Kommunale Finanzierung über privatrechtliche Zweckgesellschaften? Das ist in vielen Ländern durchaus üblich. In den USA aber auch in China finanzieren viele Kommunen und Regionen teure Infrastrukturprojekte häufig durch Bond Emissionen über eigens von ihnen dafür gegründete Finanzierungsgesellschaften.

Conduit Bonds

Schlagzeilen machen die sogenannten Conduit Bonds, wie sie in den USA heissen, immer wieder. Vor einigen Jahren wurde beispielsweise eine steuerbefreite Anleihe der Stadt Boston notleidend, mit der ein großes Hotel finanziert worden war. Und kurz darauf gab es einen Default bei einer Anleihe aus Alaska, mit der ein Flughafen erweitert werden sollte. Die Liste zieht sich weiter, von Hotels über Casinos bis hin zur Entwicklung von Industriegebieten.

Der große Unterschied zum „normalen“ Muni Markt ist jener, dass die Kommune bei Conduit Bonds nicht haftet. Denn hinter Conduit Bonds stehen privatrechtliche Zweckgesellschaften, die sogenannten Conduits. Die Kommune gibt für die Bond Emission zwar ihren Namen her, und der Bond wird dadurch sogar von der Steuer befreit, die Haftung betrifft das freilich nicht. Warum Kommunen das machen? Nun, einerseits um den Wirtschaftsstandort durch Investitionen in Hotels, Flughäfen, Golfplätze, Business Parks und dergleichen zu stärken, und zusätzlich erhält die Kommune meist noch eine satte Aufwandsentschädigung für ihre Dienste. Kein schlechtes Geschäft für die Kommunen! Darum ist es auch wenig verwunderlich, dass der Anteil von Conduit Bonds an die 30% des gesamten US Muni Marktes ausmacht. Für Investoren ist dies freilich eine zwiespältige Sache. Einerseits ist die Steuerbefreiung sehr attraktiv. Dem US Fiskus entgehen auf diese Weise Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe. Aber andererseits liegen die Ausfallswahrscheinlichkeiten bei Conduit Bonds deutlich über jenen „normaler“ Muni Bonds, und die Kommune haftet nicht für die Verbindlichkeiten aus diesen Anleihen. Die Defaults bei Conduit Bonds machen 70% des Muni Marktes aus!

Ein weltweites Phänomen

Weltweit gründen Länder und Kommunen eigene Zweckgesellschaften zur Finanzierung diverser Investitionen. Meist handelt es sich um Bauvorhaben im Interesse der Kommune, wie etwa Wohnanlagen, Geschäftsparks, Sportstätten oder gar Casinos und Hotels. Als nicht öffentlich-rechtliche Gesellschaften unterliegen sie auch nicht den sonst oft strengen Auflagen, Anforderungen und Kontrollen etwa durch regionale Parlamente oder Ausschüsse. Darin liegt auch ein großer Kritikpunkt an dieser Art der kommunalen Verschuldung. Denn viel davon läuft abgeschirmt von der Öffentlichkeit in einem undurchsichtigen Markt ab.

In China wird die private Verschuldung von Städten zum Problem

In China ist der Umfang der kommunalen Finanzierung über eigens gegründete Finanzierungsgesellschaften mittlerweile so weit aus dem Ruder gelaufen, dass seit März diesen Jahres die Regierung eingreift. Sie erlaubt es den Kommunen nun, einige der privatrechtlich angehäuften Schulden in offizielle Kommunalanleihen umzuwandeln. Damit versucht sie, einerseits die Zinszahlungen der Kommunen zu reduzieren, andererseits aber auch die vielen kleinen Sparer und Investoren zu schützen, die diese Anleihen und Kredite gekauft haben.

Das ganze Ausmaß der Misere kann übrigens nur erahnt werden. In China haben Städte, Gemeinden und Regionen schätzungsweise 27 Billionen Yuan an Schulden angehäuft, was in etwa 40% der chinesischen Wirtschaftsleistung entspricht. Ganz genau kann dies aber niemand sagen, da der Markt sehr intransparent ist. Begonnen hat die privatrechtliche Finanzierung von Kommunen übrigens schon in den 1990er Jahren. Chinesische Kommunen durften bisher selbst keine eigenen Bonds emittieren, wohl aber über Finanzierungsvehikel.

Auch deutsche Kommunen drängen an den Kapitalmarkt

In Deutschland erfolgt die kommunale Finanzierung übrigens nach wie vor klassisch über Bankkredite. Laut Deutscher Bundesbank erhalten die deutschen Kommunen ihre Kredite zum überwiegenden Teil (55,8%) von den hiesigen Landesbanken, Förderbanken und Sparkassen, und zum Teil auch von Privatbanken. Wobei die Zufriedenheit der Kommunen mit den Banken in Deutschland abzunehmen scheint. Denn vermehrt denken Kommunen darüber nach, selbst an den Kapitalmarkt zu gehen und Anleihen zu emittieren, und das durchaus auch mit neuen Konzepten. Doch anstatt den ausländischen Beispielen zu folgen, geht man hierzulande einen anderen Weg, und zwar neben Einzelemissionen von Anleihen von Städten (Mainz, Essen, Hannover, Ludwigshafen, ect.) zunehmend über gemeinschaftliche Bond Emissionen.

Den Anfang machten 2013 die Städte Würzburg und Nürnberg mit einer gemeinsamen Anleihe (10 Jahre Laufzeit, Nominal 100 Mio EUR, Kupon 1,965% p.a., nur für institutionelle Investoren). Ein Jahr später, 2014, folgten die Städte Dortmund, Essen, Herne, Remscheid, Solingen und Wuppertal mit ihrer gemeinsamen Ruhr Anleihe (2014 mit 400 Mio EUR und 4 Jahren Laufzeit bei 1,125%). 2015 folgte eine weitere Gemeinschaftsanleihe (Bochum, Essen, Herne, Remscheid, Solingen, Wuppertal) mit 500 Mio EUR Nominal, 10 Jahren Laufzeit und einem Kupon von 1,125%. Im Juni 2015 emittierten die Städte Bielefeld, Essen, Gelsenkirchen, Hagen und Remscheid ebenfalls eine gemeinsame „NRW Städteanleihe“ über 250 Mio EUR, 7 Jahre Laufzeit und einem Kupon von 1,25%.

Aus Investorensicht ist eine direkte öffentlichen Verschuldung wohl besser als jene über privatrechtliche Zweckvehikel. Aus Sicht des Steuerzahlers stellt es sich selbstverständlich anders dar. Was Sinn und Unsinn von gemeinschaftlichen Anleihen mit Haftungsbeschränkungen betrifft, dazu im nächsten Beitrag mehr.