BahlConsult GmbH: unabhängige Beratung zu Swaps, Derivaten und strukturierten ProduktenHäufig wird argumentiert, dass Kleinanleger auf viele Anlagestrategien und Produkte nur über stukturierte Zertifikate, Anleihen, Fonds und Versicherungen Zugriff haben. Anders könnten sie gar nicht mitspielen an den internationalen Märkten für Rohstoffe, Edelmetalle, Währungen, Zinsen sowie Derivate für gehebelte Strategien. Dafür wären die einfachen Sparer auf das Financial Engineering der großen Banken und Investmenthäuser angewiesen, die ihnen mithilfe von Zertifkaten, speziellen Fondsstrategien und mehrfach verpackten Versicherungs- und Anlageprodukten die Tür zur lukrativen Welt der großen Finanzen öffnen.

Zum Teil mag das durchaus stimmen. Gerade breit gestreute Anlagestrategien in Form von Fonds, ob nun passive Indextracker oder aktive Spezialstrategien, lassen sich mit begrenztem Budget nicht nachbilden. Auch das ein oder andere Zertifikat und Anleihen etwa mit Inflationskomponenten können in speziellen Marktlagen Sinn machen.

Aber ob Kleinanleger ohne tiefergehendes Finanzmarktwissen nun ein Doppeltes Knock Out Zertifikat auf den DAX und S&P, eine kündbare Dual Range Accrual Anleihe auf Euribor und CMS oder ein Bonus Plus Zertifikat auf Daimler kaufen sollten, ist eine andere Frage. Können die Anleger die Funktionsweise der Produkte überhaupt verstehen? Durchschauen sie die Risiken? Nachrechnen können sie diese Produkte ohnehin nicht. Wie soll ein Privatinvestor auch an Informationen zum Funding Spread des Emittenten, der Preise für die einzelnen im Produkt enthaltenen Optionen und die Volatilitätskurven kommen, ganz zu schweigen von pfadabhängigen Kündigungsrechten?

Die Motivation von Banken, Sparkassen, Bausparkassen, Versicherungen und Anlagevermittlern, die ihren Kunden diese Produkte anbieten, ist hingegen leicht erklärt. Dabei geht es meiner Erfahrung nach selten um die heeren Ziele, dem kleinen Mann die große Welt zu eröffnen. Viel eher spielen die eigenen Profite eine große Rolle. Denn je komplexer das Produkt, je länger die Laufzeit, desto höher sind die Margen in der Strukturierung sowie die Provisionen im Vertrieb. Jede einzelne Option, jedes zusätzliche kleine Detail wie Cap oder Floor, jedes Kündigungsrecht und jede weitere Komponente gehen bei Kauf und Verkauf durch Bid und Ask. Das Funding wird bei strukturierten Produkten meist nach unten angepasst. Den Strukturierer und den Vertrieb freut das. Ob sich der Kunde damit einen großen Gefallen tut, wenn er sehr komplexe Produkte erwirbt, die er weder durchblickt noch preislich nachvollziehen kann, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Eine mögliche Alternative für viele der komplexen verpackten Produkte im Anleihen- und Zertifikatebereich bieten übrigens schon lange Warrants, ETNs, ETFs und Indexzertifikate auf Einzelrisiken. Über Optionsscheine & Co kann ein interessierter Investor sogar Risiken auf Rohstoffe, Zinssätze, Aktienindices oder Währungen eingehen, ohne dabei die gesamte Struktur kaufen zu müssen. Mit ein bisschen Geschick und Geduld kann sich auch ein Kleinanleger ein interessantes Portfolio aus Einzelrisiken stricken anstatt auf teure „All-In“ Angebote von Finanzdienstleistern zu setzen. Zudem ist die Auswahl sehr groß und gut. Die Optionsscheine und Indexzertifikate für Kleinanleger sind zwar von der Kostenstruktur nicht so günstig wie jene Produkte, auf die Profis direkt zugreifen können, aber das ist in vielen Branchen ähnlich. Auf dem Gemüsegroßmarkt kauft der Großhändler auch günstiger ein als später die Kleinfamilie im Supermarkt. Doch da die Konkurrenz sehr groß ist und das Angebot bei diesen einfachen Bausteinen relativ gut vergleichbar und berechenbar ist, halten sich viele Anbieter mit ihren Margen zurück und leben von der Masse. Denn die Produkte sind auch für die Emittenten einfach zu emittieren, zu betreuen, zu bewerten und zu hedgen.

Allerdings, das muss der Anleger im Hinterkopf haben, sind Optionsscheine und Co rechtlich gesehen wie Anleihen und beinhalten damit ein Emittentenrisiko. An dem kommt der Kleinanleger übrigens selten vorbei. Mit der Ausnahme von Investmentfonds, die ihre Anlagegelder als separates Eigentum der einzelnen Investoren verwalten, nehmen Anleger im Normalfall bei allen Zertifikaten, Anleihen, Versicherungen und strukturierten Produkten das Emittentenrisiko mit ins Portfolio.

Wer es also gerne günstig und transparent hat, der baut sich seine Anlagestrategie soweit es geht selbst zusammen. Ähnlich wie ein Heimwerker, der sich die Einzelteile für seinen neuen Schrank selbst im Baumarkt kauft. Dazu gehört zu Beginn ein bisschen Tüfteln, viel Lesen und auch Ausprobieren. Irgendwann beginnt es sogar richtig Spaß zu machen, und es ist zudem ein gutes Gefühl, selbst eine gewisse Übersicht und Eigenbestimmung über das eigene Portfolio und damit das eigene Vermögen zu haben. Den Rest, den man nicht selbst aktiv investieren kann oder möchte, kann man immer noch mit fertigen PRIIPs und Versicherungen ergänzen.

Das mag bestimmt nicht für jeden Investor eine Option sein, und nicht jeder möchte sich so intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Wem ein Optionsschein oder einfaches Indexzertifikat allerdings zu komplex ist, der sollte sich fragen, ob ein hoch strukturiertes Produkt für ihn die richtige Alternative ist.