um Erleichterungen beim regulatorischen Kapital und die Ermächtigung, eine ganze Reihe von bisher gemeinsam mit der EU geregelten Vorschriften im Finanzbereich aufzuweichen. Da die vorgeschlagene Bill Teil der Brexit Erleichterungen für den Finanzbereich ist, und darauf das Hauptaugenmerk der Bill liegt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie im britischen Parlament ausreichend Zustimmung findet. Dass die FCA dann auch direkt die Nutzung von LIBOR Sätzen verbieten darf, ist natürlich ein Hammer.

Der Markt steht auf Seite der LIBOR Sätze

Finanzmarktteilnehmer weltweit stimmen überein, dass die von den Aufsichtsbehörden vorgeschlagenen RFRs kein adequater Ersatz für die seit Jahrzehnten erprobten und etablierten LIBOR Sätze sind. Es geht um Term Rates, die in unseren Finanzprodukten weltweit verankert sind, und auch um die Vorteile einer Zinsfeststellung im Vorhinein einer Zinsperiode. Es geht um den Credit Spread, der in den LIBOR Sätzen vorhanden ist, und der das Geschäft zwischen Banken heute gut abbildet. Das soll nicht heißen, dass die neuen RFRs schlecht wären. Die Idee hinter den Overnight Rates ist gut. Doch ihr Einsatz ist vor allem für kurze Laufzeiten im Liquiditätsmanagement geeignet. Die beiden Gruppen an Benchmark-Sätzen können, so die Meinung vieler Marktteilnehmer, gerne parallel existieren. Und wer weiß, vielleicht geht der Markt nach und nach in Richtung der RFRs. Was der Markt nicht schätzt sind Zwang und Zeitdruck, den die FCA seit Jahren blind ausübt. Nun hat zumindest die ICE für den überaus wichtigen USD-LIBOR den ersten Rückzieher gemacht.