Wenn Portfolien unübersichtlich werden

Portfolien haben die unangenehme Angewohnheit, mit zunehmender Größe sehr schnell ausgesprochen komplex und schlecht überschaubar zu werden. Viele verschiedene Position, diverse Formen der Verbriefung, ein Wirrwarr aus Aktien, Anleihen und Fondsanteilen, dazu möglicherweise noch diverse Asset-Swaps und Equity-Swaps. Manche Bestände sind als Wertpapierleihe vergeben, andere werden für Repo-Geschäfte verwendet, da verliert man als Portfoliomanager schon mal leicht den Überblick. Noch schlechter geht es dann dem Risikomanager, der das Portfolio nicht selbst zusammen gestellt hat, und der im Zweifelsfall gleich viele dieser wirren Sammlungen sowohl auf der Aktiv- als auch der Passivseite beurteilen muss.

Externe Ratings sparen Zeit und Mühe

Da liegt es nahe, sich die Arbeit durch die Verwendung externer Ratings einfacher zu gestalten. Der Bond, die Unternehmensanleihe, die Aktie und die Verbriefung dürfen laut vieler Anlagevorschriften nur dann gekauft werden, wenn ein externes Rating einer der drei großen Rating-Agenturen vorliegt. Haben also Standard&Poors, Moody’s oder Fitch eines ihrer Buchstaben- und Zahlensiegel auf ein Finanzprodukt gesetzt, dann scheint die Sache in Ordnung. Die viele Arbeit der Analyse haben sich hier bereits die Experten der Ratingagenturen gemacht, und wenn diese sagen alles passt, dann wird es wohl auch so sein.

Immer wieder Bruchlandungen mit externen Ratings

Leider haben Risikomanager hier ein kurzes Gedächtnis. Die größte Krise mussten „The Big Three“ nach dem Platzen der dotcom Blase im Jahr 2000 überstehen. Hier hatten die Agenturen vielen Unternehmen beste Ratings gegeben, die nachträglich betrachtet niemals gerechtfertigt gewesen waren. Das Spiel wiederholte sich 2008. Diesmal hatten sich Mortgage Backed Securities, Collateralized Debt Obligations (CDOs) und Verbriefungen von CDOs (CDO²) bester Noten erfreut, die ebenfalls nicht das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben standen.

Das problematische „Issuer Pays“-Modell

Dazu muss man wissen, wer die Ratingagenturen für ihre Arbeit, also die Bewertung von Unternehmen, Kommunen, Staaten, Aktien, Anleihen, Verbriefungen und anderen Finanzprodukten bezahlt. Tatsächlich muss jener die Rechnung tragen, der bewertet wird. Habe ich also ein Unternehmen, und möchte ich dafür ein offizielles Rating haben (oder für meine geplante Unternehmensanleihe), dann trete ich als Unternehmen an die Rating-Agenturen heran. Selbstverständlich werde ich die drei großen Rating-Agenturen Standard&Poors, Moody’s und Fitch um ein Angebot bitten. Vielleicht frage ich auch noch die vierte aber deutlich kleinere Rating-Agentur DBRS, wie es um ein Rating für mein Unternehmen sowie meine geplante Unternehmensanleihe steht. Ich brauche nur ein Rating, also eine Agentur. Das wissen die vier angefragten Ratingagenturen natürlich. Man nennt das Konkurrenz, und klar, Konkurrenz belebt das Geschäft und bringt mir als Kunde im Normalfall bessere Konditionen. Je größer und wichtiger ein Unternehmen oder die geplante Emission, beziehungsweise die Anzahl an möglichen Folgegeschäften, desto interessierter werden die Agenturen an einer Geschäftsbeziehung sein. In unserem Fall ist für mich als Unternehmer und Auftraggeber aber nicht nur der Preis für das Rating wichtig, sondern auch das Rating selbst spielt eine zentrale Rolle. Schließlich kann ich eine gut geratete Anleihe besser verkaufen und muss darauf weniger Zinsen bezahlen, als ich das für eine schlechter geratete Anleihe müsste. Erkennen Sie den Interessenkonflikt? Gleichgültig was Agenturen versichern, dieses Bezahlmodell für Ratings kann einfach nicht gut und völlig unabhängig sein.

Eigene Risikobewertung ist und bleibt wichtig

Wer es denn wirklich ernst meint mit dem eigenen Risikomanagement, der kommt um eine eigene Beurteilung seiner Anlagen nicht umhin. Denn gerade in Übertreibungsphasen und Krisenzeiten haben sich externe Ratings als anfällig erwiesen.

Nicht nur das Rating selbst, sondern auch den Report dazu lesen!

Ganz auf externe Ratings muss und soll man nicht verzichten. Denn gerade die Reports, die mit einem Rating der großen Agenturen mitgeliefert werden, enthalten viel wichtige Informationen in übersichtlicher Aufbereitung. Es kann sich also lohnen, hier einen Blick auch auf den Text hinter dem nackten Rating zu werfen! Klar, das kostet Zeit, aber die könnte im Fall des Falles hier klug investiert sein. Am Ende soll man sich als Leser trotzdem nochmals darüber bewusst sein, wer für den Bericht bezahlt hat.

Interne Modelle, Finanzderivate und Bilanzanalyse

Neben externen Ratings lohnt es sich, auch wieder auf die Grundlagen und Basics zu achten. Im Idealfall können Sie Ihr eigenes, internes Modell einsetzen. Große Banken und Versicherungen verwenden schon lange interne Ratingmodelle, sowohl für Aktiva als auch für das Kreditgeschäft.

Wer sich kein eigenes, internes Ratingmodell leisten kann oder die Kapazitäten für einen Aufbau nicht hat, kann sich immer noch an Finanzderivaten wie etwa Credit Default Swaps orientieren. Auch eine Bilanzanalyse führt zu wichtigen Erkenntnissen. Keine Sorge, eine sogenannte Fundamentalanalyse klingt schlimmer als sie ist. Und haben Sie auch dafür keine Zeit, keine Kapazitäten oder nicht ausreichend Expertise, dann holen Sie sich unabhängige Experten, die das für Sie erledigen.

Anlagevorschriften überdenken!

Sollten Sie noch zu den Unternehmen gehören, die in ihren Anlagevorschriften zwingend ein Rating der „Big Three“ vorgesehen haben, so sollten Sie sich ernsthaft überlegen, diese Regelungen über Bord zu werfen. Machen Sie sich besser selbst Gedanken über die Qualität dessen, was Sie sich ins Portfolio holen, oder holen Sie sich unabhängige Einschätzungen von jemandem, der nicht vom gerateten Emittenten bezahlt wird.