schrauben1Die deutschen Städte haben eine neue Finanzierungsmöglichkeit für sich entdeckt: Die Gemeinschaftsanleihe. Aber machen die aktuellen, haftungsbeschränkten Multi-Städte Anleihen auch für Investoren Sinn?

Im Mai 2013 emittierten mit Würzburg und Nürnberg erstmals zwei deutsche Städte eine gemeinsame Anleihe. Das Emissionsvolumen betrug 100 Millionen Euro, wobei Nürberg einen Anteil von 80 Mio Euro erhielt und Würzburg 20 Mio Euro. Mit einer Laufzeit von 10 Jahren und einem Kupon von 1,965% p.a. wurde die Anleihe ausschließlich institutionellen Investoren angeboten. Damit ersparten sich die Städte unter anderem die Erstellung eines Emissionsprospekts, denn institutionellen Investoren traut der Gesetzgeber zu, auch ohne weitreichende und aufbereitete Informationen von Seite der Emittentin eine ausreichende Due Diligence im Vorfeld eines Wertpapierkaufs machen zu können. Haftungstechnisch steht jede Stadt nur für ihren Anteil gerade, haftet also nicht für die andere Stadt mit.

Mit Würzburg und Nürnberg waren zwei Städte mit vergleichsweise soliden Finanzhaushalten an den Kapitalmarkt gekommen. Als Grund für ihr gemeinsames Vorgehen nannten sie das Emissionsvolumen von 100 Mio Euro, das sie nur gemeinsam erreichen konnten, und das sie mit ihren Banken für eine kritische Größe gehalten hatten. Als Novum und mit zwei qualitativ guten Städten hatte die Anleihe auch Erfolg und ließ sich verkaufen.

Das nahmen sich 2014 gleich sechs Städte aus dem Ruhrgebiet und dem Bergischen Land als Vorbild und begaben die sogenannte Ruhr-Anleihe oder auch NRW-Städteanleihe. Gemeinsam begaben Dortmund, Essen, Herne, Remscheid, Solingen und Wuppertal eine 4-jährige Anleihe über 400 Millionen Euro und einem Kupon von 1,125%. Zunächst sollten es 500 Mio Euro werden, die Nachfrage war am Ende aber doch nicht so groß. Dabei erhielt Dortmund 20%, Essen 28%, Herne 8%, Remscheid 18%, Solingen 6% und Wuppertal 20%. Jede Stadt haftet nur für ihren eigenen Anteil.

Anfang 2015 erfolgte eine weitere Emission eines sehr ähnlichen Sixtetts. Bochum (25%), Essen (40%), Herne (10%), Remscheid (5%), Solingen (10%) und Wuppertal (10%) emittierten gemeinsam 500 Mio Euro. Die Laufzeit war diesmal mit 10 Jahren etwas länger, der Kupon betrug 1,125% p.a.

Im Juni 2015 emittierten dann Bielefeld (20%), Essen (20%), Gelsenkirchen (24%), Hagen (16%) und Remscheid (20%) eine Anleihe über 250 Millionen Euro, einer Laufzeit von 7 Jahren und einem Kupon von 1,25%. Bei einem Spread von 40 über Mid Swap war die Anleihe vergleichsweise eng gepreist, und nach ersten Marktinformationen dürfte das Investoreninteresse nur mäßig gewesen sein.

In allen bisherigen Multi-Städte-Anleihen haftet jede Kommune jeweils nur für ihren Anteil. Als Investor entlockt mir genau das ein Stirnrunzeln. Wo liegt hier mein Vorteil? Ich muss also meine Due Diligence nicht nur für einen Schuldner machen, sondern gleich für fünf oder sechs. Sechs Bilanzen analysieren, und das jährlich. Dazu muss ich noch für jede einzelne Kommune die Bonität und Ausfallswahrscheinlichkeit bestimmen, und das jeweils für ihren Anteil an der Anleihe, plus Korrelationen. Als Investor habe ich hier viel zusätzlichen Aufwand, dem kein direkter Nutzen entgegensteht. Zudem befinden sich die Kommunen der NRW-Städte-Anleihen allesamt in tendenziell strukturschwachen Gebieten, haben mit Abwanderung zu kämpfen und weisen nicht unbedingt die solidesten Haushalte auf.

Zudem handelt es sich bei allen bisherigen Emissionen ausschließlich um Angebote an institutionelle Investoren, also etwa Banken, Versicherungen und Versorgungswerke. Damit benötigen die Wertpapiere keinen Prospekt und haben weniger Publizitätsauflagen. Als Investor habe ich dadurch weniger Informationen zur Verfügung. Das Emissionsvolumen ist zwar durch die Bündelung hoch, aber die Liquidität dürfte durch die geringe Streuung trotzdem nicht überragend sein. Auf der anderen Seite sind durch die Vermeidung eines umfassenden Prospekts und des Teilens der für Neuemissionen oft hohen Bankspesen die Kosten für die einzelne Kommune geringer als bei einer Einzelemission auf Publikumsbasis. Immerhin etwas. Zumindest für die beteiligten Städte ein Vorteil.

Die Bewertung ist durch die Haftungsbeschränkung ebenfalls so eine Sache. Im Grunde müsste man den höchsten Credit Spread der Stadt mit der schlechtesten Bonität am stärksten gewichten. Diesen zu schätzen ist heikel, denn es gibt keine Vergleichsanleihen auf Einzelbasis im Markt. Über ein externes Rating verfügen Kommunen in Deutschland in der Regel nicht. Das Rating würde aufgrund der maroden Haushaltslage mehrerer Kommunen ohnedies nicht allzu rosig ausfallen.

Im Grunde kann man diese Multi-Städte-Anleihen als Investor nur dann kaufen, wenn man der ganz grundsätzlichen Überzeugung ist, dass eine deutsche Kommune gar nicht pleite gehen kann und was auch kommen mag niemals mit ihren Zahlungen in Rückstand geraten wird. Ansonsten sind Gemeinschaftsanleihen mit Haftungsbeschränkung schwacher Kommunen für den Investor eine mäßig gute Idee. Das Risiko eines Ausfalls ist in diesem Fall das kumulierte Ausfallsrisiko aller beteiligten Kommunen, also um ein Vielfaches höher als bei einer Einzelanleihe. Dieses Risiko ist aber in den aktuellen Emissionen gar nicht erst eingepreist.

Richtig Sinn machen Gemeinschaftsanleihen – ob nun von Städten, Ländern oder anderen Emissionsgemeinschaften – erst dann, wenn die Emittenten gegenseitig die Haftung als Gesamtschuldner übernehmen. Denn dann wäre das Ausfallsrisiko für den Investor deutlich reduziert, was sich in einem reduzierten Emissionsspread und damit niedrigerem Zinssatz ausdrücken würde. Der ersparte Risikoaufschlag im Zinssatz stellt dabei sozusagen die Versicherungsprämie dar, mit der sich die Emittenten gegenseitig gegen Ausfall versichern. Vernünftigerweise sollte dieser Spread separat als Rückstellung für den Fall der Fälle beiseite gelegt werden.

Ohne gemeinschaftliche Haftung machen Einzelemissionen für den Investor deutlich mehr Sinn. Dann kann man sich das Risiko kaufen, das man möchte, ohne sich ein Bündel an Credits ans Bein binden zu müssen.